Unverhoffter Hausbesuch von Hartz IV Sozialfahndern. Wie eine alleinerziehende Mutter sogenannte Sozialfahnder vor der Tür stehen ließ
Karola H. lebt in Berlin, ist auf Hartz IV Sozialleistungen angewiesen sowie alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Ganz unverhofft klingelte es um 10.30 Uhr an ihrer Tür. Zwei Mitarbeiter des Jobcenters Berlin-Spandau standen vor der Tür und verlangten nachdrücklich Einlass. Sie wollten sich "ein Bild machen, wie sie wohl so wohnen und leben würde".
Doch die mutige Frau verwehrte den "Sozialfahndern" den Eintritt in die Wohnung: "es gebe diese Möglichkeit juristisch nicht", so die alleinerziehende Mutter. Denn sie hatte weder Anträge zur Beihilfe gestellt und auch sonst läge kein "begründeter Verdacht" von Leistungs- Missbrauch gegen sie vor. Doch die Sozialfahnder gaben nicht auf und drohten der Mutter: "Sie wissen, dass sie eine Mitwirkungspflicht haben". "Und sie wissen, dass ich ein Recht auf Zeugen und einen Termin habe", entgegnete Karola H.
Die Betroffene ist zu Recht stinksauer auf das Jobcenter in Berlin. Gern hätte sie unter anderen Umständen ihre Wohnung gezeigt. "Ja, sie ist stolz darauf, dass sie allein mit Bohrmaschine und Säge in der Hand sämtliche alten Bretter aus der alten Wohnung verwendet hat", um in der neuen Wohnung wenigstens einigermaßen leben zu können. Sogar Schrankbretter aus dem Müllraum hatte Karola H. verwendet, um die Wohnung einzurichten. Die Möbel haben bereits 25 Jahre hinter sich und Karola H. hat ständig Angst , dass etwas kaputt geht. "Ja, wir leben in Armut. Das ist mein Leben, so leben und so wohnen wir", war ihre abschließende Antwort gegenüber den Sozialfahndern.
Die alleinerziehende Mutter musste erst vor Kurzem ihren sechsjährigen Sohn einschulen. Die Schlumappe musste die Mutter auf dem Trödelmarkt erwerben. Die Einschultüte war ein Geschenk ihrer Freundin und ist auch schon neun Jahre alt. Ihr elfjährige Sohn hatte diese bereits zur Einschulung getragen und ihr dreijähriger Sohn wird diese aller Wahrscheinlichkeit später auch zur Einschulung erhalten.
Kinder kosten viel Geld und mehr als der klägliche Regelsatz für Kinder hergibt. Die beiden ältesten Kinder können aus Geldmangel nicht an der Schulspeisung teilnehmen. Stattdessen verpflegt sich die gesammte Familie von Sonderangeboten und der Berliner Tafel.
Die Söhne würden gern in einen Fussball- oder Judoverein gehen. Doch dafür hat die alleinerziehende Mutter kein Geld. "Wir können alles machen, was kein Geld kostet, und wir können nichts machen, was Geld kostet.", so Karola H.
Einen Antrag auf Erstbeschaffungsbeihilfe für eine neue Küche hätte die Mutter auch gern gestellt. Doch sie wollte nicht monatelang auf die Bewilligung mit anschließenden Widerspruchsverfahren warten. Dann hätte die Familie monatelang keine Küche gehabt. Auch hier schritt Karola H. selbst zur Tat. Sie flehte den ehemaligen Vermieter an, wenigstens einige Basis-Gegenstände mitnehmen zu können. Den Rest beschaffte sich die Frau selbst von Restposten in den Baumärkten.
Nun hat die couragierte Frau Angst vor Sanktionen von Seiten des Jobcenters in Berlin. Eine Regelsatz-Kürzung wäre für die Familie eine Katastrophe. Die drohenden Worte klingen ihr noch immer in den Ohren: "Sie wissen, dass sie eine Mitwirkungspflicht haben". Warum sie die Mitarbeiter des Jobcenters nicht herein gelassen hat? "Ich kann doch den Verfall unseres Rechtstaates nicht aktiv unterstützen. Ich kann doch den entstehenden Überwachungsstaat nicht noch Vorschub leisten." Schließlich muss es auch eine Privatsphäre für Hartz IV Betroffene geben. Der Arikel 13 des Grundgesetzes gilt auch dann, wenn man Sozialleistungen erhält: "Die Wohnung ist Unverletzlich.", heißt es schließlich für alle Menschen. So hat Karola H. auch einen Brief an das Jobcenter Berlin-Spandau und an verschiedene Tageszeitungen geschrieben, um ihre Familie vor eventuellen Leistungskürzungen zu schützen. Ein Einzelfall der leider kein Einzelfall ist, in einem der reichsten Länder dieser Erde. (gegen-hartz.de, 24.09.2008)
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors