17.000 Euro Nachzahlung: So zwang eine Untätigkeitsklage die Stadt in die Knie

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Eine 21-jährige Leverkusenerin mit Behinderung erhält nach fast zwei Jahren Verzögerung rund 17.000 Euro Grundsicherung nachgezahlt. Erst eine Untätigkeitsklage bewegte die Stadt Leverkusen zum Handeln. Der Fall zeigt, wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen können – und welche Fristen dabei entscheidend sind.

17.000 Euro Nachzahlung: Familie setzt sich durch

Die junge Frau arbeitet seit September 2023 im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Statt der gesetzlich vorgesehenen Grundsicherung bekam sie lediglich 133 Euro Ausbildungsgeld vom Jobcenter und Pflegeleistungen nach Pflegegrad 3.

Die Mutter stellte bereits im Juni 2023 einen Antrag auf Grundsicherung beim städtischen Sozialamt. Trotz vollständiger Unterlagen passierte monatelang nichts.

Ende Mai 2024 forderte die Behörde dieselben Nachweise erneut an. Wieder reichte die Mutter alles ein, wieder folgte kein Bescheid. Erst als der Sozialverband VdK das Mandat übernahm und am 14. April 2025 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Düsseldorf einreichte, lenkte die Stadt ein.

Einen Tag nach Klageeingang versprach sie eine rückwirkende Bewilligung ab September 2023. Der Bescheid vom 24. April 2025 sicherte der Familie 16 788,39 Euro Nachzahlung plus laufend 813,22 Euro pro Monat.

Untätigkeitsklage: Sechs Monate Frist, dann klagen

Wer Sozialleistungen beantragt, muss nicht unbegrenzt warten. § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt klare Grenzen:

  • Antrag: Wenn nach sechs Monaten kein Bescheid vorliegt, darf geklagt werden.
  • Widerspruch: Bleibt eine Entscheidung drei Monate aus, ist ebenfalls Klage möglich.

Die Klage zwingt die Behörde nicht zur Bewilligung, sondern zur Entscheidung. In der Praxis reicht sie jedoch oft aus, um eine verspätete Zusage zu erzwingen – so auch in Leverkusen. Für Betroffene bedeutet das: Fristen kalendern, dann handeln.

Warum 133 Euro nicht zum Leben reichen

Das WfbM-Ausbildungsgeld wurde zum 1. August 2024 von 126 Euro auf 133 Euro erhöht. Dieser Grundbetrag soll Weiterbildung honorieren, deckt aber keine Lebenshaltungskosten. Deshalb springt das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit Grundsicherung ein. Anspruch haben Menschen mit voller Erwerbsminderung ab 18 Jahren sowie Personen im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM.

So berechnet sich die Grundsicherung

Die Grundsicherung setzt sich aus drei Bausteinen zusammen:

  1. Regelbedarf: 563 Euro monatlich (Regelsatz 2025; unverändert zum Vorjahr).
  2. Angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung: individuell je nach Mietspiegel.
  3. Abzugsfähiges Einkommen: hier das Ausbildungsgeld von 133 Euro.

Im Fall der Leverkusenerin ergeben sich so die laufenden 813,22 Euro: Regelbedarf plus Miete minus anrechenbares Einkommen.

Verwaltung in der Kritik: Lange Bearbeitungszeiten

Nordrhein-Westfalens Kommunen verzeichneten 2024 erneut steigende Ausgaben im SGB-XII-Bereich. Steigende Fallzahlen treffen auf angespannten Personalbestand. Sozialgerichte berichten von zunehmenden Untätigkeitsklagen.

Der VdK NRW sieht darin ein strukturelles Problem: Viele Ämter missachteten systematisch die Sechs-Monats-Frist. Für Betroffene bedeutet das Unsicherheit und teils existenzielle Engpässe.

Tipps für Betroffene: So erhöhen Sie den Druck

  1. Schriftlich beantragen: Datum auf dem Antrag sichert die Frist.
  2. Unterlagenliste anfordern: So lässt sich später beweisen, dass alles eingereicht wurde.
  3. Frist notieren: Nach sechs Monaten schriftlich zur Entscheidung auffordern und zwei Wochen Reaktionszeit setzen.
  4. Klage nicht scheuen: Eine Untätigkeitsklage kostet nur eine geringe Gebühr, oft übernimmt der Rechtsschutz eines Sozialverbands.
  5. Beratung suchen: VdK, Sozialberatungen oder Fachanwälte unterstützen beim Verfahren.

Einordnung: Wachsende Klagezahlen in NRW

Der VdK NRW meldet für 2024 einen deutlichen Anstieg von Verfahren wegen verzögerter Bescheide. Allein in den ersten drei Quartalen 2025 wurden laut Verband bereits mehr Untätigkeitsklagen eingereicht als im gesamten Vorjahr. Sozialrichter bestätigen den Trend. Für die Behörden bedeutet jede verlorene Klage Mehrarbeit – für Betroffene hingegen einen wichtigen Hebel, um existenzsichernde Leistungen durchzusetzen.