Rente: 45 Jahre Rentenbeitrag – Tappe nicht in diese Falle

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Wer sein Berufsleben lang gearbeitet und Beitrรคge gezahlt hat, sehnt den Ruhestand herbei. Seit einigen Jahren gibt es die Mรถglichkeit, als โ€žbesonders langjรคhrig Versicherte*rโ€œ nach 45 Jahren Wartezeit bis zu zwei Jahre frรผher in Rente zu gehen โ€“ und zwar ohne Abschlรคge.

Was wie eine Belohnung klingt, enthรคlt jedoch eine Tรผcke, die leicht รผbersehen wird. Wer an der falschen Stelle abbiegt, verliert den Anspruch auf die abschlagsfreie Vorverlegung und rutscht in eine Rentenart mit dauerhaften Abzรผgen.

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erklรคrt die Regeln, das berรผchtigte โ€žAbschlagslochโ€œ und zeigt, worauf Betroffene besonders achten sollten.

Dr. Utz Analt: 45 Jahre Rentenbeitrag – Vorsicht vor dieser Falle

45 Jahre Wartezeit: Notwendig, aber nicht hinreichend

Die zentrale Eintrittskarte zur abschlagsfreien Vorverlegung ist die Wartezeit von 45 Jahren. Dazu zรคhlen Zeiten, in denen Pflichtbeitrรคge in die gesetzliche Rentenversicherung geflossen sind und die als Wartezeit anerkannt werden.

Wer diese Marke erreicht, erfรผllt damit die Grundvoraussetzung fรผr die Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte. Entscheidend ist jedoch nicht nur die Summe der Versicherungsjahre, sondern auch das Lebensalter. Die โ€žzwei Jahre frรผherโ€œ beziehen sich strikt auf die persรถnliche Regelaltersgrenze des jeweiligen Jahrgangs.

Erst wenn diese Differenz exakt zwei Jahre betrรคgt, wird die Rente ohne Abschlรคge gewรคhrt. Wer zwar bereits 45 Jahre voll hat, sein Mindestalter fรผr die abschlagsfreie Vorverlegung aber noch nicht erreicht, muss weiter warten โ€“ oder mit Abzรผgen leben.

Ein Beispiel, das aufhorchen lรคsst

Angenommen, jemand hat mit 16 Jahren eine Ausbildung begonnen, 45 Jahre rentenversicherungspflichtig gearbeitet und ist nun 61 Jahre alt. Die 45 Jahre sind erfรผllt, der Status โ€žbesonders langjรคhrig versichertโ€œ ist erreicht.

Liegt die Regelaltersgrenze des Jahrgangs beispielsweise bei 66 Jahren und 10 Monaten, beginnt die abschlagsfreie Vorverlegung exakt zwei Jahre davor โ€“ also mit 64 Jahren und 10 Monaten.

Das bedeutet in diesem Beispiel: Trotz erfรผllter 45 Jahre sind bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme noch 3 Jahre und 10 Monate zu รผberbrรผcken. Wer stattdessen bereits mit 63 aufhรถren mรถchte, verlรคsst ungewollt die Spur der abschlagsfreien Vorverlegung.

Die eigentliche Falle: falsche Rentenart, dauerhafte Abschlรคge

Wer vor dem frรผhestmรถglichen abschlagsfreien Zeitpunkt in Rente geht, fรคllt nicht lรคnger unter die Regelung fรผr โ€žbesonders langjรคhrig Versicherteโ€œ. Stattdessen greift die Altersrente fรผr โ€žlangjรคhrig Versicherteโ€œ โ€“ die bereits nach 35 Jahren Wartezeit mรถglich ist, jedoch mit Abschlรคgen einhergeht.

Diese Abschlรคge betragen 0,3 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme. รœber mehrere Jahre summiert sich das erheblich, bis zu einem Maximalwert von 14,4 Prozent. Anders als viele vermuten, enden diese Abzรผge nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze.

Sie gelten dauerhaft โ€“ ein Leben lang. Jede Monatszahlung liegt dann fรผr immer niedriger als sie ohne vorzeitige Inanspruchnahme wรคre.

Was dauerhafte Abschlรคge konkret bedeuten

Die Dimension wird greifbar, wenn man sie auf eine beispielhafte Rentenhรถhe anwendet. Betrรผge die regulรคre monatliche Bruttorente 1.500 Euro, entsprรคche ein Abzug von zehn Prozent einem Minus von 150 Euro pro Monat.

Die Auszahlung sรคnke auf 1.350 Euro โ€“ nicht einmalig, sondern dauerhaft. รœber Jahre hinweg addiert sich daraus eine fรผnfstellige Summe. Da Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrรคge anteilig von der Bruttorente berechnet werden, sinken zwar auch die absoluten Beitrรคge โ€“ am Ende bleibt netto jedoch ebenfalls weniger รผbrig. Wer frรผhzeitig mit Abschlรคgen geht, entscheidet sich damit fรผr eine lebenslange Reduzierung des Einkommens im Alter.

Grรผndlich rechnen statt teuer irren

Die nรผchterne Konsequenz lautet: Rechnen lohnt sich โ€“ und zwar vor der Antragstellung. MaรŸgeblich sind drei GrรถรŸen. Erstens die individuelle Regelaltersgrenze, die sich nach dem Geburtsjahr richtet und den frรผhestmรถglichen abschlagsfreien Vorverlegungszeitpunkt determiniert.

Zweitens die tatsรคchliche Hรถhe der zu erwartenden Rente laut aktueller Rentenauskunft. Drittens der finanzielle Effekt der Abschlรคge pro Monat und in Summe. Wer die 45 Jahre erfรผllt hat, sollte sehr genau prรผfen, ob der Abstand zur Regelaltersgrenze bereits exakt zwei Jahre betrรคgt. Ist das nicht der Fall, fรผhrt ein zu frรผher Antrag direkt in die Abschlรคge โ€“ und zwar unwiderruflich.

รœbergรคnge gestalten, ohne in die Abschlagsfalle zu tappen

Nicht jede oder jeder kann oder will die noch verbleibenden Monate oder Jahre in Vollzeit durcharbeiten. Der รœbergang lรคsst sich dennoch differenziert gestalten. Mรถglich sind Zwischenlรถsungen, die einen gleitenden Ausstieg erlauben, ohne die abschlagsfreie Vorverlegung zu gefรคhrden.

In Betracht kommen je nach Lage etwa Phasen reduzierter Erwerbstรคtigkeit, sozialversicherungsrechtlich zulรคssige รœberbrรผckungen wie Zeiten des Krankengeldbezugs oder โ€“ im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen โ€“ Arbeitslosengeld, ebenso Nebenbeschรคftigungen im Minijob-Spektrum.

Entscheidend ist, dass der Rentenantrag zeitlich so gesetzt wird, dass die abschlagsfreie Zwei-Jahres-Vorverlegung nicht verfehlt wird. Da die Konstellationen hรถchst individuell sind, empfiehlt sich eine persรถnliche Beratung, bevor bindende Antrรคge gestellt werden.

Beratung nutzen: Komplexitรคt ist kein Schicksal

Die Wege zur vorgezogenen Altersrente sind verzweigt, die Rechtsfolgen dauerhaft. Um teure Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist qualifizierte Beratung mehr als eine Formalie.

Anlaufstellen wie der Sozialverband VdK, der Sozialverband Deutschland (SoVD) oder der Paritรคtische Wohlfahrtsverband unterstรผtzen dabei, die eigene Erwerbsbiografie korrekt zu bewerten, Fristen richtig zu setzen und die passende Rentenart zu wรคhlen.

Im Gesprรคch lassen sich auch alternative รœbergangsszenarien entwickeln, die finanzielle EinbuรŸen minimieren oder verhindern kรถnnen.

Frรผh in Rente โ€“ ja, aber richtig

Die Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte ist eine wichtige Anerkennung jahrzehntelanger Beitragsleistung. Sie belohnt 45 Versicherungsjahre mit der Mรถglichkeit, bis zu zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze ohne Abschlรคge in den Ruhestand zu gehen.

Der Preis fรผr eine noch frรผhere Inanspruchnahme ist jedoch hoch: Wer zu frรผh abbiegt, wechselt ungewollt die Rentenart und handelt sich dauerhafte, teils zweistellige Abschlรคge ein.

Wer seinen Ruhestand planvoll abgesichert beginnen mรถchte, sollte deshalb die eigene Regelaltersgrenze kennen, den frรผhestmรถglichen abschlagsfreien Termin exakt bestimmen, die Rentenauskunft sorgfรคltig durchrechnen und sich im Zweifel beraten lassen. So wird aus dem verstรคndlichen Wunsch nach einem frรผhen Ruhestand kein lebenslanges Minusgeschรคft.