Urteil in Sachen Meinungsfreiheit

Aachener Staatsanwaltschaft musste auch vorm Berufungsgericht "abblitzen": Das Verstehen um die Motive der versuchten Geiselnahme in der Arge Aachen ist keine Straftat, sondern grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit

Aachen – Erleichterung für Thomas F. Das Landgericht Aachen hat heute die Berufung der Aachener Staatsanwaltschaft gegen seinen Freispruch durch das Amtsgerichts vom März diesen Jahres zurückgewiesen. Damit scheint eine über dreijährige absurde Gerichtsposse zum Ende zukommen, in der man zeitweise den Eindruck gewinnen konnte, dass es der Staatsanwaltschaft und den Anzeigeerstattern (Stadt Aachen) nur darum ging, ein Exempel zu statuieren, um letztendlich die bei Behörden missliebige Initiative "Erwerbslosen Forum Deutschland" und dessen kritisches Internetforum (elo-forum.org) mundtot zu machen.

Im September 2007 hatte eine zu diesem Zeitpunkt offenbar geistig verwirrte Frau versucht ihr vorenthaltene Geldansprüche mittels versuchter Geiselnahme in der Arge Aachen durch zusetzen. Thomas F. verfasste damals im Internetforum des Erwerbslosen Forum Deutschland und bei der Internetpräsenz einer Aachener Tageszeitung einen gleichlautenden Beitrag. Darin wunderte er sich darüber, dass angesichts der rechtlichen und verwaltungstechnischen Missstände in den Hartz IV-Behörden nicht viel mehr und früher von Übergriffen in den Argen berichtet wurde.

Schon kurz danach wollte der Aachener Staatsschutz vom Erwerbslosen Forum Deutschland die Herausgabe der Daten von Thomas F, da eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Billigung- und Belohnung einer Straftat vorlegen würde. Das Erwerbslosen Forum Deutschland sah dies damals schon als freie Meinungsäußerung und verwies auf den persönlichen Schutz von Teilnehmern des Internetforums und verweigerte die Herausgabe der Daten. Im Übrigen wurden auch schon damals keine Daten erhoben, die Rückschlüsse auf die Identität von Internetnutzern zuließen. Dennoch erwirkte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Aachen einen Beschluss, der das Erwerbslosen Forum Deutschland zu Herausgabe von Daten verpflichtete. Der Beschluss ging jedoch ins Leere, da solche Daten nicht vorhanden waren und es die Erhebung solcher Daten auch rechtswidrig gewesen wäre. Über die Internetpräsenz einer Aachener Tageszeitung konnten die Polizei Thomas F ermitteln, da diese – im Gegensatz zum Erwerbslosen Forum Deutschland – die IP-Adressen als Logdateien gespeichert hatte.

Thomas F.s Verwunderung darüber, dass es nicht schon vorher zu Geiselnahmen oder anderen Taten in den Argen gekommen war und das Verstehen von übergriffige Motiven von Einzelnen sah das Amtsgericht im März als bloße inhaltliche und von der Meinungsfreiheit gedeckte Auseinandersetzung mit der Sozialgesetzgebung in Deutschland an und urteilte mit einem Freispruch. Dies reichte jedoch der Staatsanwaltschaft und ging in Berufung. Für sie schien es offenbar fest zustehen, dass der verfasste Beitrag von Thomas F "eindeutig Sympathie mit dem Einsatz massiver Gewalt offenbarte", so die Berufungsbegründung.

Die Berufungskammer sah dies jedoch anders und bestätigte somit das Urteil des Amtsgerichts Aachen. Sie machte dabei deutlich, dass dies kein politischer Prozess sein, sondern ob der von Thomas F. verfasste Beitrag (hier) strafrechtlich Relevante Punkte enthielt. Auch für die die Kammer gab es keine Anhaltspunkte der Billigung oder Belohnung einer Straftat. Auch, dass Verwaltungswirte "gerade mal zum Abheften von Akten" taugen, stellte für die Richter keine Beleidigung da. Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Woche Zeit um in Revision zu gehen. Dies wurde aber von Prozessbeobachtern als unwahrscheinlich angesehen. (Erwerbslosen Forum Deutschland – 16.11.2010)

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