Eine Sehstörung begründet einen Grad der Behinderung, wenn sie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben spürbar einschränkt. Je nach Ausmaß reicht der GdB bis 100. Maßgeblich ist stets der bestmögliche Korrekturzustand (mit Brille oder Kontaktlinsen).
Kann die Fehlsichtigkeit vollständig ausgeglichen werden und liegt kein anderes relevantes Sehproblem vor (z. B. stark eingeschränktes Gesichtsfeld), liegt in der Regel keine Sehbehinderung vor.
Inhaltsverzeichnis
Wie wird eine Sehbehinderung festgestellt?
Augenärztinnen und Augenärzte bestimmen die Sehschärfe (Visus) getrennt für beide Augen. Der Visus reicht von 0,0 (blind) bis 1,0 (normale Sehschärfe). Neben der Sehschärfe fließen bei Bedarf weitere Parameter ein, etwa Gesichtsfeld, Doppelbilder, Blendempfindlichkeit oder zentrale Gesichtsfeldausfälle. Entscheidend ist die binokulare Situation (Gesamtleistungsfähigkeit beider Augen).
Rechtlich relevante Schwellenwerte
- Sehbehindert: Visus am besseren Auge ≤ 0,30 und > 0,05 (mit Korrektur) oder vergleichbare Funktionsstörungen.
- Hochgradig sehbehindert: Visus am besseren Auge ≤ 0,05 oder gleichwertige schwere Einschränkung (z. B. massives Gesichtsfelddefizit).
- Blind: Visus am besseren Auge < 0,02 oder ein Gesichtsfeld unter 5°.
Wie wird der GdB ermittelt?
Der GdB wird anhand der korrigierten Sehschärfe beider Augen und ggf. zusätzlicher Funktionsstörungen festgelegt und in Zehnerschritten (10–100) angegeben. Beispiel: Liegt die Sehkraft auf einem Auge bei etwa 0,40 und auf dem anderen bei 0,02, ergibt das typischerweise einen GdB um 50 (Schwerbehinderung). Werte sind Richtgrößen; die konkrete Einstufung erfolgt immer im Einzelfall.
Nachteilsausgleiche bei Sehbehinderung und Blindheit
Sehbehinderte und blinde Menschen haben Anspruch auf Nachteilsausgleiche, die sich am Schweregrad und teilweise am Einkommen/Vermögen orientieren.
Mobilität & ÖPNV: Mit bestimmten Merkzeichen ist eine unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr möglich (Wertmarke). Für Menschen mit Bl oder H ist die Wertmarke in der Regel kostenfrei, andere zahlen eine Gebühr.
Parken: Bei Blindheit ist der blaue EU-Parkausweis möglich (Parkplätze für Schwerbehinderte).
Leistungen bei Blindheit: In den Ländern existiert Blindengeld bzw. teils Sehbehindertengeld; Höhe und Voraussetzungen sind landesrechtlich geregelt.
Steuerliche Erleichterungen: Je nach GdB und Merkzeichen kommen Behinderten-Pauschbetrag, ggf. Pflege-Pauschbetrag (bei H) sowie Kfz-Steuervergünstigungen in Betracht.
Merkzeichen bei Sehbehinderung: Bl, H, G, B, RF
Merkzeichen werden zusätzlich zum GdB vergeben und eröffnen weitere Ansprüche. Für den Sehbereich sind insbesondere relevant:
Merkzeichen Bl (blind)
Bei Blindheit (s. Schwellenwerte). Es eröffnet u. a. den Zugang zum blauen EU-Parkausweis, zu steuerlichen Vergünstigungen und zur unentgeltlichen ÖPNV-Beförderung (Wertmarke in der Regel kostenfrei).
Merkzeichen H (hilflos)
Hilflosigkeit liegt vor, wenn für Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft in erheblichem Umfang Hilfe benötigt wird. Blinde Erwachsene erfüllen diese Voraussetzungen in der Regel. Bei Kindern und Jugendlichen mit hochgradiger Sehbehinderung ist H häufig gegeben, weil der altersbedingt notwendige Unterstützungsbedarf höher ist.
Merkzeichen G (erheblich beeinträchtigte Bewegungsfähigkeit)
Voraussetzung ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Bei hochgradiger Sehbehinderung oder Blindheit ist G regelmäßig erfüllt. In Ratgebertabellen findet sich oft ein Schwellenwert von Einzel-GdB ≈ 70 allein wegen der Sehbehinderung; rechtlich maßgeblich ist aber die tatsächliche Funktionsbeeinträchtigung.
Merkzeichen B (Begleitperson)
B wird zusätzlich vergeben, wenn Betroffene bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Es knüpft typischerweise an G/Gl/H an.
Ein „fester“ GdB-Wert ist nicht allein entscheidend; häufig ist B bei einer starken Seheinschränkung (z. B. Einzel-GdB um 70 allein wegen der Sehminderung) gerechtfertigt, maßgeblich bleibt jedoch die konkrete Hilfebedürftigkeit.
Merkzeichen RF (Rundfunk)
Bei Blindheit oder dauerhaft wesentlich Sehbehinderten mit GdB ≥ 60 allein wegen der Sehbehinderung ist eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags auf ein Drittel möglich. Eine vollständige Befreiung kommt nur in besonderen Konstellationen in Betracht (z. B. Taubblindheit oder bestimmte Sozialleistungen).
Antrag, Bescheid und Widerspruch
Die Feststellung von GdB und Merkzeichen erfolgt auf Antrag beim zuständigen Versorgungsamt/Landesamt. Ärztliche Befunde und augenärztliche Gutachten beschleunigen das Verfahren. Gegen eine ablehnende Entscheidung ist Widerspruch möglich; bei Bedarf folgt die Klage vor dem Sozialgericht.
Kurzfazit
Für die Bewertung einer Sehbehinderung zählen bestmögliche Korrektur, Gesamtsicht beider Augen und Funktionseinschränkungen wie das Gesichtsfeld. Die Schwellenwerte (sehbehindert, hochgradig sehbehindert, blind) sind klar definiert, der GdB wird individuell festgelegt. Merkzeichen eröffnen wichtige Nachteilsausgleiche – ob G, B, H, Bl oder RF: Entscheidend ist stets der tatsächliche Unterstützungsbedarf im Alltag und im Straßenverkehr.




