#IchBinArmutsbetroffen: Der virale Aufstand gegen Armut

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Seit Mai 2022 findet – bislang zu wenig von Politik und Gesellschaft beachtet – ein viraler Aufstand bei Twitter gegen Armut statt.

Seit Wochen ein viraler Aufstand

Seit einigen Wochen berichten von Armut betroffene Menschen unter dem Hastag #IchBinArmutsbetroffen im Sozialen Netzwerk Twitter über ihren Alltag. Seit dem hält sich der Hashtag oft in den TopTen der meist geposteten Themen bei Twitter.

Der erste Tweet wurde von einer alleinerziehenden Mutter mit Pseudonym „Finkulasa“ am 12. Mai 2022 gepostet. Sie rief dazu auf:

„Ich würde mich freuen, wenn ihr mitmacht. Nur ein kleiner Tweet zu euch. Lasst uns zeigen, wer wir sind (nicht zwingend mit Foto!), dass wir KEINE Zahlen sind. Ob Hartz IV, Rente, Aufstocker oder oder oder #IchBinArmutsbetroffen“

Danach verbreitete sich die Aktion innerhalb des Netzwerkes wie ein Lauffeuer. Bis zum heutigen Tag wurden über 92.000 Tweets unter #IchBinArmutsbetroffen veröffentlicht.

Initiative unterstützt die Aktion

Gleich zu Beginn unterstützte auch die “OneWorryLess Foundation” die Hashtag-Aktion. Die Initiative begann sogleich mit der Organisation von Protestaktionen in verschiedenen Städten. Sie versuchte zudem mit Collagen eine größe mediale Reichweite zu erzeugen. Laut eigener Beschreibung wolle man ein “tieferes Bewusstsein für tatsächlich existierende Armut in Deutschland und Europa” erzeugen.

Natalie Schöttler, Mitgründerin von “OneWorryLess Foundation” sagte: „Man merkt, wie das vielen Betroffenen guttut. Für manche war das ein riesiger Schritt, zum Beispiel ein Foto von sich zu posten, und jetzt sprechen sie mit Medien über ihre Geschichte, wollen noch mutiger sein. Es ist so schön, das mitzuerleben.“

Daneben unterstützen u.a. auch die Grüne Jugend, die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin und Hartz IV Kritikerin Inge Hannemann sowie die Gegen-Hartz.de Redaktion die Aktion, in dem immer wieder Beiträge mit dem Hastag veröffentlicht werden.

“Haten” gegen Arme

Allerdings mischen sich immer auch wieder User darunter, die Armutsbetroffenen erklären wollen, wie sie denn “Sparsamer” sein könnten, oder dass sie sich “nicht so anstellen und weniger jammern” sollten. Überhaupt sollten sich arme Menschen “mehr anstrengen” und sich “nicht so wichtig nehmen”.

Dabei ist Armut nichts, womit man innerhalb der gewinnorientierten Gesellschaft prahlen könne. Im Gegenteil, es ist etwas, weshalb sich die meisten Menschen schämen. Die Betroffenen wollen stattdessen eine Stimme erhalten, um die Armut in Deutschland sichtbar(er) zu machen.

Die Aktion ist auch dazu gedacht, gegen sterotypische “Arguemnte” vorzugehen. Denn laut der “Mitte-Studie” aus dem Jahre 2018/2019 gehen etwa 50 Prozent der Befragten davon aus, dass sich Hartz IV-Bezieher „auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben“ machen würden. Niemand habe etwas gegen Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten gehe könne, aber dazu müssten die Betroffenen keine Arme und Beine mehr haben, damit dieses dann auch akzeptiert würde.

Erstmals auch im Bundestag erwähnt

Die Politikerin und Linken-Vorsitzende Janine Wissler nahm die Aktion zum Anlass, um einige Tweets zu zitieren. So sagte sie bei einer Rede im Deutschen Bundestag:

„Immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie angesichts der steigenden Preise ihre Einkäufe bezahlen sollen, wie sie ihre Gasrechnung bezahlen sollen. Auf Twitter schildern gerade viele Menschen unter dem Hashtag #IchbinArmutsbetroffen mutig und offen, wie Armut in diesem reichen Land aussieht. Wie es sich anfühlt, wenn man sich elementare Dinge des täglichen Lebens nicht mehr leisten kann. Sie berichten von Scham und Ausgrenzung.“

Nicht-Betroffene unterstützen die Aktion

Auch Nicht-Betroffene machen bei der Aktion mit und unterstützen sie. So schrieb eine Lehrerin unter dem Pseudonym “Halbblutlehrerin”: Ich selbst bin nicht #IchBinArmutsbetroffen, aber viele meiner Schüler*innen und deren Eltern. Deshalb nutze ich meine Reichweite um ein bisschen über sie zu erzählen. Schule kostet Geld. Und das nicht zu knapp. Angefangen beim Papiergeld über Geld für Wahlfächer”. Bildquelle: Hinz und Kunzt

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