Schwerbehinderung: Medizinische Diagnose bei Gesamt-GdB nicht entscheidend

Lesedauer 2 Minuten

Der Grad der Behinderung (GdB) gibt an, inwieweit gesundheitliche Beeinträchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinflussen. Entscheidend ist nicht die medizinische Diagnose, sondern die praktischen Einschränkungen im Alltag im Vergleich zu einem gesunden Menschen.

Die Bewertung erfolgt in Zehnerschritten gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, festgehalten in der Versorgungs-Medizin-Verordnung. Eine Feststellung erfolgt nur, wenn ein GdB von mindestens 20 vorliegt.

Bewertung bei mehreren Beeinträchtigungen

Bei Vorliegen mehrerer Gesundheitsstörungen wird der GdB nach den Gesamtauswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Die Einzel-GdB-Werte dienen als Messgrößen, haben aber keine eigenständige Bedeutung.

Berechnung des Gesamt-GdB

Der Gesamt-GdB beginnt mit der Funktionsstörung, die den höchsten Einzel-GdB-Wert hat (führende Behinderung). Danach wird geprüft, ob weitere Beeinträchtigungen das Ausmaß der Behinderung erhöhen. Dabei sind Addition oder andere rechnerische Modelle unzulässig, wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat.

GdB-Werte von 10 bleiben unberücksichtigt

Leichte Beeinträchtigungen mit einem GdB von 10 führen grundsätzlich nicht zu einer Verstärkung der Gesamtbeeinträchtigung, auch wenn mehrere solcher Störungen vorliegen. Nur wenn eine leichte Funktionsbeeinträchtigung eine andere erheblich verstärkt, kann eine Ausnahme gemacht werden.

Schwierige Bewertung bei mehreren Funktionsstörungen

Bei zusätzlichen Gesundheitsstörungen mit einem GdB von mindestens 20 wird der Gesamt-GdB nicht automatisch um 10 Punkte erhöht. Jede zusätzliche Gesundheitsstörung muss einzeln betrachtet werden, wobei die Gesamtauswirkungen und wechselseitigen Beziehungen entscheidend sind. Zum Beispiel kann eine ausgeprägte Hüftarthrose das Gehen stark einschränken, während eine leichte Lendenwirbelstörung diese Einschränkung nicht wesentlich beeinflusst.

Verstärkende Wechselwirkungen

Die Prüfung auf verstärkende Wechselwirkungen zwischen den Beeinträchtigungen ist entscheidend. Beispielsweise verschärft eine Kniegelenkstörung die Auswirkungen einer Rückenfunktionsstörung, wenn die Kompensation über die Knie nicht möglich ist. Eine Sehminderung kann ebenfalls die Auswirkungen einer Hörbehinderung verstärken. Eine verstärkende Wechselwirkung wurde jedoch bei einer leichten Rumpfbehinderung neben einer Ohrenbehinderung verneint.

Gutachterliche Stellungnahme und Überprüfung

Die Bewertung der einzelnen Funktionsstörungen und die Festlegung des Gesamt-GdB erfolgen durch die zuständige Behörde und werden in einer gutachtlichen Stellungnahme dokumentiert. Diese sollte von Fachkundigen, wie dem DGB Rechtsschutz, überprüft werden, um sicherzustellen, dass alle Beeinträchtigungen korrekt und gerecht bewertet wurden.

Detaillierte Betrachtung der Gesamtauswirkungen

Eine Gesamtbetrachtung aller Einzelbehinderungen anhand ihrer Beziehung zueinander ist notwendig. So können sich Gesundheitsstörungen überschneiden und den gleichen Lebensbereich betreffen. Beispielsweise wird eine leichtere Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei bereits bestehender, stark ausgeprägter Hüftarthrose das Ausmaß der Behinderung nicht signifikant verändern. Ebenso verhält es sich mit Herz- und Lungenerkrankungen, die beide die Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Wenn eine der Erkrankungen bereits stark ausgeprägt ist, wirkt sich die andere nicht mehr besonders aus.

Differenzierte Betrachtung nach Lebensbereichen

Tritt eine Erkrankung hinzu, die einen anderen Lebensbereich betrifft, liegt keine Überschneidung vor. Ein Beispiel wäre eine Hörminderung, die den Bereich Kommunikation betrifft und zusätzlich zu Bewegungsstörungen hinzukommt.

Verstärkende Wechselwirkung bei Funktionsbeeinträchtigungen

Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ist zu prüfen, ob sich einzelne Behinderungen gegenseitig verstärken. Beispielsweise beeinflusst eine Kniegelenkstörung die Auswirkungen einer Rückenfunktionsstörung negativ, wenn die notwendige Kompensation über die Knie nicht möglich ist. Eine Sehminderung verstärkt auch die Einschränkungen einer Hörbehinderung. Eine verstärkende Wechselwirkung wurde jedoch bei einer Behinderung im Funktionssystem Ohren und einer leichtgradigen Behinderung im Funktionssystem Rumpf verneint.