Sozialgerichte: Bei verzögerten Gerichtsverfahren besteht Anspruch auf Entschädigung

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Gerichtsverfahren, die durch die Krankheit eines Richters verzögert werden, können unter bestimmten Umständen eine staatliche Entschädigungspflicht auslösen. Dies entschied das Bundessozialgericht in einem Fall, bei dem ein Kläger eine Entschädigung für die durch die Erkrankung eines Richters bedingte Verfahrensverzögerung forderte.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte zuvor festgelegt, dass Verzögerungen von bis zu drei Monaten als höhere Gewalt gelten und somit entschädigungslos bleiben. Das Bundessozialgericht widersprach dieser Ansicht und sprach dem Kläger eine Entschädigung von 300 Euro zu.

Sozialgerichtsverfahren sind auch betroffen

Dieses Urteil ist für Verfahren im Sozialrecht besonders interessant, da bei sozialrechtlichen Verfahren oft existenzielle Fragen geklärt werden müssen und die Betroffenen sehr häufig unter einem hohen Zeitdruck stehen.

Gesetzliche Grundlagen und Verfassungsrechte

Die Entscheidung basiert auf dem Beschleunigungsgrundsatz und dem verfassungsmäßigen Recht auf den gesetzlichen Richter, wie es in Artikel 101 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert ist. Diese Rechte können in Konflikt geraten, wenn z.B. ein Richter krankheitsbedingt ausfällt, kein Ersatz gefunden werden kann und das Verfahren verzögert wird.

In solchen Fällen ist das Gericht verpflichtet, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Verfahrensdauer zu minimieren und die Rechte der Beteiligten zu schützen.

Europäisches Recht wird angewendet

Das Urteil des Bundessozialgerichts berücksichtigt auch europäische Vorgaben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren. Diese Vorgabe wurde in Deutschland durch § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes in nationales Recht umgesetzt, das eine Entschädigung für unangemessen lange Gerichtsverfahren vorsieht.

Wie geht man für eine Beschleunigung und Entschädigung vor?

Das Gesetz sieht ein zweistufiges Verfahren vor, um Verzögerungen entgegenzuwirken und Entschädigungen zu ermöglichen:

  1. Verzögerungsrüge: Betroffene müssen das Gericht, das ihrer Meinung nach zu langsam arbeitet, schriftlich auf die Verzögerung hinweisen. Diese Rüge gibt dem Gericht die Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen und das Verfahren zu beschleunigen.
    Eine Entschädigung kann nur gefordert werden, wenn eine solche Rüge vorliegt. Das bedeutet: Man kann einem Verfahren nicht einfach seinen Lauf lassen und später Entschädigung geltend machen.
  2. Entschädigungsklage: Sollte die Verzögerungsrüge nicht zu einer Beschleunigung führen, können Betroffene eine Entschädigungsklage einreichen. Diese richtet sich auf immaterielle und materielle Schäden, die durch die Verzögerung entstanden sind.
    Für immaterielle Schäden, wie seelische und körperliche Belastungen, wird in der Regel eine Pauschale von 1.200 EUR pro Jahr gezahlt. Materielle Schäden werden ebenfalls ausgeglichen, soweit sie direkt auf die Verfahrensverzögerung zurückzuführen sind. Ein entgangener Gewinn wird jedoch nicht erstattet.