Ein Arbeitgeber ist nicht ohne Anlass und aus Vorsorge verpflichtet, auf Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung hinzuweisen. Diese Pflicht besteht bei konkreter Kenntnis der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5 SA 267/19)
Seit Jahren als schwerbehindert anerkannt.
Der Betroffene arbeitete im Sicherheitsdienst, 46 Stunden pro Woche. Er erhielt von der Bundesagentur für Arbeit einen Eingliederungszuschuss nach Paragraf 88ff des Sozialgesetzbuches III. Ihm stand gesetzlicher Mindesturlaub zu. Er selbst kündigte sein Arbeitsverhältnis selbst zum 15. Februar 2019.
Seit Oktober 2014 war er als schwerbehinderter Mensch anerkannt mit festgestelltem Grad der Behinderung von 50. Als Mensch mit Schwerbehinderung gelten Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz. Zu diesen gehören weitere bezahlte Urlaubstage, und bei einer Fünftage-Woche sind dies fünf Tage Urlaub mehr pro Jahr.
Betroffener fordert Auszahlung der Urlaubstage
Der Betroffene bestand darauf, und der Arbeitgeber weigerte sich, ihm diese überschüssigen Urlaubstage für die Dauer seiner Beschäftigung nach der Kündigung auszuzahlen. Vergeblich verlangte er die Gewährung und Abgeltung von zwölf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (für 2016 anteilig zwei Tage, für 2017 und 2018 jeweils fünf Tage). Hinzu kämen elf Tage Erholungsurlaub.
Schwerbehinderung war nicht bekannt
Es kam zu keiner Einigung mit seinem Arbeitgeber, und deshalb verhandelte das Sozialgericht Trier den Fall. Der Arbeitgeber argumentierte hier, ihm sei die Schwerbehinderung nicht bekannt gewesen, und insofern habe es keinen Anlass gegeben, auf den Zusatzurlaub hinzuweisen.
Das Arbeitsgericht sieht Anspruch auf Zusatzurlaub als gerechtfertigt an
Das Arbeitsgericht Trier stimmte der Klage zu. Es verurteilte den Arbeitgeber dazu, ihm nicht nur die sieben Tage Mindesturlaub auszuzahlen, sondern auch zwölf Tage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. Dieser Zusatzurlaub sei nicht verfallen, weil der Arbeitgeber den Betroffenen nicht über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen aufgeklärt hätte. Dabei berief sich das Gericht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (9 AZR 541/15).
Es sei dahingestellt, so das Gericht, ob dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bekannt gewesen sei. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes betreffe auch die Zusatzurlaubstage (EuGH C 684/16).
Auch bei Unkenntnis der Schwerbehinderung eines Arbeitgebers sei diesem zuzumuten, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass ihm im Fall einer Schwerbehinderung fünf zusätzliche Urlaubstage zuständen und diese ebenfalls genommen werden müssten, um ihren Verfall zu verhindern. Das gehöre ebenso zur Hinweispflicht des Arbeitgebers wie das Recht des Arbeitnehmers gewahrt bleibe, seine Schwerbehinderung nicht offenbaren zu müssen.
Scheitern vor dem Landesarbeitsgericht
Es ging in die Berufung vor das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Dieses erklärte, dass es zwar eine Hinweispflicht des Arbeitgebers gebe, konkret auf den Zusatzurlaub hinzuweisen, wenn eine Schwerbehinderung bekannt sei.
Der Arbeitgeber sei hingegen nicht in der Pflicht, zur allgemeinen Prophylaxe und ohne konkreten Anlass darauf hinzuweisen, welche besonderen Urlaubstage schwerbehinderten Menschen zustehen. Deswegen hielt das Landesarbeitsgericht die Klage für unbegründet und gestand dem Betroffenen lediglich die Auszahlung für seinen nicht in Anspruch genommenen Mindesturlaub zu.