12.06.2011
Wer in seinem Job ungerecht entlohnt wird, leidet deutlich mehr unter Stress und Herzkrankheiten. Das zeigte eine Studie des renommierten Bonner Wirtschaftsökonomen Professor Armin Falk und des Düsseldorfer Medizinsoziologen Professor Johannes Siegrist.
Viele Menschen in Deutschland erleben die Entlohnung für ihren Job als unfair und ungerecht. Zu nennen wären hierbei beispielsweise Zeitarbeitsnehmer, die im Gegensatz zu den Festangestellten nur einen prozentualen Anteil ihrer geleisteten Arbeit ausgezahlt bekommen. Noch gravierender fällt die Ungerechtigkeit bei Hartz IV Beziehern aus, die einen sogenannten Ein-Euro-Job ausüben müssen. Hier erhalten die Betroffenen gerade einmal 1 bis 1,50 Euro pro Stunde für zum Teil körperlich sehr anstrengende Arbeit. Eine Bonner Studie brachte nun zu Tage, dass Menschen mit zum Teil schwerwiegenden körperlichen und seelischen Erkrankungen reagieren, wenn sie ungerecht bezahlt werden. Die möglichen Folgen sind Depressionen, Herzerkrankungen wie Herzinfarkt oder Bluthochdruck.
Studie mit Arbeitern und Chefs
Für die Studie teilten die Bonner Wissenschaftler 80 Studenten in zwölf gleich große Teams auf. In den Teams wurden die Studienteilnehmer jeweils in Arbeiter und Chefs aufgeteilt. Die Arbeiter bekamen Blätter, auf den Nullen und Einsen vermerkt waren. Genau 25 Minuten mussten die Angestellten die Nullen auf den Blättern zählen. Je mehr Nullen die Angestellten zusammenrechneten, um so mehr „Geld“ konnten das Team einnehmen. Während die Arbeiter zählten, konnten die Chefs ihre Zeit mit ausruhen verbringen. Nach der Arbeitszeit traten die Chefs in Erscheinung. Sie bekamen nun die Aufgabe zunächst das erwirtschaftete Geld zu zählen und im Anschluss aufzuteilen. Für die Aufteilung wurde keine Vorgabe gemacht, so dass sie das Geld nach „Gutdünken“ verteilten. Bei fast allen Teams teilten die Chefs geringere Bezüge aus, als es sich die Arbeiter vorgestellt hatten. Die Teilnehmer reagierten daraufhin mit messbaren Unwohlsein und Stress.
Ungerechte Bezahlung verursacht Stress
Während der Studie wurde Herzfrequenz aller Teilnehmer gemessen. Entscheidend waren hier die Werte bei der Geldverteilung. Um so ungerechter die Probanden die Zuteilung erlebten, um so weniger variierte die Herzfrequenz. Das bedeutet, dass die Arbeiter einen regelrechten Stress erlebten. Wer nun jeden Tag aufs neue gedemütigt wird, weil er für seine Arbeit zu wenig Geld erhält, der erlebt einen chronischen Stress. Dieser gesundheitsgefährdende Zustand begünstigt wiederum eine Reihe von schweren Erkrankungen wie Depressionen oder Bluthochdruck.
Vergleich mit SOEP Haushaltsbefragung
Die Daten wurden nun im Anschluss mit den Auswertungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) verglichen. Der Panel wird seit 27 Jahren in rund 12.000 bundesdeutschen Haushalten erstellt. Die etwa 20.000 Bürger beantworten dabei Fragen zum Einkommen, Familienstand, Wohlbefinden und Gesundheit. Auffällig ist, dass das Einkommen ein bedeutenden Einfluss auf die körpereigene Gesundheit hat. Wer sich schlecht bezahlt fühlt, der leidet im Verhältnis zu anderen signifikant häufiger an Herz-Kreislauf-Krankheiten oder psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte Langzeitstudie verschiedener Fachrichtungen in Deutschland. Unternommen wird das SOEP durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Ungerechte Löhne sind demnach schlecht für das Herz“, so das Resümee der Forschergruppe. Erleben Menschen ihre Entlohnung als ungerecht, „geraten sie schnell unter Stress“, berichtet Studienleiter Falk. „Außerdem leiden sie eher unter Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Depressionen.“ Wenn das Gefühl von Ungerechtigkeit die Varianz der Herzfrequenz auf Dauer schädigt, wirkt sich das längerfristig schädlich auf die Gesundheit aus. „Eine verringerte Herzfrequenz ist zum Beispiel ein früher Warnhinweis für Herzerkrankungen“.
Stress auch durch Angst vor Hartz IV
Nicht nur eine ungerechte Bezahlung versetzt Menschen in permanenten Stress. Laut einer internen Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) nehmen die krankheitsbedingten Ausfalltage von Arbeitslosengeld I Bezieher seit der Einführung von Hartz-IV kontinuierlich zu. Die Angst vor dem sozialen Abstieg lässt viele Menschen regelrecht krank werden. Sie stieg die Krankheitsrate seit 2006 um 28 Prozent. Vor allem im Bereich der seelischen Erkrankungen ist ein Anstieg von 44 Prozent zu beobachten. (gr)
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