Die Bundesregierung hat ein umfassendes Renten-Sofortprogramm auf den Weg gebracht. Geplant sind höhere Renten für Mütter, bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten für Ältere und ein milliardenschwerer Staatsfonds.
Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die Reform priorisiert Besserverdiener und führt neue soziale Spannungen ein – besonders für Geringverdiener, Erwerbslose und Selbstständige ohne finanzielles Polster.
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Früher Einstieg, späte Wirkung: Das neue Rentensystem ab 2025
Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat Ende Mai 2025 ein Renten-Sofortprogramm angekündigt, das zentrale Punkte des Koalitionsvertrags sofort umsetzen soll. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetzespaket in den Bundestag eingebracht werden.
Kernziele sind: das gesetzliche Rentenniveau stabilisieren, Eigenvorsorge stärken und den Renteneintritt flexibler gestalten. Fünf Reformblöcke sollen dies ermöglichen – doch die sozialen Folgen sind umstritten.
Rentenplus für Mütter, Börseneinstieg für Schüler – wer profitiert?
Besonders deutlich zeigen sich soziale Ungleichgewichte bei der sogenannten Frühstart-Rente: Kinder zwischen 6 und 18 Jahren erhalten künftig monatlich 10 Euro auf ein staatlich organisiertes Aktiendepot. Mit freiwilligen Einzahlungen ab dem 18. Lebensjahr könnten sich rechnerisch bis zu 375.000 Euro ansammeln – aber nur, wer sich das leisten kann.
Familien mit geringem Einkommen profitieren kaum, da sie keine zusätzlichen Beiträge aufbringen können. Der Staat investiert hier jährlich 2,2 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt – mit Renditeaussichten in ferner Zukunft.
Zeitgleich verspricht die Mütterrente 3 in Zukunft konkrete Entlastung: Wenn Sie umgesetzt werden sollte, sollen Mütter – auch die mit Kindern vor 1992 – einen halben Rentenpunkt pro Kind zusätzlich erhalten. Das entspricht monatlich rund 20 Euro zusätzlich. Etwa zehn Millionen Menschen profitieren dann unmittelbar.
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Aktivrente: Mehr Freiheit – oder mehr Druck?
Ein zentraler Baustein des Programms ist die Aktivrente. Rentnerinnen und Rentner dürfen ab 2026 bis zu 2.000 Euro pro Monat hinzuverdienen – steuer- und beitragsfrei. Wer den Renteneintritt hinausschiebt, erhält zudem einen Aufschlag von 0,5 Prozent pro Monat. Das Vorbeschäftigungsverbot beim alten Arbeitgeber entfällt.
Während Senior Fachkräfte so ihren Lebensstandard verbessern können, wächst die Konkurrenz für Jüngere und Arbeitslose auf dem angespannten Arbeitsmarkt. Die Regierung nimmt jährlich rund 1,3 Milliarden Euro an Steuern weniger ein. Geringqualifizierte profitieren kaum – denn ihre Löhne liegen oft unterhalb dieser Schwelle.
Garantiertes Rentenniveau: Sicherheit mit Schattenseite
Die sogenannte Rentenniveau-Haltelinie wird gesetzlich auf 48 Prozent bis 2031 festgeschrieben. Das klingt stabil, bedeutet aber: Der Bund muss jährlich wachsende Zuschüsse leisten, während der Beitragssatz der gesetzlich Versicherten auf über 22 Prozent steigen könnte. Wer heute wenig verdient oder erwerbslos ist, erhält später trotz „garantierter“ Leistung kaum mehr als die Grundsicherung – mit oder ohne Rentenniveau-Stabilität.
Betriebsrenten sollen wachsen – aber für wen?
Ab 2026 wird ein vereinfachtes Opt-out-Verfahren für Betriebsrenten eingeführt. Zudem sind Arbeitgeber bei Geringverdienern zu Zuschüssen verpflichtet. Digitale Standardanträge sollen den Zugang erleichtern. Kritiker befürchten: Wer ohnehin nur wenig verdient, hat kaum Spielraum für Entgeltumwandlung – trotz Pflichtzuschuss. Ohne gesetzliche Mindesthöhe oder steuerliche Besserstellung bleibt der Effekt begrenzt.
Generationenkapital: Milliarden an der Börse – soziale Risiken inklusive
Besonders kontrovers ist der geplante Staatsfonds unter dem Titel „Generationenkapital“. Ab 2025 sollen jährlich zwölf Milliarden Euro (plus drei Prozent Wachstum pro Jahr) sowie 15 Milliarden aus Bundesbeteiligungen in Aktien und Fonds investiert werden. Ziel: Bis 2035 ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufbauen und daraus ab Mitte der 2030er jährlich zehn Milliarden Euro Rendite erzielen – zur Dämpfung der Rentenbeiträge.
Doch der Ansatz birgt Risiken: Die hohe Verschuldung für Anlagezwecke könnte den Bundeshaushalt belasten, wenn die erwarteten Renditen ausbleiben. Sozialverbände und Umweltorganisationen kritisieren zudem mangelnde Kontrolle bei ethisch-ökologischen Standards. Laut Greenpeace droht eine Rentenfinanzierung auf Kosten von Umwelt- und Menschenrechten.
Bürokratieabbau und digitale Übersicht: Licht und Schatten
Ein weiterer Punkt im Reformpaket betrifft die Entlastung älterer Menschen im Umgang mit dem Steuerrecht. Für Standardfälle soll die Abgabe der Steuererklärung künftig entfallen.
Was auf den ersten Blick bürokratisch entlastet, wirft in der Praxis Fragen auf: Gilt diese Regelung auch bei Nebenjobs im Ruhestand? Oder nur für Menschen mit ausschließlich gesetzlicher Rente?
Zugleich wird die digitale Rentenübersicht (DigiRÜ) zur Pflicht für Anbieter mit mehr als 1.000 Verträgen. Ziel ist mehr Transparenz über die eigene Altersvorsorge. In der Realität bleibt das System jedoch schwer verständlich – gerade für Menschen ohne digitale Kompetenz oder mit komplizierten Erwerbsbiografien.
Selbstständige, Beamte, Abgeordnete: Einheitliches System?
Langfristig sollen alle neuen Selbstständigen ohne Vorsorgesystem sowie sukzessive Beamte und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Das begrüßen viele Sozialverbände grundsätzlich. Doch: Einheitslösungen bergen Gefahren.
Gerade kleine Selbstständige mit schwankendem Einkommen könnten durch feste Beiträge überfordert sein. Eine Staffelung der Beitragshöhe nach Einkommen ist bislang nur Forderung, nicht Gesetz.
Neue Ungleichheiten: Wer zahlt am Ende?
Mit dem Sofortprogramm verlagert die Bundesregierung zentrale Kosten vom Rentensystem in den Steuerhaushalt. Davon profitieren primär Menschen mit hohen Einkommen oder Rücklagen, die sich zusätzliche Vorsorge leisten können.
Erwerbslose, Menschen in prekären Jobs und Selbstständige mit niedrigem Gewinn drohen dagegen, stärker belastet zu werden – durch steigende Steuern, undurchsichtige Rentenmodelle und wachsenden Wettbewerbsdruck im Arbeitsmarkt.