Witwenrente trotz erneuter Heirat- legaler Trick ermöglicht es

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Entscheidet sich eine Witwe oder ein Witwer für eine neue Partnerschaft, kommt zwangsläufig diese Frage auf: Darf man noch einmal heiraten, ohne die Witwenrente zu verlieren? Der Rechtsanwalt und Rentenberater Peter Knöppel erklärt in seinem Video, warum die Angst groß ist, welche Spielräume das Recht tatsächlich lässt und welche Mythen man besser gleich beiseitelegt.

Klarer Gesetzeswortlaut: § 46 SGB VI

Der Anspruch auf eine kleine oder große Witwen- bzw. Witwerrente endet, sobald die begünstigte Person eine „neue Ehe“ eingeht.

Das Sozialgesetzbuch VI formuliert das in § 46 Absatz 1 Satz 1 unmissverständlich. Wer vor den Standesbeamten tritt, verliert damit grundsätzlich den Anspruch auf Witwenrente.

Als Ausgleich kann eine einmalige Abfindung beantragt werden, die 24 Kalendermonate der bisherigen Rente abdeckt – allerdings muss der Antrag aktiv gestellt werden; automatisch geschieht hier nichts.

Was das Bürgerliche Gesetzbuch unter „Ehe“ versteht

Spannend wird es bei der Frage, was rechtlich überhaupt als Ehe gilt. Maßgeblich ist § 1310 BGB: Eine zivilrechtliche Ehe kommt nur zustande, wenn sie vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen wird oder – bei Auslands­ehen – von einem hiesigen Standesamt anerkannt wird. Erst der Eintrag in das hiesige Familienregister verleiht dem Bund seine Rechtskraft im Sinne des Rentenrechts.

Kirchliche Trauung: feierliches Ja-Wort ohne Rechtsfolgen

Genau hier setzt jene häufig diskutierte „Lücke“ an: Eine rein kirchliche Trauung begründet nach deutschem Recht keine Ehe, solange keine standesamtliche Zeremonie folgt.

Wer also ausschließlich vor dem Altar, am Strand oder im Rahmen einer religiösen Zeremonie „Ja“ sagt, genießt zwar das festliche Ritual, bleibt rentenrechtlich jedoch unverheiratet.

Die Witwenrente fließt unverändert weiter. Gleichwohl ist zu beachten, dass manche Religionsgemeinschaften eine kirchliche Trauung ohne vorherigen oder nachfolgenden Zivilakt gar nicht zulassen. Zudem kann sich das eigene Gewissen mit der Frage konfrontiert sehen, inwieweit man eine kirchliche Ehe eingehen möchte, wenn sie staatlich nicht anerkannt wird.

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als naheliegende Lösung

Viele Hinterbliebene entscheiden sich ohnehin für das unverheiratete Zusammenleben. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft – ob hetero- oder gleichgeschlechtlich – berührt den Rentenanspruch nicht. Finanziell bleibt alles beim Alten; rechtlich bestehen jedoch keine wechselseitigen Unterhalts-, Erb- oder Versorgungsansprüche.

Wer sich auf diesen Weg begibt, sollte deshalb überlegen, ob individuelle vertragliche Absicherungen, etwa in Form eines Partnerschafts- oder Erbvertrags, notwendig sind.

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Vorsicht bei Eheschließungen im Ausland

Romantische Spontanhochzeiten in Las Vegas oder Strandzeremonien unter Palmen mögen reizvoll klingen. Doch längst nicht jedes ausländische Trauritual ist nur symbolisch. Viele Staaten erkennen ihre Standesbeamten auch am Strand oder in der Kapelle an – und mit der Apostille findet die Ehe ihren Weg in deutsche Register. Wer ohne genaue Prüfung „aus Spaß“ heiratet, riskiert daher ungewollt den Verlust der Witwenrente.

Hier rät der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt: “Vorab klären, ob die Zeremonie von einer Person mit staatlicher Trauvollmacht durchgeführt wird und ob eine Registrierung in Deutschland erfolgt oder erfolgen muss.”

Die Abfindung: Einmalzahlung als Alternative

Fällt die Entscheidung doch für eine standesamtliche Trauung, steht die Abfindung im Raum. Zwei Jahre der bisherigen Rente werden in einer Summe ausgezahlt. In Zeiten höherer Zinsen kann das attraktiv sein, in Niedrigzinsphasen wirkt die Zahlung dagegen schnell kleiner, als man hofft.

Zudem entfällt nach der Heirat die alte Witwenrente dauerhaft; stirbt der neue Ehepartner, muss der oder die Hinterbliebene später zwischen der alten und der neuen Rente wählen – in aller Regel gilt das Prinzip „entweder-oder“.

Abwägungen vor dem Gang zum Standesamt

Anhalt warnt: “Wer nur aus Liebe heiratet, braucht keine Zahlenkolonnen. Wer jedoch auf die Rente angewiesen ist, sollte nüchtern rechnen.

Dazu gehört ein Blick auf die Höhe der aktuellen Hinterbliebenenrente, auf die künftigen Ansprüche aus der Versicherung des neuen Partners und auf das eigene Erwerbs- und Vermögenseinkommen.

Manch eine Großwitwenrente aus altem Recht übersteigt die zu erwartende neue Rente deutlich. Auch steuerliche Effekte – etwa das Ehegatten-Splitting – ändern daran selten etwas.”

Praktische Empfehlung

Die entscheidende Frage lautet nicht, ob es ein „Schlupfloch“ gibt, sondern wie man verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten umgeht.

Wer auf eine kirchliche Trauung ohne Standesamt setzt, muss ehrlich zu sich und zum Partner sein: Es handelt sich nicht um eine Ehe im bürgerlich-rechtlichen Sinn, sämtliche erbrechtlichen und sozialrechtlichen Folgen bleiben aus.

Wer hingegen rechtlich bindend heiraten möchte, sollte sich vor der Unterschrift über die Abfindung informieren, die Folgen einer möglichen späteren Wahl zwischen alten und neuen Rentenansprüchen abwägen und gegebenenfalls fachkundigen Rat einholen.