Die jährliche Renteninformation ist ein zentrales Dokument für die persönliche Altersvorsorge. Sie zeigt, welche gesetzliche Rente voraussichtlich zu erwarten ist, und sie erinnert eindringlich daran, dass die gesetzliche Rente nur eine Säule im System ist.
Wer sie richtig interpretiert, kann frühzeitig Vorsorgeentscheidungen treffen – wer sich von den großen Zahlen blenden lässt, kann dagegen leicht falsche Erwartungen entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Wozu die Renteninformation dient – und wie Sie sie bekommen
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) verschickt die Renteninformation einmal jährlich an Versicherte ab 27 Jahren, sofern mindestens fünf Jahre mit Beitragszeiten vorliegen.
Ergänzend steht das Schreiben im Online-Portal der DRV bereit; der Zugang erfolgt über die eID-Funktion des Personalausweises oder nach Registrierung. Im Portal finden sich zudem der komplette Versicherungsverlauf und Detailangaben zu Beiträgen und Rentenpunkten – hilfreich, um Lücken zu entdecken und zu klären.
Rentenbeginn und Versicherungszeiten: der Rahmen
Gleich zu Beginn nennt die Renteninformation den Zeitraum, für den Daten vorliegen, und das voraussichtliche Renteneintrittsalter. Ein beispielhafter Termin wäre etwa der 1. Mai 2056.
Diese Angabe ist mehr als eine Formalie: Wer früher in Rente gehen möchte, muss mit Abschlägen rechnen; wer länger arbeitet, erhält Zuschläge. Die individuelle Planung sollte deshalb stets am ausgewiesenen Regeltermin ansetzen.
Erwerbsminderungsrente: enger Anspruch, harte Prüfung
Ein fester Block der Renteninformation ist die Erwerbsminderungsrente. Sie beziffert, welche Rente bei voller Erwerbsminderung ab sofort gezahlt würde.
Wichtig ist die Unterscheidung: Voll erwerbsgemindert ist, wer krankheits- oder behinderungsbedingt weniger als drei Stunden täglich in jeglicher Tätigkeit arbeiten kann; bei drei bis sechs Stunden gilt eine teilweise Erwerbsminderung.
Vor einer Bewilligung prüft die DRV, ob medizinische oder berufliche Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wiederherstellen kann. Verglichen mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sind die Hürden für den gesetzlichen Anspruch spürbar höher, weil nicht der zuletzt ausgeübte Beruf geschützt wird, sondern die allgemeine Arbeitsfähigkeit.
„Was wäre, wenn“: der heutige Rentenanspruch
Besonders anschaulich ist die Angabe, wie hoch die monatliche Rente wäre, wenn der Rentenbeginn heute läge. In einem Beispiel sind es 278,9 Euro. Diese Zahl lässt sich direkt aus den gesammelten Rentenpunkten und dem aktuellen Rentenwert herleiten: 6,82 Punkte multipliziert mit 40,79 Euro ergeben die genannte Monatsrente.
Diese Momentaufnahme ist vor allem für Versicherte kurz vor dem Ruhestand relevant oder wenn ein vorgezogener Rentenbeginn mit Abschlägen erwogen wird.
Die große Zahl: Prognose bei Weiterarbeit – und ihre Annahmen
Für alle, die noch viele Jahre im Erwerbsleben stehen, ist die zweite zentrale Zahl bedeutsamer: die voraussichtliche Rente bei Fortsetzung der Beschäftigung im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Genau hier ist Vorsicht geboten.
Die Prognose unterstellt, dass künftig im Schnitt genauso viele Rentenpunkte pro Jahr erwirtschaftet werden wie zuletzt. Das gelingt nur, wenn das eigene Bruttoeinkommen Schritt hält mit der allgemeinen Lohnentwicklung.
Der Mechanismus ist simpel, aber tückisch: Ein voller Rentenpunkt entsteht, wenn das jährliche Durchschnittsentgelt verdient wird; aktuell sind das 50.493 Euro brutto. Dieses Referenzentgelt steigt regelmäßig. Wenn das persönliche Gehalt künftig nicht in gleichem Tempo wächst, sinkt der jährliche Punktezuwachs – und die heutige Prognose wird zu optimistisch.
Historisch legte das Durchschnittsentgelt in den alten Bundesländern seit 2002 im Mittel um etwa 2,5 Prozent pro Jahr zu; zwischen 2024 und 2025 fiel der Sprung mit rund 11 Prozent außergewöhnlich hoch aus. Solche Bewegungen zeigen, wie unsicher langfristige Fortschreibungen sind.
Kaufkraft statt Nominalwert: die Rolle der Inflation
Nominale Eurobeträge verschleiern den realen Wert. Wer heute in 20, 30 oder mehr Jahren in Rente geht, sollte die ausgewiesenen Beträge auf heutige Kaufkraft zurückrechnen.
Als Faustformel bei angenommener jährlicher Inflation von 2 Prozent gilt: 100 Euro in 30 Jahren entsprechen nur noch rund 55 Euro heutiger Kaufkraft; in 20 Jahren etwa 67 Euro und in 10 Jahren etwa 82 Euro. Je weiter der Rentenbeginn entfernt liegt, desto größer ist die Diskrepanz zwischen Nominal- und Realwert.
Steuern im Alter: nachgelagerte Besteuerung
Die Renten sind schrittweise steuerpflichtig. Wer 2025 in Rente geht, muss 83,5 Prozent der Rente versteuern; für Neurentnerinnen und Neurentner ab dem Jahr 2058 ist die Rente zu 100 Prozent steuerpflichtig.
Im Gegenzug sind die Beiträge in der Erwerbsphase zunehmend als Sonderausgaben absetzbar. Entlastend wirkt im Ruhestand, dass keine Beiträge mehr zur Renten- und Arbeitslosenversicherung anfallen. Gleichwohl mindert die Steuerlast den Netto-Auszahlungsbetrag – auch das relativiert optimistische Projektionen.
Rentenanpassungen und Szenarien: was die DRV beispielhaft rechnet
Die Renteninformation illustriert die Entwicklung mit Szenarien künftiger Rentensteigerungen. Ausgangspunkt kann etwa eine prognostizierte Rente von 1.742,78 Euro sein, ohne künftige Rentenanpassungen. Wird eine jährliche Steigerung von 1 Prozent unterstellt, ergibt sich ein höherer nominaler Monatsbetrag, beispielsweise 2.340 Euro; bei 2 Prozent Steigerung wären es rechnerisch etwa 3.150 Euro.
Entscheidend ist, diese nominalen Beträge um die Inflation zu bereinigen. Bleibt das Rentenniveau (derzeit 48 Prozent) konstant, folgen Renten im Grundsatz der Lohnentwicklung; sinkt es, wächst die Rente langsamer als die Löhne.
In der Realität wirken weitere Stellschrauben der Rentenformel – die Richtung bleibt jedoch dieselbe: Nominalzuwächse sind nicht automatisch reale Zugewinne.
Warum die gesetzliche Rente allein nicht reicht
Die Rentenversicherung formuliert es selbst klar: Angesichts des demografischen Wandels werden Renten langfristig schwächer steigen als Löhne. Daraus resultiert eine Versorgungslücke. Die gesetzliche Rente bleibt eine wichtige, aber nicht ausreichende Säule.
Wer seinen Lebensstandard halten will, sollte frühzeitig zusätzliche Vorsorge aufbauen – betriebliche Angebote und private Bausteine ergänzen die gesetzliche Leistung.
Seite zwei verstehen: Punkte, Abschläge, Beiträge
Im zweiten Teil erklärt die Renteninformation den Erwerb von Rentenpunkten und deren Bewertung. Wichtig ist der Hinweis auf Zu- und Abschläge bei abweichendem Rentenbeginn: Vorzeitiger Bezug reduziert die Rente dauerhaft, späterer Bezug erhöht sie.
Ebenfalls enthalten ist die Übersicht der eingezahlten Beiträge – getrennt nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil – sowie die Summe der bisher erworbenen Punkte. Der Versicherungsverlauf dient als Kontrollinstrument: Fehlen Zeiten, sollten sie geklärt werden, denn jeder fehlende Monat kann die Rente schmälern.
Was aus der Renteninformation praktisch folgt
Die wichtigste Lehre aus dem Schreiben ist die Maßhaltung bei Erwartungen. Seriöse Planung rechnet konservativ: mit realistischen Lohnpfaden, moderateren Rentensteigerungen, einem Inflationsabzug und der nachgelagerten Besteuerung.
Wer die ausgewiesenen Prognosen auf heutige Kaufkraft herunterbricht, erlebt später weniger böse Überraschungen. Ebenso zentral ist die regelmäßige Pflege des Versicherungsverlaufs, um Lücken zu schließen, und die bewusste Entscheidung für zusätzliche Vorsorgebausteine, damit die drei Säulen der Altersabsicherung gemeinsam tragen.
Die Zahl ist nicht die Wahrheit – sie ist lediglich ein Szenario
Die Renteninformation liefert wertvolle Orientierung, aber sie ist keine Garantie. Sie spiegelt Annahmen über Einkommen, Lohnentwicklung, Rentenwert, Inflation und Steuern wider. Wer diese Stellgrößen kennt und nüchtern in Kaufkraft denkt, trifft bessere Entscheidungen. Die gesetzliche Rente bleibt die Basis – doch wer heute vorausschauend und eher pessimistisch kalkuliert, verschafft sich Spielräume für morgen.