Seit der Sozialhilfe-Reform werden Einnahmen in Geldeswert (also Sachleistungen und geldwerte Vorteile) in der Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialhilfe) grundsätzlich nicht mehr als Einkommen angerechnet, sofern sie nicht im Zusammenhang mit Erwerbstätigkeit, dem Bundesfreiwilligendienst (BufDi) oder einem Jugendfreiwilligendienst (FSJ/FÖJ) stehen.
Die Neuregelung findet sich in § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XII. Praktisch bedeutet das: Geschenke von Angehörigen, Freundinnen oder Nachbarn – etwa ein neuer Wintermantel, Lebensmittelpakete, ein gebrauchtes Fahrrad oder ein Einkaufsgutschein – bleiben im Leistungsbezug unberücksichtigt, solange sie nicht aus einem Arbeits- oder Freiwilligendienstverhältnis stammen.
Gesetzliche Grundlage und Ausnahmen
Der Gesetzestext zu § 82 SGB XII definiert zunächst, dass zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert gehören. Seit 01.01.2024 enthält Satz 2 Nr. 11 jedoch die explizite Ausnahme: Einnahmen in Geldeswert, die nicht im Rahmen von Erwerbstätigkeit, BufDi oder Jugendfreiwilligendienst zufließen, zählen nicht zum Einkommen.
Ein kostenloses Mittagessen beim Arbeitgeber oder ein vom Arbeitgeber gewährter Warengutschein bleibt deshalb weiterhin anrechenbar, weil der geldwerte Vorteil arbeitsbedingt entsteht. Dagegen ist ein Warengutschein der Tante nicht anzurechnen.
Konsequenzen für Geschenke und Gutscheine
Die Praxisfolgen sind klar: Sachgeschenke an Leistungsberechtigte in der Grundsicherung sind „endlich unproblematisch“ möglich. Das gilt ebenso für Gutscheine. Rechtlich betrachtet sind Gutscheine zwar geldwerte Vorteile – sie sind „Geld wert“ –, doch fallen sie unter die neue Ausnahmevorschrift und bleiben damit einkommensseitig anrechnungsfrei, solange sie nicht aus Arbeit, BufDi oder FSJ stammen.
Entsprechende fachliche Hinweise und Praxisbeiträge bestätigen diese Auslegung und stellen klar, dass Sachgeschenke und Gutscheine nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Zu beachten ist der Zeitraumbezug zwischen Einkommen und Vermögen: Geschenke in Geldeswert, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, werden – soweit ein dauerhafter Wert verbleibt – nach dem Zuflussmonat dem Vermögen zugerechnet.
Hier greift der Vermögensfreibetrag in der Grundsicherung: 10.000 Euro pro leistungsberechtigter Person (zuzüglich 10.000 Euro für Ehe- bzw. Lebenspartner). Damit sind übliche Sachgeschenke und auch das gelegentliche Ansammeln von Gutscheinwerten in der Regel unproblematisch.
Kann das Amt den Regelbedarf dennoch senken?
Die einzige gesetzliche „Hintertür“ ist keine Anrechnung als Einkommen, sondern eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4 SGB XII. Eine solche Absenkung des Regelbedarfs kommt nur in Betracht, wenn ein ansonsten vom Regelsatz abgedeckter Bedarf nachweisbar vollständig oder teilweise und nicht nur einmalig, sondern voraussichtlich länger als einen Monat anderweitig gedeckt ist.
Punktuelle Geschenke – selbst wenn sie wertig sind – erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Es braucht eine fortlaufende, regelmäßige Bedarfsdeckung, die über einen Zeitraum von mehr als einem Monat trägt, damit der Träger den Regelsatz abweichend festsetzen dürfte. Diese Schwelle ist im Gesetz ausdrücklich verankert und in behördlichen Hinweisen genauso erläutert.
Für die Praxis heißt das: Einzelne oder unregelmäßige Sachzuwendungen – zum Beispiel eine einmalige Lebensmittelkiste, ein Winterpaket mit Kleidung oder ein sporadischer Tankgutschein – reichen nicht aus, um den Regelbedarf abzusenken. Erst wenn ein erheblicher Teil des regelbedarfsrelevanten Verbrauchs dauerhaft anderweitig gedeckt wird, kann eine Anpassung geprüft werden; auch dann muss sie begründet und verhältnismäßig sein.
Und wie siehts beim Bürgergeld aus?
Zwar betrifft die hier besprochene Neuregelung die Grundsicherung nach SGB XII, doch auch im Bereich des SGB II (Bürgergeld) wird in der Praxis seit Ende 2024/2025 betont, dass Geschenke in Geldeswert grundsätzlich nicht als Einkommen anzurechnen sind.
Wichtig bleibt aber: Maßgeblich ist stets der konkrete Normtext und die Einordnung des Einzelfalls. Wer SGB XII-Leistungen bezieht, sollte sich auf § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 SGB XII stützen.
Was Betroffene und Angehörige jetzt wissen sollten
Für Menschen in der Grundsicherung bringt die Reform spürbare Rechtssicherheit: Sachgeschenke und Gutscheine von Dritten können ohne Angst vor Leistungskürzungen gewährt und angenommen werden, solange sie nicht aus einem Arbeits- oder Freiwilligendienstverhältnis stammen und nicht in eine dauerhafte Bedarfsdeckung münden. Wer regelmäßig unterstützt, sollte – falls das Amt eine Absenkung des Regelsatzes erwägt – auf die engen Voraussetzungen des § 27a Abs. 4 SGB XII verweisen.
Fazit
Die zum 1. Januar 2024 eingeführte Anrechnungsfreiheit von geldwerten Zuwendungen außerhalb von Arbeit, BufDi und FSJ ist eine klare Stärkung der sozialen Teilhabe von Menschen in der Grundsicherung. Sie entlastet Schenkende und Beschenkte gleichermaßen und beendet eine lange Praxisrechtunsicherheit.
Nur dauerhafte Bedarfsdeckungen können über § 27a Abs. 4 SGB XII im Ausnahmefall zu einer abweichenden Regelsatzfestsetzung führen. Wer Geschenke macht oder erhält, bewegt sich damit in aller Regel auf sicherer rechtlicher Grundlage.
Rechtsgrundlagen und weiterführende Hinweise: § 82 SGB XII (Fassung ab 01.01.2024), § 27a Abs. 4 SGB XII; praxisnahe Erläuterungen u. a. bei Tacheles/Thomé. Die Ausführungen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.