Neue Versicherung gegen Hartz IV? Was steckt dahinter?

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Private Versicherung gegen Hartz IV: Viel heiรŸe Luft oder eine Alternative?

Die Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsprozessen schreitet voran. Gerade in der Industrie werden menschliche Arbeitskrรคfte immer weiter wegrationalisiert. So sind beispielsweise beim Siemens-Elektronikwerk in Amberg schon heute alle Arbeits-Prozesse IT-gesteuert. Aus gutem Grund haben immer mehr Menschen, vor allem im produzierendem Gewerbe, Angst vor dem Jobverlust und den Abstieg in Hartz IV. Ein neuer Anbieter will mit einer Versicherung gegensteuern.

Der Markt regelt?

Das Start-up Ewa aus Essen will die Angst vor Hartz IV mindern, und bietet Versicherungen gegen den Abstieg in Hartz IV an. Politisch kommen sie der alten Forderung der Wirtschaftsliberalen nach, die die Ansicht vertreten, dass der Markt alles regelt. Doch wie kann eine solche Versicherung tatsรคchlich eine Alternative zu Hartz IV bieten? Wir haben uns das Angebot einmal genauer angeschaut.

Das Motto รคhnelt einer politischen Forderung: “Grundeinkommen per Versicherung”. Die Police soll Versicherungsnehmer davor bewahren, in die Hartz IV Falle mit Sanktionen und behรถrdlichen Drangsalierungen zu geraten. Wer betriebsbedingt gekรผndigt wird, soll einen Anspruch erwirken. Wer selbst kรผndigt, hat hingegen keinen Anspruch.

Im ersten Jahr keine Geldleistungen

Nach den Vorstellungen von “Ewa” erhรคlt der Gekรผndigte in den ersten zwรถlf Monaten ersteinmal keine Geldleistungen, da zunรคchst das Arbeitslosengeld 1 aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung gezahlt wird. Stattdessen sollen Sachleistungen im Bildungsbereich, also Weiterbildungsmรถglichkeiten und Bewerbungscoachings, finanziert werden. Mit Kursen sollen die Betroffenen schneller wieder einen Arbeitsplatz finden. Das Unternehmen rechnet damit, dass durch die Digitalisierung in den nรคchsten Jahren die Luft auf dem Arbeitsmarkt dรผnner wird. “Der technische Wandel wird immer schneller”, sagt Malte Sรคger, einer der Grรผnder von Ewa. Jobs, die noch vor zehn Jahren als nicht ersetzbar galten, werden heute digitalisert gesteuert.

Erst nach dem ersten Jahr der Erwerbslosigkeit, also dann, wenn Hartz IV in aller Regel greift, soll die Police an den Kunden ausgezahlt werden. Wie hoch der Betrag ist, wird vom Kunden beim Abschluss der Versicherung selbst festgelegt. Es wird aber nur maximal der Betrag des Arbeitslosengeldes 1 ausgezahlt. Und auch nur maximal 2 Jahre. Danach wรผrde dann Hartz IV greifen, wenn denn รผberhaupt der Betrag ausreicht, um nicht aufstockend Hartz IV zu beantragen.

Von Vorteil wรคre, dass die Verwertung von Vermรถgen, wie das Eigenheim oder Geldvermรถgen sowie Weisungen des Jobcenters mindestens in den ersten 3 Jahren wegfallen wรผrde. Zudem kรถnnte man sich ohne Drangsalierungen seitens des Jobcenters selbst neu orientieren. Auf der anderen Seite haben Erwerbslose, so gut und schlecht die WeiterbildungsmaรŸnahmen auch sind, keinen Anspruch auf staatliche Fรถrder-Leistungen, die nur dann greifen, wenn man Hartz IV beantragt. Auch Mehrbedarfe werden nicht bedacht. Fรผr Familien mit Kindern kรถnnten die Versicherungsleistungen nicht ausreichen. Und was passiert, wenn immer mehr Menschen arbeitslos werden? Kann eine private Versicherung das bewerkstelligen?

Alles noch nicht in trockenen Tรผchern

Noch steht erst einmal nur das Konzept, da nach eigenen Angaben keine Investorengelder eingesammelt wurden. Man kรถnne aber mit einem “strategischen Partner” innerhalb eines Jahres die “Versicherung statt Hartz IV” anbieten. Die Idee der Grรผnder ist zudem nicht neu. Bereits 1996 hatte die Volksfรผrsorge ein รคhnliches Konzept, andere Anbieter folgten. Der Erfolg stellte sich jedoch nicht ein. Der einfache Grund: Die Policen waren fรผr die meisten Arbeitnehmer viel zu teuer.

Den Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen

Zum anderen ist zu bedenken, dass solche Konzepte auch den Wirtschaftsliberalen Futter bieten, die den Staat am liebsten aus der sozialen Verantwortung sehen wรผrden. Eben jene fordern seit vielen Jahren eine durchweg private Vorsorge. Wer aber prekรคr beschรคftigt ist, ist am hรคufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen. Bei geringen Lรถhnen kรถnnen sich die meisten Menschen keine zusรคtzliche Absicherungen leisten. Zudem sind die sozialen Leistungen steuerfinanziert. Demnach haben die Menschen mit ihren Steuern bereits fรผr eine soziale Absicherung eingezahlt. Demnach sollte der Staat das Konzept grundlegend erneuern und eine tatsรคchliche Hilfe bieten.