Schwerbehinderung: Medizinische Diagnose bei Gesamt-GdB nicht entscheidend

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Der Grad der Behinderung (GdB) gibt an, inwieweit gesundheitliche Beeintrรคchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinflussen. Entscheidend ist nicht die medizinische Diagnose, sondern die praktischen Einschrรคnkungen im Alltag im Vergleich zu einem gesunden Menschen.

Die Bewertung erfolgt in Zehnerschritten gemรครŸ den Versorgungsmedizinischen Grundsรคtzen, festgehalten in der Versorgungs-Medizin-Verordnung. Eine Feststellung erfolgt nur, wenn ein GdB von mindestens 20 vorliegt.

Bewertung bei mehreren Beeintrรคchtigungen

Bei Vorliegen mehrerer Gesundheitsstรถrungen wird der GdB nach den Gesamtauswirkungen aller Beeintrรคchtigungen unter Berรผcksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Die Einzel-GdB-Werte dienen als MessgrรถรŸen, haben aber keine eigenstรคndige Bedeutung.

Berechnung des Gesamt-GdB

Der Gesamt-GdB beginnt mit der Funktionsstรถrung, die den hรถchsten Einzel-GdB-Wert hat (fรผhrende Behinderung). Danach wird geprรผft, ob weitere Beeintrรคchtigungen das AusmaรŸ der Behinderung erhรถhen. Dabei sind Addition oder andere rechnerische Modelle unzulรคssig, wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat.

GdB-Werte von 10 bleiben unberรผcksichtigt

Leichte Beeintrรคchtigungen mit einem GdB von 10 fรผhren grundsรคtzlich nicht zu einer Verstรคrkung der Gesamtbeeintrรคchtigung, auch wenn mehrere solcher Stรถrungen vorliegen. Nur wenn eine leichte Funktionsbeeintrรคchtigung eine andere erheblich verstรคrkt, kann eine Ausnahme gemacht werden.

Schwierige Bewertung bei mehreren Funktionsstรถrungen

Bei zusรคtzlichen Gesundheitsstรถrungen mit einem GdB von mindestens 20 wird der Gesamt-GdB nicht automatisch um 10 Punkte erhรถht. Jede zusรคtzliche Gesundheitsstรถrung muss einzeln betrachtet werden, wobei die Gesamtauswirkungen und wechselseitigen Beziehungen entscheidend sind. Zum Beispiel kann eine ausgeprรคgte Hรผftarthrose das Gehen stark einschrรคnken, wรคhrend eine leichte Lendenwirbelstรถrung diese Einschrรคnkung nicht wesentlich beeinflusst.

Verstรคrkende Wechselwirkungen

Die Prรผfung auf verstรคrkende Wechselwirkungen zwischen den Beeintrรคchtigungen ist entscheidend. Beispielsweise verschรคrft eine Kniegelenkstรถrung die Auswirkungen einer Rรผckenfunktionsstรถrung, wenn die Kompensation รผber die Knie nicht mรถglich ist. Eine Sehminderung kann ebenfalls die Auswirkungen einer Hรถrbehinderung verstรคrken. Eine verstรคrkende Wechselwirkung wurde jedoch bei einer leichten Rumpfbehinderung neben einer Ohrenbehinderung verneint.

Gutachterliche Stellungnahme und รœberprรผfung

Die Bewertung der einzelnen Funktionsstรถrungen und die Festlegung des Gesamt-GdB erfolgen durch die zustรคndige Behรถrde und werden in einer gutachtlichen Stellungnahme dokumentiert. Diese sollte von Fachkundigen, wie dem DGB Rechtsschutz, รผberprรผft werden, um sicherzustellen, dass alle Beeintrรคchtigungen korrekt und gerecht bewertet wurden.

Detaillierte Betrachtung der Gesamtauswirkungen

Eine Gesamtbetrachtung aller Einzelbehinderungen anhand ihrer Beziehung zueinander ist notwendig. So kรถnnen sich Gesundheitsstรถrungen รผberschneiden und den gleichen Lebensbereich betreffen. Beispielsweise wird eine leichtere Funktionsstรถrung der Lendenwirbelsรคule bei bereits bestehender, stark ausgeprรคgter Hรผftarthrose das AusmaรŸ der Behinderung nicht signifikant verรคndern. Ebenso verhรคlt es sich mit Herz- und Lungenerkrankungen, die beide die Leistungsfรคhigkeit beeinflussen kรถnnen. Wenn eine der Erkrankungen bereits stark ausgeprรคgt ist, wirkt sich die andere nicht mehr besonders aus.

Differenzierte Betrachtung nach Lebensbereichen

Tritt eine Erkrankung hinzu, die einen anderen Lebensbereich betrifft, liegt keine รœberschneidung vor. Ein Beispiel wรคre eine Hรถrminderung, die den Bereich Kommunikation betrifft und zusรคtzlich zu Bewegungsstรถrungen hinzukommt.

Verstรคrkende Wechselwirkung bei Funktionsbeeintrรคchtigungen

Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ist zu prรผfen, ob sich einzelne Behinderungen gegenseitig verstรคrken. Beispielsweise beeinflusst eine Kniegelenkstรถrung die Auswirkungen einer Rรผckenfunktionsstรถrung negativ, wenn die notwendige Kompensation รผber die Knie nicht mรถglich ist. Eine Sehminderung verstรคrkt auch die Einschrรคnkungen einer Hรถrbehinderung. Eine verstรคrkende Wechselwirkung wurde jedoch bei einer Behinderung im Funktionssystem Ohren und einer leichtgradigen Behinderung im Funktionssystem Rumpf verneint.