Skandal: Alkoholsüchtige sollen fürs Müllsammeln mit Bier bezahlt werden
30.09.2014
Wer denkt, es kann nicht noch schlimmer werden, der irrt. In Essen sollen Alkoholabhängige zukünftig für die Beseitigung von Müll mit Bier bezahlt werden. Das Projekt, das sich mehr nach einem schlechten Scherz als einer ernstgemeinten Maßnahme für Suchtkranke anhört, soll bereits in Amsterdam erfolgreich umgesetzt worden sein. Das Bier soll dabei ein Anreiz für das Müllsammeln sein. „Mit Speck fängt man Mäuse", so der Kommentar von Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) gegenüber der Online-Ausgabe von „Die Welt“. Das stark umstrittene Projekt startet am 1. Oktober zunächst mit sechs Alkoholabhängigen.
Alkoholabhängige sollen für Bier arbeiten
Die Teilnehmer sollen am Willy-Brandt-Platz am Fuße der Essener Einkaufsmeile vor dem Hauptbahnhof Zigarettenschachteln, Drogenspritzen, Bierflaschen und sonstigen Müll einsammeln. Dafür erhalten sie 1,25 Euro Stundenlohn sowie drei Bier pro Schicht. Zudem bekommen die Suchkranken eine warme Mahlzeit und für Raucher Tabak zum Selbstdrehen. Suchtexperten sollen permanent vor Ort sein und kontrollieren, wie viel jeder Einzelne bekommt – ähnlich einer Heroin-Ausgabe.
Der Willy-Brandt-Platz gilt als Treffpunkt der Drogenszene. Nachts werden um den Bahnhof herum harte Drogen gedealt, während tagsüber das Bild von Alkoholikern geprägt ist. An vielen Stellen liegt Müll herum begleitet von einem Uringeruch. Es herrscht ein rauer Umgangston, es kommt regelmäßig zu Pöbeleien. Einer Untersuchung der Essener Suchthilfe zufolge waren 90 Prozent der Befragten an dem Platz abhängig von illegalen Drogen und Alkohol. „Diese Menschen sind gesundheitlich und sozial stark beeinträchtigt sowie sozial isoliert und gesellschaftlich stigmatisiert. Nahezu alle Befragten trinken auf den Plätzen regelmäßig Alkohol", heißt es in einer Erklärung, die der Zeitung vorliegt. Die meisten Menschen dort seien erwerbslos und hätten keine Struktur im Leben, da ihnen eine sinnvolle Tätigkeit fehle.
Ermahnungen und Platzverweise vom Ordnungsamt haben genauso wenig eine Besserung der Situation gebracht wie Hilfsangebote, die kaum in Anspruch genommen wurden. Mit dem umstrittenen Projekt sollen nun speziell diejenigen erreicht werden, die durch jedes soziale Netz fallen. Die Idee für das Projekt stammt aus Amsterdam, wo ein ähnliches Modell seit anderthalb Jahren erfolgreich umgesetzt worden sein soll. Ein Mitarbeiter der Essener Suchthilfe hatte vor Ort hospitiert, um die gesammelten Erfahrungen nun im Essener Projekt einzubringen.
Viel Kritik am Essener Projekt
Für das Projekt hagelt seit Bekanntmachung Kritik von allen Seiten. So empfinden es viele Essener Bürger als menschenverachtend, Suchtkranke als billige Arbeitskräfte auszubeuten. „Es kann nicht sein, dass eine Stadt Schwerstabhängige ohne nennenswerte Bezahlung für sich arbeiten lässt und dann auch noch mit Suchtmitteln versorgt", erklärte der Geschäftsführer der Obdachlosenhilfe linker Niederrhein, Horst Renner, gegenüber der „taz". Ähnlich haben sich auch die Essener Einzelhändler geäußert. Und Karlheinz Endruschat, sozialpolitischer Sprecher der SPD, sagte gegenüber der Zeitung: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Projekt auch ohne Alkohol als Anreiz funktioniert." Geld könne ebenso eine Motivation sein.
Dem Blatt zufolge findet derzeit aber ein Umdenken in der Essener Bevölkerung statt. Man wolle dem Projekt eine Chance geben. Die Essener Suchthilfe hat dabei viel Überzeugungsarbeit geleistet.
„Für die Teilnehmer geht es um sinnstiftende Tagesstruktur, darum, sich nützlich zu fühlen", so die Organisation. Würden die Alkoholabhängigen dafür eine angemessene Bezahlung erhalten, würden sie sich mit Sicherheit nützlicher fühlen. (ag)
Bild: Klicker / pixelio.de
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