Das Versorgungsamt hat dir einen Grad der Behinderung anerkannt, den du fรผr falsch hรคlst? In diesem Fall kannst Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid einlegen.
Damit dieser Erfolg hat, solltest du ihn professionell begrรผnden – dein eigenes Empfinden und deine Empรถrung reichen nicht aus. Wir zeigen dir, wie du am besten vorgehst.
Inhaltsverzeichnis
Widerspruch bei Fehlern oder Ablehnung
Du kannst Widerspruch beim Versorgungsamt einlegen, wenn du den festgesetzten Grad deiner Behinderung fรผr falsch hรคlst und ebenso, wenn dein Antrag auf Feststellung abgelehnt wurde.
Warum solltest du Widerspruch einlegen?
Es gibt diverse Grรผnde, warum du mit der Feststellung deines Grades der Behinderung nicht einverstanden bist.
Hรคufig sind folgende Punkte strittig:
- Das Versorgungsamt hat deinen Grad der Behinderung zu niedrig angesetzt, und damit entgehen dir Nachteilsausgleiche.
- In deinem Antrag angegebene Merkzeichen wurden dir nicht zugeschrieben.
- Dein Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung wurde vom Versorgungsamt abgelehnt.
Hast du ein Recht auf Widerspruch?
Ja, das Recht auf Widerspruch gegen Bescheide einer Behรถrde hat jeder Bรผrger und jede Bรผrgerin. Bei einem Widerspruch ist die Behรถrde verpflichtet, den Sachverhalt zu prรผfen.
Entscheidungen des Versorgungsamtes musst du nicht akzeptieren, denn hรคufig sind sie falsch, wie Widersprรผche und Gerichtsurteile bestรคtigen.
Halte die Fristen ein
Ganz wichtig! Nach Eingang des Bescheides der Behรถrde hast du einen Monat Zeit, Widerspruch einzulegen – und nicht einen Tag lรคnger. Verpasst du diese Frist, dann hast du kein Recht auf Widerspruch mehr, der Bescheid ist damit unangreifbar.
Sende niemals den Widerspruch nur als E-Mail, das zรคhlt rechtlich nicht. Du kannst ihn zwar per E-Mail verschicken, dann aber nur als Anhang des unterschriebenen, eingescannten und unterschriebenen Originals, das beim Versorgungsamt ausgedruckt wurde.
Bei welchen Fehlern hast du gute Chancen auf Erfolg?
Es gibt einschlรคgige Fehlerquellen, die zu falschen Einschรคtzungen fรผhren. Diese mรผssen nicht einmal beim Versorgungsamt liegen, denn dies fรคllt seine Entscheidung auf Grundlage vorliegender Gutachten und Befundberichte.
Erstens kรถnnen die medizinischen Unterlagen nicht ausreichen. Beispielsweise hat dein Arzt nicht erklรคrt, zu welchen konkreten Einschrรคnkungen im Alltag die zugrunde liegende Erkrankung fรผhrt.
Ein solcher Befundbericht muss nicht einmal falsch sein. Oft genug kennen sich behandelnde Mediziner nicht genug mit Behindertenrecht aus, um die Punkte zu erwรคhnen, auf die es ankommt. Das sind nicht die Symptome der Krankheit, sondern die durch diese verursachten Behinderungen der Teilhabe.
Zweitens sind Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Behinderungen hรคufig strittig.
Zwei einzelne Grade der Behinderung von jeweils 30 kรถnnen zu einem Gesamtgrad fรผhren, der den Status als schwerbehindert rechtfertigt. Sie mรผssen es aber nicht. Es kommt darauf an, ob sich die einzelnen Einschrรคnkungen wechselseitig verstรคrken oder nicht.
An diesem Punkt ist eine genaue Einschรคtzung eines Facharztes gefragt, der nicht nur die Diagnose stellt, sondern auch weiร, wie sich die Einschrรคnkungen tatsรคchlich in ihrem Leben auswirken.
Vergleich mit anderen Beeintrรคchtigten kann trรผgen
Nicht immer bist du jedoch im Recht, wenn du meinst, dein Grad der Behinderung wรคre falsch festgesetzt worden.
Nehmen wir an, du leidest unter Migrรคne, einer schweren Arthrose oder an einer Lungenerkrankung. Jetzt vergleichst du dich mit anderen, die einen hรถheren Grad der Behinderung anerkannt bekommen haben als du und findest das ungerecht.
Jede Behinderung ist jedoch individuell, und deshalb ist ein solcher Vergleich nicht sinnvoll, zumindest nicht, wenn du nicht ganz genau weiรt, wie die Feststellung begrรผndet wurde.
Juristische Experten in Anspruch nehmen
Fรผr die Bewertung des GdB gibt es Experten, die deine Situation optimal einschรคtzen kรถnnen. Aus diesem Grund solltest du dir rechtliche Hilfe bei denen suchen, die darauf spezialisiert sind.
Diese wissen, wie sie bei einem Widerspruch vorgehen mรผssen, fordern Akteneinsicht und begrรผnden den Widerspruch punktgenau. Sie fordern unter anderem zusรคtzliche Befunde an, kennen die Fristen und Kniffe.
Zudem solltest du einen Arzt deines Vertrauens aufsuchen, diesem deinen Fall schildern und ihn fragen, ob er Fachmediziner empfehlen kann, die sich mit Behindertenrecht auskennen und deine Situation einschรคtzen kรถnnen.
Was gehรถrt in die Begrรผndung des Widerspruchs?
Zunรคchst kannst du unmittelbar formlos Widerspruch einlegen, ohne diesen zu begrรผnden und die Begrรผndung nachliefern.
Was sollte diese Begrรผndung enthalten? Achtung! รber den Grad der Behinderung entscheidet die Schwere der Einschrรคnkung an der gesellschaftlichen Teilhabe. Dies wissen viele nicht, und “verpatzen” deshalb einen Widerspruch, weil sie den Schwerpunkt auf die Erkrankung selbst legen.
Bei ein- und derselben Erkrankung kรถnnen sich die Einschrรคnkungen sehr stark unterscheiden. Bei Epilepsie zum Beispiel reicht das Spektrum von einem Grad der Behinderung von 30 bis zu einem von 100.
Hier solltest du, und besonders dein Arzt, genau aufzeigen, welche Probleme du beim Treppensteigen hast, oder beim eigenstรคndigen รberqueren einer Straรe, beim Zugang zu รถffentlichen Veranstaltungen und warum dich die Arbeit รผbermรครig belastet. Dies alles sollte so konkret wie mรถglich formuliert sein.
Zusรคtzliche Unterlagen einreichen
Unterlagen, die du bei deinem Erstantrag nicht beigefรผgt hattest, und die wichtig sein kรถnnten, solltest du deinem Widerspruch unbedingt beifรผgen. Das gilt auch fรผr Befunde, die erst nach dem Versenden deines Antrags zustande kamen. Dein behandelnder Arzt kann auch einen Befund nachliefern, wenn sich deine Beeintrรคchtigungen verschlechtert haben.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.