Ab 2026 könnte sich die Rentenzahlung vieler Menschen spürbar verringern. Der Grund: Das Bundesfinanzministerium prüft die Einführung eines automatischen Steuerabzugs direkt von der monatlichen Rente. Was als bürokratische Erleichterung verkauft wird, könnte für rund 4,4 Millionen Rentner erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten.
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Neues Modell: Steuer direkt bei Rentenzahlung abgezogen
Die Bundesregierung plant, die Einkommensteuer auf Renten künftig direkt bei der Auszahlung einzubehalten – ähnlich wie bei Arbeitnehmern mit Lohnsteuerabzug. Eine sogenannte Quellensteuer soll es möglich machen, dass Rentenversicherungen die Steuer automatisch berechnen und an das Finanzamt weiterleiten.
Zuständig für die Entwicklung des Modells ist eine Expertenkommission unter Leitung des Bundesfinanzministeriums.
Der Vorschlag stammt aus dem Reformprojekt zur Vereinfachung der Einkommensteuer und wird von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) massiv unterstützt. Ihr Vorsitzender Florian Köbler wirbt dafür, das neue Verfahren bereits 2026 einzuführen.
Was sich für Rentner ändern könnte
Bisher müssen Rentner, deren steuerpflichtige Einkünfte den Grundfreibetrag überschreiten, selbst eine Steuererklärung einreichen. Mit dem neuen Modell entfiele diese Pflicht für viele. Stattdessen würde die Steuer – basierend auf dem Vorjahreseinkommen – automatisch abgezogen.
Kritiker befürchten jedoch erhebliche Nachteile:
- Viele individuelle Besonderheiten, wie hohe Krankheitskosten oder außergewöhnliche Belastungen, lassen sich in einem Pauschalsystem nicht korrekt berücksichtigen.
- Betroffene müssten weiterhin eine freiwillige Steuererklärung abgeben, um mögliche Rückzahlungen zu erhalten.
- Vor allem kleine Renten wären gefährdet, weil bereits geringe Fehler im Steuersatz spürbare Einbußen verursachen könnten.
Rentenversicherung warnt vor überhasteter Einführung
Die Deutsche Rentenversicherung sieht die Pläne kritisch. Ihr fehlen derzeit essenzielle Informationen über die individuelle steuerliche Situation von Rentnern – etwa Steuerklasse, Familienstand oder Freibeträge. Ohne diese Daten sei eine verlässliche und gerechte Besteuerung nicht möglich, so ein Sprecher der Behörde.
Auch der Bundesverband der Rentenberater äußert Zweifel. Er warnt davor, einkommensschwache Rentner durch pauschale Abzüge zusätzlich zu belasten. Der geplante Automatismus sei mit erheblichen rechtlichen und praktischen Unsicherheiten verbunden.
Expertenmeinung: „Rechtlich bedenklich und sozial ungerecht“
Laut Experten ist der Vorschlag problematisch. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU enthält bislang keine Grundlage für ein solches Vorhaben. Die Experten mahnen: So könnte der automatische Steuerabzug dazu führen, dass insbesondere kleine Renten ungerecht behandelt werden.
Zwar würde die Verwaltung durch das neue Modell entlastet, doch drohen neue Ungleichheiten: Wer beispielsweise viele Ausgaben absetzen könnte, aber den Pauschalabzug hinnimmt, zahlt de facto zu viel – ohne es zu merken oder rechtzeitig reagieren zu können.
Politik unter Druck: Zwischen Digitalisierung und sozialer Verantwortung
Hinter dem Reformvorschlag steht der Wunsch nach einer moderneren, digitalisierten Verwaltung. Das Bundesfinanzministerium strebt eine Steuerstruktur an, die einfacher zu handhaben und kostengünstiger ist. Auch parteiübergreifend gibt es Zustimmung, die Bürokratie im Steuerwesen abzubauen.
Doch ob dieser Plan Rentnern wirklich hilft, bleibt offen. Denn während der automatische Steuerabzug auf den ersten Blick unkompliziert wirkt, bringt er neue Anforderungen mit sich: Betroffene müssen ihre Rentenabrechnungen künftig genauer prüfen, Ausgaben konsequent dokumentieren und gegebenenfalls doch wieder eine Steuererklärung abgeben.
Was Rentner jetzt tun sollten
Rentnerinnen und Rentner, die von der geplanten Änderung betroffen sein könnten, sollten sich frühzeitig vorbereiten:
- Prüfen Sie regelmäßig Ihre Rentenbescheide.
- Dokumentieren Sie besondere Ausgaben, z. B. für Gesundheit, Pflege oder Unterhalt.
- Informieren Sie sich über Möglichkeiten zur freiwilligen Steuererklärung – sie kann sich lohnen.
- Ziehen Sie einen Rentenberater hinzu, um mögliche Lücken oder Fehler im Rentenbescheid zu erkennen.
Vereinfachung ja – aber nicht auf Kosten der Rentner
Die Idee eines automatisierten Steuerabzugs klingt zunächst sinnvoll: weniger Bürokratie, moderne Prozesse, weniger Aufwand für viele Senioren. Doch der Teufel steckt im Detail.
Ohne individuelle Prüfung kann das System Rentner mit geringem Einkommen übermäßig belasten. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass finanzielle Risiken einseitig auf die Betroffenen abgewälzt werden.
Eine faire Lösung muss Transparenz, Mitbestimmung und Flexibilität ermöglichen. Die Politik steht vor der Herausforderung, Effizienz und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Denn gerade im Alter sollte niemand fürchten müssen, durch undurchsichtige Steuermechanismen benachteiligt zu werden.