Schwerbehinderung: Früher in Rente oder besser weiterarbeiten?

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Wer eine anerkannte Schwerbehinderung hat, kann auch früher in Rente gehen. Aber muss man auch früher in Rente gehen oder lohnt es sich, weiter zuarbeiten?

Welche Voraussetzungen gelten für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen?

Um die Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen zu können, muss ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegen. Wer diesen Wert erreicht, erhält einen Schwerbehindertenausweis.

Darüber hinaus ist eine Versicherungszeit von 35 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung nötig. Zu diesen 35 Jahren zählen Zeiten der Erwerbstätigkeit ebenso wie gewisse Zeiten der Arbeitslosigkeit und Kindererziehung.

Wenn beide Voraussetzungen – Schwerbehindertenausweis und 35 Versicherungsjahre – erfüllt sind, kann die Rente für schwerbehinderte Menschen beantragt werden.

Wie viel früher kann ich in Rente gehen und welche finanziellen Folgen hat das?

Üblicherweise dürfen schwerbehinderte Menschen zwei Jahre vor dem regulären Rentenalter ohne Abschlag in den Ruhestand treten. Das bedeutet: Wer regulär mit 67 Jahren in Rente gehen würde, kann mit Schwerbehindertenausweis bereits mit 65 Jahren abschlagsfrei aufhören zu arbeiten.

Möchte man noch früher aus dem Berufsleben ausscheiden, lassen sich bis zu fünf Jahre vor der Regelaltersgrenze realisieren. Allerdings fällt ab dem dritten Jahr ein monatlicher Abschlag von 0,3 Prozent an, was sich über das Jahr hinweg schnell summiert. Bei einem maximalen Vorlauf von fünf Jahren entsteht in der Regel ein Abschlag von 10,8 Prozent.

Selbst wenn man zwei Jahre früher und somit ohne Abschlag in Rente geht, fehlen jedoch die zusätzlichen Rentenpunkte, die bei einer Weiterarbeit bis zum gesetzlichen Rentenalter gesammelt worden wären. Wer also früher in Rente geht, verzichtet auf weitere Beitragszahlungen und mindert letztlich die Höhe der endgültigen Rente.

Wann ist ein früher Renteneintritt sinnvoll?

Ob es sinnvoll ist, den Ruhestand vorzeitig anzutreten, lässt sich nicht pauschal beantworten. Für viele Menschen mit Schwerbehinderung steht der gesundheitliche Aspekt an erster Stelle.

Zum Ende des Berufslebens können körperliche oder psychische Einschränkungen so belastend sein, dass es kaum noch möglich ist, den Arbeitsalltag bis zum regulären Rentenalter zu bewältigen. In diesen Fällen stellt die vorzeitige Rente eine willkommene Entlastung dar.

Aus rein finanzieller Sicht lohnt es sich hingegen in vielen Fällen, länger zu arbeiten. Jede weitere Beitragszahlung steigert das monatliche Ruhegehalt. Zudem lassen sich durch ein höheres Endgehalt mögliche Rentenlücken besser schließen. Wer bis zum Regelalter arbeitet, vermeidet außerdem Abschläge und hat unter Umständen mehr vom Einkommen im Ruhestand.

Was sagt das konkrete Beispiel?

Nehmen wir an, jemand – nennen wir ihn Bruno – ist Jahrgang 1966. Regulär dürfte er mit 67 Jahren in Rente gehen. Ist Bruno schwerbehindert (GdB 50 oder mehr), kann er zwei Jahre früher, also mit 65 Jahren, ohne Abschlag in den Ruhestand. Möchte er jedoch den maximal möglichen Vorlauf von fünf Jahren in Anspruch nehmen und bereits mit 62 in Rente, entstehen ihm insgesamt 10,8 % Abschläge auf seine monatliche Bruttorente.

Welche Rolle spielt das Weiterarbeiten neben der Rente?

Seit einigen Jahren dürfen Rentnerinnen und Rentner unabhängig von ihrem Alter unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Dadurch ist es möglich, bereits vorzeitig in den Ruhestand zu gehen und dennoch weiter zu arbeiten. Wer dies tut, erwirbt sogar zusätzliche Rentenansprüche. Allerdings werden diese erst ab dem Zeitpunkt berücksichtigt, an dem das reguläre Rentenalter erreicht ist.

Für Menschen, die gerne aktiv bleiben oder auch nach dem Renteneintritt auf zusätzliches Einkommen angewiesen sind, stellt diese Regelung eine gute Option dar. So kann man beispielsweise die vorgezogene Rente beziehen und in Teilzeit weiterarbeiten, ohne sofort Einbußen befürchten zu müssen.

Allerdings bleibt zu bedenken, dass die regulären Beiträge bis zum vollen Regelalter nicht mehr in dem Umfang geleistet werden wie bei einer Vollzeittätigkeit bis zur Regelaltersgrenze.

Gibt es Alternativen ohne Schwerbehindertenausweis?

Neben der Rente für schwerbehinderte Menschen eröffnet die sogenannte Altersrente für besonders langjährig Versicherte ebenfalls eine frühere Rentenoption.

Hierfür müssen 45 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen werden. Je nach Geburtsjahr kann man dadurch vorzeitig, teilweise sogar ohne Abschläge, in den Ruhestand gehen. Ob dies möglich ist, hängt stark davon ab, wie sich die eigene Erwerbsbiografie gestaltet hat.

Kindererziehungszeiten oder die Pflege von Angehörigen werden in vielen Fällen angerechnet, langwierige Arbeitslosigkeitsphasen dagegen teilweise nicht in voller Höhe.

Worauf sollte ich bei meiner Entscheidung achten?

Die Entscheidung für oder gegen eine vorgezogene Rente bei Schwerbehinderung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Für manche Menschen ist es vor allem der Gesundheitszustand, der einen früheren Ruhestand erforderlich macht. Andere haben vielleicht die Möglichkeit, problemlos weiterzuarbeiten und bevorzugen die damit verbundenen höheren Altersbezüge. Auch der persönliche Lebensentwurf spielt eine wichtige Rolle: Manche möchten mehr Zeit mit der Familie verbringen oder früher ihren Hobbys nachgehen.

Um Unsicherheiten zu vermeiden, lohnt sich eine ausführliche Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung oder beim Sozialverband. Dort lassen sich Fragen zur Höhe der zu erwartenden Rente, zu Abschlägen und zu möglichen finanziellen Förderungen im Einzelfall klären.

So kann man eine fundierte Entscheidung treffen, die der eigenen Gesundheit, den persönlichen Bedürfnissen und den finanziellen Vorstellungen gerecht wird.

Tabelle: Früher in Rente mit einer Schwerbehinderung oder weiter arbeiten?

Nachfolgend eine kompakte Übersicht in Tabellenform, die die wichtigsten Punkte zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen zusammenfasst:

Thema Erläuterung
Voraussetzungen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 – Mindestens 35 Beitragsjahre (Versicherungsjahre) in der gesetzlichen Rentenversicherung
Regulärer Rentenbeginn Entspricht dem gesetzlichen Rentenalter (je nach Geburtsjahr meist 65–67 Jahre)
Abschlagsfreier Rentenbeginn 2 Jahre vor dem regulären Rentenalter, sofern Schwerbehinderung vorliegt
Maximal mögliche Vorverlegung Bis zu 5 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter; dabei entstehen allerdings Abschläge
Abschlag pro Monat 0,3 % für jeden Monat, der über die abschlagsfreien 2 Jahre hinausgeht
Maximaler Abschlag Bis zu 10,8 % (bei 5 Jahren Vorverlegung)
Auswirkung auf die Rente – Kürzere Beitragszeiten = weniger Rentenpunkte – Höhere Abschläge bei mehr als 2 Jahren Vorverlegung
Gesundheitliche Aspekte Häufig Hauptgrund für einen früheren Renteneintritt, wenn das Arbeiten bis zum regulären Rentenalter nicht mehr möglich ist
Weiterarbeiten trotz Rente Seit einigen Jahren unbegrenzt möglich, ohne Rentenkürzung. Zusätzliche Entgeltpunkte werden erworben, wirken aber erst ab Regelaltersgrenze rentensteigernd
Alternative: 45 Beitragsjahre Altersrente für besonders langjährig Versicherte (evtl. ebenfalls früherer Rentenbeginn, auch ohne Schwerbehindertenausweis)
Beratung Empfohlen bei der Deutschen Rentenversicherung, beim Sozialverband oder anderen Sozialberatungsstellen, um eine individuelle Entscheidung zu treffen

Diese Tabelle bietet eine schnelle Orientierung über die wesentlichen Eckpunkte. In der Praxis empfiehlt sich jedoch immer eine persönliche Beratung, da neben den finanziellen auch gesundheitliche und persönliche Faktoren berücksichtigt werden sollten.

Zusammenfassung

Der Schwerbehindertenausweis ermöglicht einen flexiblen Rentenstart, der um bis zu fünf Jahre vorgezogen werden kann. Allerdings sind dabei mögliche Abschläge sowie das Fehlen weiterer Beitragsjahre zu berücksichtigen. Ob ein vorzeitiger Ruhestand sinnvoll ist, lässt sich meist nur individuell entscheiden. Gesundheitliche Faktoren stehen dabei für viele Betroffene im Vordergrund.
Wer die Rente vorgezogen bezieht, kann nach aktuellem Recht ohne Kürzung weiterarbeiten und sich so noch zusätzliche Entgeltpunkte sichern. Wer hingegen auf den Schwerbehindertenausweis verzichtet oder ihn nicht besitzt, hat mit 45 Beitragsjahren ebenfalls Chancen auf einen vorgezogenen Ruhestand. Letztlich lohnt es sich, alle Optionen abzuwägen, um einen Weg zu finden, der sowohl den körperlichen Bedürfnissen als auch den finanziellen Erfordernissen optimal gerecht wird.