Bei Anfragen unserer Leser stellen wir manche Irrtรผmer โ und Teilwahrheiten โ รผber die Sonderregelungen fรผr Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsplatz immer wieder fest. Die neun hรคufigsten stellen wir Ihnen in einem รberblick vor und rรผcken sie gerade.
Inhaltsverzeichnis
Irrtum 1: Menschen mit Schwerbehinderung haben allgemein einen besonderen Rentenanspruch
Hier handelt es sich um eine Teilwahrheit. Es gibt tatsรคchlich die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen. Mit dieser kรถnnen Sie zwei Jahre vorzeitig ohne Abschlรคge in Altersrente gehen, und zudem drei weitere Jahre mit Abschlรคgen.
Fรผr Geburtsjahrgรคnge 1964 und jรผnger liegt die abschlagsfreie Altersgrenze bei 65 Jahren (eigene Regelaltersgrenze dieser Rentenart). Ein vorgezogener Bezug ist ab 62 mรถglich โ dann mit Abschlรคgen (max. 10,8 %).
Ein Anspruch auf diese Altersrente setzt aber nicht nur einen anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 voraus. Auรerdem mรผssen Sie mindestens 35 Jahre als Versicherter bei der Deutschen Rentenversicherung nachweisen. Die Schwerbehinderung allein fรผhrt also nicht zu einem Rentenanspruch.
Irrtum 2: Sie mรผssen Ihren Arbeitgeber รผber Ihre Schwerbehinderung informieren
Das hat wiederum nur einen wahren Kern, ist aber als Pauschalaussage falsch. Wenn die Schwerbehinderung keine Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarten Tรคtigkeiten hat, mรผssen Sie den Arbeitgeber darรผber nicht informieren. Sie mรผssen eine Behinderung lediglich offenlegen, wenn diese sich direkt auf die vereinbarte Arbeit auswirkt.
Fรผr den besonderen Kรผndigungsschutz ist entscheidend, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung Kenntnis hat. Wird erst nach einer Kรผndigung informiert, sollte dies spรคtestens binnen etwa drei Wochen nach Zugang der Kรผndigung erfolgen, um Rechte zu wahren.
Irrtum 3: Schwerbehinderte dรผrfen nicht gekรผndigt werden
Hier wird eine Sonderregelung zu einer Fehlinformation รผberhรถht, die Betroffenen eine bรถse รberraschung bereiten kann, wenn sie diese glauben. Denn tatsรคchlich gilt zwar fรผr schwerbehinderte Arbeitnehmer ein besonderer Kรผndigungsschutz.
Das zustรคndige Integrationsamt muss einer Kรผndigung durch den Arbeitgeber zustimmen. Der Arbeitgeber muss mildere Maรnahmen durchfรผhren, um eine Kรผndigung zu vermeiden. Es muss ausgeschlossen sein, dass die Kรผndigung den Menschen mit Schwerbehinderung wegen seiner Behinderung diskriminiert.
Der besondere Kรผndigungsschutz gilt regelmรครig, nicht in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhรคltnisses (Probezeit). Auรerdem greift er nicht beim bloรen Ablauf einer Befristung (kein โKรผndigenโ).
Oft genug beschรคftigen sich Arbeitsgerichte damit, ob Arbeitgeber den besonderen Kรผndigungsschutz fรผr Menschen mit Schwerbehinderung auch beachtet haben. Werden diese Regeln eingehalten, kรถnnen und werden Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung aber wirksam gekรผndigt.
Irrtum 4: Menschen mit Schwerbehinderung mรผssen nur Teilzeit arbeiten
Auch hier wird aus bestimmten Bedingungen eine allgemeine Regel gemacht, die es aber nicht gibt. Hier gilt der Paragraf 164 Absatz 5 Satz 3 des Sozialgesetzbuches IX. Demnach haben Menschen mit Schwerbehinderung dann โ und nur dann โ einen Anspruch auf Teilzeitarbeit, wenn diese wegen der Art und der Schwere ihrer Behinderung notwendig ist.
Manche unserer Leser verwechseln an diesem Punkt eine Erwerbsminderung mit einer Schwerbehinderung. Beides รผberschneidet sich nicht selten, da viele Schwerbehinderte zugleich erwerbsgemindert sind. Es handelt sich aber um verschiedene Rechtssysteme mit unterschiedlichen Kriterien.
Erwerbsminderung ist definiert als Arbeitsleistung von weniger als sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) oder weniger als drei Stunden (volle Erwerbsminderung). Ein Erwerbsgeminderter kann und darf also tatsรคchlich nur Teilzeit arbeiten. Eine Schwerbehinderung hat hingegen erst einmal nichts mit Voll- oder Teilzeitarbeit zu tun.
Zur Abgrenzung ist prรคziser von โregelmรครiger Leistungsfรคhigkeit von < 6 Std. bzw. < 3 Std. tรคglichโ zu sprechen; daraus folgen Teilzeitgrenzen โ es ist kein Verbot. Wenn jemand regelmรครig mehr als diese Stunden tรคglich arbeitet, verliert er den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Irrtum 5: Schwerbehinderte dรผrfen keine Nachtschicht รผbernehmen
Hier gilt das Gleiche wie bei der Teilzeitarbeit. Nur wenn im konkreten Einzelfall die Behinderung Nachtarbeit nicht mรถglich macht, ist eine Befreiung davon vorgesehen โ also nur, wenn erstens wegen der Art und Schwere der Behinderung die Notwendigkeit besteht, und wenn es zweitens fรผr den Arbeitgeber zumutbar ist.
Rechtsgrundlagen u. a. ยง 164 Abs. 4 SGB IX (angemessene Beschรคftigung/Umsetzung) und ยง 6 ArbZG (Nacht- und Schichtarbeit).
Irrtum 6: Schwerbehinderte dรผrfen keine Mehrarbeit leisten
Hier handelt es sich in Wirklichkeit um Freiwilligkeit. Schwerbehinderte haben allgemein das Recht, sich von Mehrarbeit in Form von รberstunden befreien zu lassen. Es ist ihnen aber nicht verboten, รberstunden zu leisten.
Die Freistellung von Mehrarbeit kann verlangt werden (ยง 207 SGB IX); freiwillige รberstunden sind mรถglich.
Irrtum 7: Mit jeder Behinderung kann ich Gleichstellung beantragen
Auch hier mussten wir bei einem Leser eine falsche Hoffnung gerade rรผcken. Nehmen wir an, Sie haben wegen eines Rรผckenleidens einen Grad der Behinderung von 20 anerkannt. Sie fรผrchten jetzt um Ihren Arbeitsplatz, weil Sie Probleme haben, schwer zu heben. Deshalb wollen Sie eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten erhalten, und damit einen besonderen Kรผndigungsschutz.
Das geht aber nicht! Denn fรผr eine mรถgliche Gleichstellung muss Ihr Grad der Behinderung mindestens 30 betragen.
Gleichstellung ist bei GdB 30 oder 40 mรถglich, wenn der Arbeitsplatz ohne Gleichstellung gefรคhrdet ist oder ohne Gleichstellung kein geeigneter Arbeitsplatz erlangt werden kann.
Irrtum 8: Schwerbehinderte haben das Recht, bevorzugt eingestellt zu werden
Nein! Die Sonderregelungen am Arbeitsplatz sind keine Bevorzugungen, sondern Nachteilsausgleiche. So haben Sie als Mensch mit Schwerbehinderung das Recht, bei einer Bewerbung zum Vorstellungsgesprรคch geladen zu werden, wenn Ihre Qualifikation grundsรคtzlich dem Stellenprofil entspricht.
Die Einladungspflicht zum Vorstellungsgesprรคch gilt fรผr Arbeitgeber des รถffentlichen Dienstes (bei grundsรคtzlicher Eignung). Private Arbeitgeber sind hierzu nicht verpflichtet.
Der Arbeitgeber ist aber nicht dazu verpflichtet, sich fรผr Sie zu entscheiden โ ausgerรคumt sein muss lediglich der Verdacht, dass Sie wegen der Behinderung die Stelle nicht bekommen.
Irrtum 9: Der Schwerbehindertenausweis berechtigt zum Parken auf Behindertenparkplรคtzen
Ein hรคufig gehรถrter Irrtum, der teuer werden kann, bezieht sich nicht unmittelbar auf die Arbeit, sondern auf den Anspruch, einen besonders gรผnstig gelegenen Behindertenparkplatz, zum Beispiel am Arbeitsplatz, zu nutzen.
Zum Parken auf mit dem Rollstuhlsymbol ausgewiesenen Behindertenparkplรคtzen berechtigt nur der blaue EU-Parkausweis. Diesen erhalten Sie bei bestimmten Merkzeichen wie einer auรergewรถhnlichen Gehbehinderung. Der Schwerbehindertenstatus allein berechtigt nicht zu Sonderregeln beim Parken.
Typische Merkzeichen sind aG oder Bl. Der orangefarbene Parkausweis bringt andere Parkerleichterungen, berechtigt aber nicht zum Parken auf den mit Rollstuhlsymbol ausgewiesenen Plรคtzen.