Trotz Urteil: Mit fiesem Trick plant die Bundesregierung höhere Hartz IV Sanktionen (Update)

Neue geplante Weisung soll addierte Sanktionen bei Hartz IV zulassen

Das Bundesarbeitsministerium sowie die Bundesagentur für Arbeit planen auch für die Zukunft höhere Hartz IV Sanktionen, obwohl die Verfassungsrichter urteilten, dass Sanktionen gegen das Grundgesetz verstoßen. Hierzu sollen verschiedene Sanktionen sich ergänzen. Dabei wird – laut eines Entwurfs – die 30 Prozent-Marke überschritten. Das Bundesarbeitsministerium dementiert.

Ausrufezeichen

Neue Weisung an die Jobenter geplant

Die Bundesagentur für Arbeit sowie das Bundesarbeitsministerium erarbeiten derzeit eine neue interne Weisung, die eine Vorgabe für alle Jobcenter darstellt. Laut des Entwurfs werden in der konkreten Anwendung die Leistungskürzungen deutlich um 30 Prozent überschritten. Damit würde das verbriefte Existenzminimum unterschritten.

Addieren von Sanktionen

Dabei urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die bisherigen starren Vorschriften, welche zwingend für drei Monate stufenweise Sanktionen von bis zu 100 Prozent vorsehen, unverhältnismäßig sind und zudem das vom Staat zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum verletzt. Der Staat sei laut dem Urteil “wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Menschenwürde und des Sozialstaatsprinzips zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums eines jeden Einzelnen verpflichtet”.

Doch nun soll in den Weisungen verankert werden, dass die Sanktionen deutlich höher ausfallen können. Denn laut dem Entwurf könnten die Jobcenter einfach unterschiedliche Sanktionen addieren.

Im Überschneidungsmonat addiert

In dem Papier unter der Randziffer 31.34 steht: “Bei kumulativer Verletzung von Pflichten nach Paragraf 31 und 32 laufen die Minderungen parallel ab, das heißt, die Minderungsbeiträge werden in Überschneidungsmonaten addiert.” Das bedeutet, dass eine 30 Prozent Kürzung wegen der Weigerung eines Jobangebots auch mit einer 10 Prozent Sanktion aufgrund eines verpassten Meldetermins addiert werden dürfen.

Um es veranschaulichen ist in dem Weisungsentwurf auch ein Rechenbeispiel angeführt. Der Regelbedarf eines Alleinstehenden könnte von 432 EUR um 172,80 reduziert werden. Da eine Sanktion 3 Monate andauert, können durch weitere Sanktionen auch weitere Leistungskürzungen hinzukommen. So könnten die Jobcenter den Regelsatz auch um 40,50,60,70 und sogar um 100 Prozent kürzen. Vollsanktionen wären faktisch wieder möglich.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte jedoch, dass eine Senkung des Regelbedarfs um 30 Prozent noch “wegen der damit angenommenen Abschreckungswirkung plausibel und zu rechtfertigen” sei. Verfassungswidrig sei aber, dass “die Vorschriften keine Härtefallregelungen vorsehen.”

Bei Sanktionen von 60 oder gar 100 Prozent gebe es erst recht keine genauen Erkenntnisse über die Wirkung dieser Sanktionen, so das Gericht. Dabei reiche die hier entstehende Belastung „weit in das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum hinein”. „Je länger die Regelungen in Kraft sind und der Gesetzgeber damit deren Wirkungen fundiert einschätzen kann, desto weniger darf er sich allein auf Annahmen stützen”, betonten die Verfassungsrichter. Scharfe Sanktionen von 60 Prozent seien laut Gericht “nicht zumutbar und deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen”. Für die Betroffenen stellen die hohen Leistungskürzungen eine Belastung von “außerordentlicher Härte” dar.

Noch ein nicht veröffentlichter Weisungsentwurf der BA

Das Bundesarbeitsministerium betonte bei einer Anfrage durch die “Süddeutsche Zeitung”, dass es sich hierbei um einen Entwurf für eine Weisung handelt, der nocht nicht “final” sei. Es seien Konsultationen mit den Spitzenverbänden und der Bundesländer vorgesehen. Diese sollen demnach eine Stellungnahme hierzu abgeben. Die Weisung soll die Sanktionsregeln festlegen, bis der Gesetzgeber ein neues Gesetz geschaffen hat, dass dann anstelle in Kraft tritt. Bis zur Weisung, so ein Sprecher Bundesagentur, werden keine Sanktionen über 30 Prozent verhängt. Allerdings nur so lange, bis eine neue Weisung veröffentlicht wird.

Schon einmal wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen

Für Sebastian Bertram von “Gegen-Hartz” ist der Fall klar. “Das Arbeitsministerium würde bei Umsetzung des Entwurfs das Urteil deutlich missachten. Das hat der Gesetzgeber schon einmal getan. Denn im Jahre 2010 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Bemessungsgrundlagen der Hartz IV Regelsätze für Kinder und Erwachsenen Verfassungswidrig seien. Mit Rechentricks konnte der Gesetzgeber dennoch erreichen, dass die Regeleistungen klein gerechnet sind. Einen ähnlichen Trick will man anscheinend schon wieder ausprobieren, um nun an dem Sanktionregime in der bisherigen Form festzuhalten”.

Update:

Hubertus Heil schließt dennoch Sanktionen aus

In einem kurzen Statement auf Twitter heißt es nun von Seiten des Bundesarbeitsministeriuzms: “Bevor es in der öffentlichen Diskussion zu weiteren Missverständnissen kommt, wird klar gestellt: Bundesminister Hubertus Heil schließt aus, dass künftig innerhalb eines Monats mehr als 30 Prozent sanktioniert werden darf. Eine dementsprechende Weisung wird nach Abschluss des konsultatorischen Verfahrens am Freitag ergehen.”

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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