Schwerbehinderung: Diese echten Vorteile hat der Schwerbehindertenausweis

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Rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland besitzen einen Schwerbehindertenausweis; das entspricht gut neun Prozent der Bevölkerung.

Der Behindertenausweis bestätigt einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und kann den Betroffenen rechtliche Ansprüche, die nicht als „Privilegien“, sondern als Ausgleich für Einschränkungen gedacht sind.

Welche steuerlichen Entlastungen stehen Betroffenen tatsächlich zu?

Der bekannteste fiskalische Ausgleich ist der Behinderten‑Pauschbetrag.

Seit der Verdopplung 2021 beginnt er bereits bei einem GdB von 20 und mindert das zu versteuernde Einkommen zunächst um 384 Euro pro Jahr; je höher der GdB und je nach Merkzeichen steigt er stufenweise bis auf 7 400 Euro.

Die Entlastung schlägt sich allerdings nur dann im Portemonnaie nieder, wenn überhaupt Einkommensteuer anfällt – wer keine Steuern zahlt, spart nichts.

Hinzu kommt die Kraftfahrzeugsteuer. Tragen Ausweisinhaber eines der Merkzeichen H (hilflos), Bl (blind) oder aG (außergewöhnlich gehbehindert), entfällt die Kfz‑Steuer vollständig; bei den Merkzeichen G (schwer‑ gehbehindert) oder Gl (gehörlos) gilt eine Ermäßigung um fünfzig Prozent, sofern man sich nicht gleichzeitig für die kostenpflichtige ÖPNV‑Wertmarke entscheidet.
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Apropos ÖPNV: Wer das Merkzeichen G, Gl oder aG besitzt, kann ein Beiblatt mit Wertmarke erwerben – faktisch ein bundesweites Nahverkehrsticket – das derzeit 91 Euro pro Jahr kostet. Menschen mit den Merkzeichen Bl oder H erhalten es kostenlos.

Auch der Rundfunkbeitrag lässt sich reduzieren: Mit dem Merkzeichen RF zahlen Betroffene lediglich ein Drittel des regulären Beitrags, aktuell 6,12 Euro monatlich.

Behindertenausweis sichert Rechte am Arbeitsplatz und Rente

Im Berufsleben greift ein Bündel von Schutz‑ und Fördermaßnahmen. Der erste spürbare Vorteil ist der Zusatzurlaub: Wer in einer Fünf‑Tage‑Woche arbeitet, erhält laut § 208 SGB IX fünf weitere Urlaubstage pro Jahr, proportional angepasst bei anderen Arbeitszeitmodellen.
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Noch wichtiger ist der besondere Kündigungsschutz. Arbeitgeber dürfen einer schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nur kündigen, wenn das Integrations‑ bzw. Inklusionsamt vorab zustimmt.

Die Behörde prüft, ob behinderungsgerechte Anpassungen – von technischen Hilfen bis zur Umorganisation des Arbeitsplatzes – eine Kündigung verhindern können.
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Hinzu kommt die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Wer mindestens 35 Versicherungsjahre aufweist, kann bis zu fünf Jahre vor der Regelaltersgrenze in Rente gehen; die ersten zwei Jahre dieses Vorbezugs bleiben abschlagsfrei.

Die Schwerbehinderung muss beim Rentenbeginn vorliegen, eine spätere Verbesserung des Gesundheitszustands ändert den Anspruch nicht.

So erleichtert der Schwerbehindertenausweis Mobilität im Alltag – von Bus und Bahn bis zum Parkplatz

Die kostenlose beziehungsweise verbilligte ÖPNV‑Nutzung per Wertmarke ist nur eine Facette. Wer motorisiert unterwegs ist, profitiert möglicherweise von Sonderparkrechten. Hierfür genügt der Ausweis alleine nicht; maßgeblich sind wiederum die Merkzeichen.

Den blauen EU‑Parkausweis und damit das Recht, ausgewiesene Behindertenparkplätze zu nutzen, erhalten in der Regel ausschließlich Personen mit den Merkzeichen aG, Bl oder TBl.

Erweitert werden diese Optionen durch zwei weitere nationale Dokumente. Der orangefarbene Parkausweis gilt bundesweit für Menschen mit einem GdB von mindestens 80 in Verbindung mit den Merkzeichen G und B; erlaubt sind Sonderrechte wie das Parken im eingeschränkten Halteverbot oder auf Bewohnerstellflächen für bis zu drei Stunden.

Der gelbe Parkausweis

Der gelbe Parkausweis richtet sich in Mecklenburg‑Vorpommern und Rheinland‑Pfalz an Berechtigte des Merkzeichens G mit einem GdB von mindestens 70, die nach ärztlicher Bescheinigung höchstens hundert Meter ohne Pause zurücklegen können. Die Parkprivilegien entsprechen im Wesentlichen dem orangefarbenen Ausweis.

Wann ist ein Verschlimmerungs‑ oder Neufeststellungsantrag sinnvoll – und wann nicht?

Verschlechtert sich der Gesundheitszustand spürbar oder kommt eine neue Beeinträchtigung hinzu, kann ein Antrag auf Neufeststellung angebracht sein, um einen höheren GdB oder zusätzliche Merkzeichen – und damit weitere Ausgleichsleistungen – zu erhalten.

Doch Vorsicht: Bei jeder Neubewertung prüft die Behörde den gesamten Gesundheitsstatus; sinkt die Gesamtauswirkung, kann der bisherige GdB auch herabgesetzt werden. Betroffene sollten sich daher unbedingt vorher beraten lassen, etwa bei Sozialverbänden oder Landesämtern, um Chancen und Risiken abzuwägen.

Wo finden Ratsuchende verlässliche Unterstützung?

Erste Ansprechpartner sind die örtlichen Versorgungsämter für die Antragstellung sowie die Integrations‑ oder Inklusionsämter bei Fragen rund um Arbeit und Kündigungsschutz. Kostenlose oder kostengünstige Beratung bieten außerdem Sozialverbände wie der SoVD oder der VdK, Behindertenbeauftragte in Kommunen sowie spezialisierte Steuer‑ und Rentenberatungsstellen.

Sie helfen, individuelle Ansprüche zu prüfen, Anträge korrekt zu formulieren und im Fall von Ablehnungen Widerspruch einzulegen.

Fazit – Wie viel Ausgleich steckt tatsächlich im Schwerbehindertenausweis?

Der Schwerbehindertenausweis ist kein Allrounder, aber ein wirksames Mittel, um das tägliche Leben trotz Einschränkungen selbstbestimmt zu gestalten. Von spürbaren Steuer‑ und Gebührenentlastungen über zusätzlichen Urlaub und Kündigungsschutz bis hin zu Mobilitäts‑ und Parkvorteilen reicht das Spektrum der Nachteilsausgleiche.