Rentner muss ins Pflegeheim und das Sozialamt verlangt den Hausverkauf

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Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt berichtet von einem aktuellen Fall, in dem ein Rentner das Haus verkaufen muss, weil er ansonsten nicht in ein Pflegeheim umziehen kann.

Denn das Sozialamt sucht in den Unterlagen nach Vermögen und Immobilien. Tatsächlich kann die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass eine Immobilie verkauft oder beliehen wird, bevor Sozialhilfe fließt, damit das Pflegeheim vollständig bezahlt werden kann.

“Wer die Regeln der Sozialhilfe, die Grenzen des geschützten Vermögens und die Folgen von Schenkungen oder Nießbrauch nicht kennt, riskiert, das Eigenheim im Pflegefall zu verlieren – oft, weil zu spät gehandelt wurde”, so Anhalt. Aber es gibt Lösungswege, wie Anhalt sagt.

Nachrangprinzip der Sozialhilfe: Warum das Sozialamt zuerst auf das Vermögen schaut

Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sind nachrangig. Das bedeutet: Bevor das Sozialamt einspringt, müssen Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Person weitgehend eingesetzt werden. Dazu gehören Renten, Pflegeversicherungsleistungen, sonstiges Vermögen und grundsätzlich auch Immobilien, soweit sie als verwertbar gelten.

Gleichzeitig kennt das Gesetz das sogenannte Schonvermögen. Dazu gehört ein bestimmter Geldbetrag, der unangetastet bleiben darf, sowie in vielen Fällen auch die selbstgenutzte Immobilie, solange bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Freibetrag beim Geldvermögen liegt derzeit bei einem vierstelligen Betrag pro Person; bei Ehepaaren erhöht sich dieser Betrag entsprechend, weitere kleinere Freibeträge können hinzukommen.

Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht, ob das Sozialamt „einfach so“ das Haus verkauft, sondern ob die Immobilie als einzusetzendes Vermögen gewertet wird oder als geschütztes Schonvermögen gilt. Diese Abgrenzung ist rechtlich komplex und hängt stark vom Einzelfall ab.

Wann der Hausverkauf überhaupt verlangt werden darf

Das verbreitete Bild vom Sozialamt, das gewissermaßen den Schlüssel zum Eigenheim einfordert, ist verkürzt, aber nicht völlig unrealistisch. Ein Verkauf oder eine wirtschaftliche Verwertung der Immobilie kommt jedoch nur in bestimmten Konstellationen in Betracht.

Ein typischer Fall ist der pflegebedürftige Rentner, der dauerhaft in ein Pflegeheim umzieht und seine Immobilie nicht mehr selbst bewohnt.

Wohnt im Haus auch kein Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner mehr, der weiter dort lebt, entfällt häufig der Schutz als selbstgenutztes Eigenheim. Dann kann die Immobilie grundsätzlich als Vermögen betrachtet werden, das zur Finanzierung der Pflegekosten einzusetzen ist.

Eine weitere Hürde ist die Frage der Angemessenheit. Selbstgenutzte Hausgrundstücke „angemessener Größe“ sind nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschont, das heißt sie müssen nicht verwertet werden.

Was als angemessen gilt, hängt von Faktoren wie der Zahl der Bewohner, der Wohnfläche, dem Grundstückswert und den örtlichen Verhältnissen ab. Überdimensionierte oder extrem teure Immobilien können deshalb als nicht angemessen eingestuft werden, insbesondere wenn nur noch eine Person dort lebt und sie das Haus nicht mehr selbst nutzt.

Schließlich spielt die Frage eine Rolle, ob es andere Wege gibt, die Pflege zu finanzieren. Stehen ausreichende liquide Mittel, Versicherungsleistungen oder eine zumutbare Beleihungsmöglichkeit zur Verfügung, kann die Behörde zunächst auf diese Optionen verweisen. Erst wenn sich zeigt, dass alle Alternativen ausgeschöpft oder unzumutbar sind, wird ein Verkauf oder eine Verwertung der Immobilie gefordert.

So arbeitet das Sozialamt in der Praxis

Das Sozialamt verkauft ein Haus nicht eigenmächtig. Es tritt nicht als Eigentümer auf und beauftragt keinen Makler, um „im eigenen Namen“ die Immobilie auf den Markt zu bringen. Die Behörde kann aber verlangen, dass der Betroffene selbst tätig wird und die Immobilie wirtschaftlich verwertet, also etwa verkauft oder belastet.

Der Ablauf folgt meist einem ähnlichen Muster. Zunächst prüft das Amt die wirtschaftlichen Verhältnisse sehr genau. Es werden Rentenbescheide, Pflegekassenbescheide, Kontoauszüge, Versicherungsverträge und Unterlagen zur Immobilie angefordert. Auf dieser Grundlage ermittelt die Behörde, ob Einkommen und Vermögen ausreichen oder ob eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII vorliegt.

Stellt das Sozialamt fest, dass die Immobilie verwertbar ist, aber nicht sofort verkauft werden soll oder kann, sieht das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit eines Darlehens vor.

Nach § 91 SGB XII kann die Behörde die Hilfe zur Pflege als Darlehen gewähren und sich zur Sicherung eine Grundschuld oder Hypothek im Grundbuch eintragen lassen. Die Kosten werden also zunächst übernommen, gleichzeitig entsteht eine Rückzahlungsverpflichtung, die über das Haus abgesichert ist.

Erweist sich ein Darlehen als nicht praktikabel oder ist eine Verwertung wirtschaftlich sinnvoller, kann das Sozialamt den Betroffenen auffordern, die Immobilie zu beleihen oder zu verkaufen.

Dann müssen die Eigentümer selbst mit Banken oder Maklern verhandeln. Kommt der Betroffene solchen Aufforderungen nicht nach, drohen im Extremfall leistungsrechtliche Konsequenzen; der genaue Rahmen hängt wiederum stark vom Einzelfall ab.

Wann das Eigenheim geschützt bleibt

So bedrohlich der Blick des Sozialamts auf die Immobilie wirken kann: In zahlreichen Konstellationen ist das Eigenheim geschützt.

Besonders bedeutsam ist der Schutz, wenn ein Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner die Immobilie weiterhin bewohnt. Solange der Partner im Haus lebt, darf das Sozialamt nach der gängigen Verwaltungspraxis den Verkauf eines angemessenen selbstgenutzten Eigenheims nicht verlangen. Dieses Haus wird dann dem geschützten Vermögen zugerechnet.

Entsprechendes gilt in der Regel, wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben. Hier verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den familiären Lebensmittelpunkt nicht durch eine Verwertung der Immobilie zu gefährden.

Auch bei volljährigen Kindern mit Behinderung, die dauerhaft auf Betreuung angewiesen sind und im Haus leben, kann ein besonderer Schutz greifen.
Hinzu kommt der Schutz sogenannter Härtefälle.

Grundstücke oder Häuser, mit denen eine nachweisbar besondere persönliche Bindung verbunden ist – etwa langjährig im Familienbesitz befindliche Erbstücke – können im Einzelfall von der Verwertung ausgenommen werden, wenn deren Verkauf eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

All diese Schutzmechanismen gelten jedoch nur im Rahmen der Angemessenheit. Sehr große oder luxuriöse Immobilien können trotz bewohnendem Ehepartner anders beurteilt werden als ein durchschnittliches Einfamilienhaus. Hier lohnt sich häufig die Beratung durch fachkundige Stellen, etwa unabhängige Pflegeberatungen, Verbraucherzentralen oder spezialisierte Rechtsanwälte.

Schenkungen an Kinder und die Zehn-Jahres-Frist

Viele Familien versuchen, das Eigenheim durch Schenkung auf die Kinder „aus dem Zugriff des Sozialamts zu retten“. Die Idee: Die Eltern übertragen das Haus frühzeitig, behalten sich vielleicht ein Wohnrecht oder Nießbrauch vor und hoffen, dass die Immobilie im Pflegefall nicht mehr zum Vermögen des Pflegebedürftigen zählt.

Diese Strategie ist rechtlich riskant. Nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann eine Schenkung zurückgefordert werden, wenn der Schenker verarmt, etwa weil Pflegeheimkosten seine finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Der Sozialhilfeträger kann diesen Anspruch auf sich überleiten und die Beschenkten zur Rückgabe oder zum Wertersatz heranziehen.

Entscheidend ist eine Frist von zehn Jahren: Liegt die Schenkung länger als zehn Jahre zurück, ist eine Rückforderung in der Regel ausgeschlossen. Erfolgt die Schenkung jedoch innerhalb dieser Zehnjahresfrist, kann das Sozialamt die Übertragung wirtschaftlich wieder aufrollen.

Das bedeutet nicht immer, dass das Haus tatsächlich zurückübertragen wird, aber die Beschenkten können mit erheblichen finanziellen Forderungen konfrontiert werden.

Besonders heikel sind Gestaltungen mit Nießbrauch oder Wohnrecht. Lange Zeit wurde argumentiert, dass die Zehnjahresfrist erst ab dem Wegfall des Nießbrauchs zu laufen beginne, weil der Schenker durch das Nutzungsrecht wirtschaftlich noch nicht wirklich losgelassen habe.

In der Fachliteratur und in gerichtlichen Entscheidungen wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Frist bereits mit der Übertragung des Eigentums beginnen kann, auch wenn Nießbrauch oder Wohnrecht im Grundbuch eingetragen bleiben.

Die genaue rechtliche Bewertung hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab. Schon kleine Formulierungsunterschiede im Notarvertrag können zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen.

“Wer über eine vorweggenommene Erbfolge mit Hausübertragung nachdenkt, sollte deshalb unbedingt vorab notariellen und gegebenenfalls sozialrechtlichen Rat einholen – und zwar, bevor gesundheitliche Probleme absehbar werden”, sagt der Experte.

Unterhaltspflicht der Kinder und die 100.000-Euro-Grenze

Neben der Frage des Vermögenseinsatzes stellt sich immer auch die Frage, ob Kinder ihren Eltern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sind, wenn diese im Pflegeheim leben und Leistungen vom Sozialamt erhalten.

Seit dem 1. Januar 2020 gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Es bestimmt, dass Kinder für pflegebedürftige Eltern, die Leistungen der Hilfe zur Pflege oder Grundsicherung erhalten, grundsätzlich erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro herangezogen werden dürfen. Diese Grenze gilt für jedes Kind einzeln. Maßgeblich ist das Einkommen des Kindes, nicht das des Ehepartners.

Für viele Familien bedeutet dies eine spürbare Entlastung, weil die große Mehrheit der Kinder unterhalb dieser Einkommensgrenze liegt. Wer weniger verdient, muss in der Regel keinen Elternunterhalt an das Sozialamt leisten. Trotzdem bleibt es wichtig, auf behördliche Schreiben zu reagieren und Einkommensnachweise sorgfältig zu prüfen, da die 100.000-Euro-Grenze im Einzelfall ausgelegt und berechnet werden muss.

Wichtig ist außerdem: Das Sozialamt kann das Eigenheim des Kindes nicht einfach verwerten. Es kann zwar versuchen, Unterhaltsansprüche geltend zu machen, aber ein unmittelbarer Zugriff auf das Haus des Kindes – etwa in Form einer erzwungenen Veräußerung – ist rechtlich nicht vorgesehen. Das Haus der Kinder bleibt daher in diesem Sinne geschützt, auch wenn diese im Einzelfall mit Geldforderungen konfrontiert werden können.

Alternativen zum vollständigen Hausverkauf

Bevor ein kompletter Verkauf der Immobilie im Raum steht, gibt es verschiedene Gestaltungsoptionen, die im Video ebenfalls angesprochen werden und sich in der Praxis wiederfinden.

Eine Möglichkeit ist ein Darlehen des Sozialamts, gesichert durch eine Grundschuld auf dem Haus. Die Pflegekosten werden übernommen, die Forderung wächst im Hintergrund an und wird später, etwa aus dem Nachlass oder bei einem freiwilligen Verkauf, zurückgeführt. Das schiebt die Verwertung zeitlich nach hinten und verhindert, dass das Haus sofort aufgegeben werden muss.

Daneben kommen bankübliche Finanzierungsformen in Betracht. Eigentümer können einen Kredit aufnehmen und die Immobilie als Sicherheit einsetzen. In den vergangenen Jahren haben sich spezielle Produkte etabliert, etwa Teilverkaufsmodelle oder sogenannte Immobilienrenten, bei denen das Haus ganz oder teilweise an einen Anbieter übertragen wird und der ehemalige Eigentümer eine monatliche Zahlung oder Leibrente erhält, häufig kombiniert mit einem lebenslangen Wohnrecht.

“Eine weitere Option ist die Vermietung des Hauses, wenn der pflegebedürftige Eigentümer ohnehin dauerhaft im Heim lebt. Die Mieterlöse können zur Mitfinanzierung der Pflegekosten eingesetzt werden. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt von der Lage der Immobilie, dem Zustand des Objekts und der Höhe der Heimkosten ab”, sagt Anhalt.

In vielen Fällen ist eine Kombination mehrerer Bausteine denkbar: “ein Teilverkauf, ergänzt um ein Sozialamtsdarlehen, oder die Vermietung, flankiert von einer moderaten Beleihung. Solche Modelle sind komplex und sollten genau durchgerechnet werden, idealerweise mit unabhängiger Beratung, um versteckte Kosten oder einseitige Vertragsklauseln zu vermeiden.”

Frühzeitige Planung und fachlicher Rat

Der vielleicht wichtigste Hinweis aus dem Video von Peter Knöppel lautet: Viele Probleme entstehen, weil Familien zu spät handeln. Häufig werden Häuser innerhalb der Familie „auf den letzten Drücker“ übertragen, ohne die Folgen für Sozialhilfe, Erbrecht und Steuern zu durchdenken.

Oder es wird gar nicht geplant, in der Hoffnung, dass der Pflegefall schon nicht eintreten wird.

Sinnvoll ist es, sich frühzeitig mit Fragen wie der späteren Wohnsituation, möglichen Umbauten für barrierefreies Wohnen, der finanziellen Tragfähigkeit der Immobilie und ergänzenden Absicherungen auseinanderzusetzen. Private Pflegezusatzversicherungen können ein Baustein sein, um das Risiko hoher Eigenanteile im Pflegeheim zu mindern und dadurch den Druck auf das Immobilienvermögen zu verringern.

Wer eine Schenkung oder Übergabe plant, sollte rechtzeitig einen Notar und gegebenenfalls eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Sozialrecht hinzuziehen. In Übergabeverträgen lassen sich Rückforderungsrechte, Nießbrauch, Wohnrechte und Pflegeverpflichtungen rechtlich sauber regeln. Gleichzeitig können Gestaltungen vermieden werden, die später ungewollt den Zugriff des Sozialamts eröffnen oder innerfamiliäre Konflikte schüren.

Fazit: Hausverkauf ist die Ausnahme – Planung schützt vor bösen Überraschungen

Der Verkauf des Eigenheims im Pflegefall ist kein Automatismus, aber er ist auch keine bloße Schreckensvision. Das Sozialamt ist gesetzlich verpflichtet zu prüfen, ob Vermögen eingesetzt werden kann, bevor öffentliche Mittel fließen. In bestimmten Konstellationen – insbesondere bei nicht mehr selbst genutzten, sehr wertvollen oder für die Lebenssituation überdimensionierten Immobilien – kann daraus die Pflicht zur Verwertung entstehen.

Gleichzeitig gibt es umfangreiche Schutzmechanismen: das Schonvermögen, den Schutz des selbstgenutzten angemessenen Eigenheims, Privilegierungen für im Haus lebende Partner und Kinder, Härteregelungen sowie die 100.000-Euro-Grenze beim Elternunterhalt. Hinzu kommen alternative Finanzierungswege wie Sozialamtsdarlehen, Beleihungen, Teilverkauf, Immobilienrenten oder Vermietung.

Wer sich frühzeitig informiert, sorgfältig dokumentiert und fachkundigen Rat einholt, kann die Risiken für das eigene Haus deutlich reduzieren. Das Video von Peter Knöppel macht dabei vor allem eines deutlich: Untätigkeit aus Scheu vor komplizierten Regelungen ist meist die schlechteste aller Optionen.

Quellen

Dieser Beitrag stützt sich auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), insbesondere die Vorschriften zum Vermögenseinsatz, zur Hilfe zur Pflege und zur Möglichkeit darlehensweiser Leistungsgewährung.