Bei der Beschäftigung schwerbehinderter oder ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer sind Arbeitgeber verpflichtet, präventive Maßnahmen zu ergreifen, bevor sie eine Kündigung aussprechen. Dies gilt auch in der Probezeit, wie das Arbeitsgericht Köln im Fall eines schwerbehinderten Mitarbeiters entschied.
Arbeitgeber müssen sich an die Vorschriften des § 167 Abs. 1 SGB IX halten, der vorschreibt, dass bei auftretenden Schwierigkeiten frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren. Dies beinhaltet auch die Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebsrat und dem Integrationsamt.
Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
Ein Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von 80 wurde zum 1. Januar 2023 von einer Kommune als Bauhofmitarbeiter eingestellt. Nach einer Verletzung und anschließender Krankschreibung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 22. Juni 2023 zum 31. Juli 2023, noch in der Probezeit.
Vor der Kündigung wurden der Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte angehört, die keine Einwände erhoben. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und führte an, dass er aufgrund seiner Behinderung mehr Zeit benötige, um Routine in seinen Aufgaben zu entwickeln und die Kündigung treuwidrig sei, da ihm keine alternative, leidensgerechte Beschäftigung angeboten wurde.
Gericht befindet die Kündigung für unwirksam
Das Arbeitsgericht Köln urteilte, dass die Kündigung unwirksam sei, da der Arbeitgeber gegen § 167 Abs. 1 SGB IX verstoßen habe. Diese Vorschrift verpflichtet Arbeitgeber, Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Behebung von Problemen abzielen, um das Arbeitsverhältnis mit schwerbehinderten Mitarbeitern zu erhalten.
Das Gericht stellte fest, dass das Unterlassen eines Präventionsverfahrens auch während der Probezeit als Diskriminierung wegen der Behinderung gewertet werden kann. Das Gericht berief sich dabei auch auf die europäische Rechtsprechung, die eine besondere Schutzpflicht gegenüber behinderten Arbeitnehmern vorsieht.
Präventionspflicht auch in der Probezeit
Das Urteil hebt hervor, dass die Pflicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens nicht erst nach Ablauf der Probezeit besteht, sondern bereits während dieser Phase. Dies widerspricht früheren Urteilen, die Arbeitgebern in der Probezeit mehr Flexibilität einräumten.
Das Gericht betonte, dass die Verpflichtung zur Prävention aus unionsrechtlichen Erwägungen auch während der gesetzlichen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes gilt. Arbeitgeber müssen daher schon bei ersten Anzeichen von Problemen präventiv handeln und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt einbinden.
Das Urteil stärkt die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln stärkt die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer, indem es die Pflichten der Arbeitgeber zur Prävention und zur Vermeidung von Diskriminierung präzisiert.
Arbeitgeber sind angehalten, alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um das Arbeitsverhältnis zu sichern und dürfen schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht aufgrund ihrer Behinderung benachteiligen. Diese Entscheidung hat weitreichende Wirkung für die Praxis und zeigt, dass auch in der Probezeit ein erhöhter Schutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer besteht.
Hinweis: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 20. Dezember 2023, Az. 18 Ca 3954/23.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.