Heizkosten werden von den Jobcentern gesondert vom Regelsatz bezahlt, der Strom jedoch nicht. Der für Strom festgesetzte Betrag im Regelbedarf hat dabei mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun. In der Realität reicht er für Betroffene meist nicht aus, und sie müssen die Differenz aus dem für das Existenzminimum angesetzten Geld beziehen – also im Ernstfall hungern.
Wieviel zahlt das Jobcenter für Strom?
In der Regelbedarfsstufe 1 werden 40,76 Euro an Stromkosten gerechnet. Ein Paar, das ohne Kinder als Bedarfsgemeinschaft lebt bekommt 2023 73,23 Euro und 2024 82,16 Euro, Eltern mit zwei Kindern beziehen als Bedarfsgemeinschaft 2023 109,95 Euro für Strom und 2024 123,33 Euro.
Wie hoch ist der Durchschnittsbedarf?
Berechnungen der durchschnittlichen Kosten bei einem Strompreis von 40 Cent / kwH und einer monatlichen Grundgebühr von rund 12 Euro zeigen, dass ein Alleinstehender, der Bürgergeld bezieht, nur knapp drei Viertel seiner realen durchschnittlichen Stromkosten erstattet bekommt. Paare in Bedarfsgemeinschaften sind zwar etwas besser dran, aber auch diese müssen aber eine Differenz von rund 7,4 Prozent ausgleichen.
Was sind die Folgen?
Das Bürgergeld ist definiert als und berechnet nach dem sozioökonomischen Existenzminimum. Sozialverbände wie der Paritätische Wohlfahrtsverband kommen indessen schon ohne eingerechnete Stromkosten dazu, dass die Regelsätze viel zu niedrig angesetzt sind. Wer vom Bürgergeld abhängig ist, der oder die hat keine „geheimen Quellen“, die sich anzapfen lassen. Er oder sie muss sich die zusätzliche Belastung im Wortsinn vom Mund absparen, also zum Beispiel darauf verzichten, notwendige Lebensmittel zu kaufen.
Schulden und Darlehen beim Jobcenter
Selbst Hungern ist derweil auf Dauer keine Lösung, um eine monatliche Unterfinanzierung zu kompensieren. Machen die Betroffenen jetzt Schulden beim Energieversorger, dann kommen erst die Mahnungen, die wiederum mit zusätzlichen Kosten verbunden sind und darauf die Stromsperre.
Das Jobcenter bietet in solchen Fällen zwar ein Darlehen an, doch dies löst die Betroffenen nicht aus der Schuldenfalle. Die monatlichen Gelder fehlen weiterhin, neue Schulden sind vorprogrammiert, und vom Darlehen muss monatlich fünf Prozent an das Jobcenter bezahlt werden.
Diese Bezahlung wird wiederum vom Bürgergeld abgezogen – die Betroffenen, die die Stromkosten bereits aus dem Regelsatz ausgleichen müssen, haben sogar noch weniger Geld zur Verfügung.
Härtefälle und zusätzliche Unterstützung
Reicht der Regelsatz nicht, um die Stromrechnung zu bezahlen, dann lässt sich beim Jobcenter ein Antrag auf Härtefall stellen. Jetzt entscheidet die zuständige Behörde im Einzelfall, ob eine zusätzliche Unterstützung gewährt wird, um die Stromkosten auszugleichen.
Das lässt sich zwar durch gestiegene Strompreise und ganz reale Zahlungsunfähigkeit sehr gut begründen – ob die Jobcenter diese Begründung aber akzeptieren, ist ungewiss. Es handelt sich nämlich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systemisches Problem, genauer gesagt, um ein systemisches Versagen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.