Viele Menschen mit einer Schwerbehinderung sind auf eine barrierefreie und häufig auch größere Wohnung angewiesen, um ihren Alltag möglichst selbstbestimmt bewältigen zu können.
Da eine solche Wohnung meist teurer und schwerer zu finden ist, sieht der Gesetzgeber in bestimmten Fällen vor, dass ein sogenannter „Mehrbedarf bei Wohnraum“ anerkannt wird.
Er ermöglicht, dass betroffene Personen, die Bürgergeld oder Grundsicherung erhalten, einen höheren finanziellen Zuschuss für ihre Unterkunft bekommen – und somit ein größeres oder barrierefreies Zuhause mieten können.
Wer hat Anspruch auf den Mehrbedarf bei Wohnraum?
Ein Mehrbedarf wird vor allem Menschen bewilligt, die aufgrund ihrer Behinderung nachweislich zusätzlichen Platz oder eine barrierefreie Wohnung benötigen.
Laut den aktuellen Bestimmungen gilt dies insbesondere für Personen, die:
- auf einen Rollstuhl angewiesen sind,
- einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“ haben,
- stark sehbehindert oder blind sind (Merkzeichen „Bl“) oder
- den Pflegegrad 4 besitzen.
Wichtig ist dabei, dass auch die Voraussetzungen zum Bezug von Bürgergeld (ehemals Arbeitslosengeld II) oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfüllt werden müssen. Nur wer eine dieser staatlichen Leistungen erhält, kann den Mehrbedarf in Anspruch nehmen.
Warum brauchen Menschen mit Behinderung mehr Wohnraum?
Eine barrierefreie Wohnung bedeutet in der Regel, dass bestimmte Umbauten oder zusätzliche Freiflächen vorhanden sein müssen, damit sich Menschen mit Behinderung sicher und selbstbestimmt bewegen können.
Beispielsweise benötigen Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer ausreichend Platz, um problemlos in Türen, Fluren und Bädern zu manövrieren. Zudem sind oft Haltegriffe, Rampen oder ein ebenerdiger Zugang zum Balkon unverzichtbar.
In vielen Fällen müssen Möbel und Geräte anders angeordnet werden, wodurch wiederum mehr Raum erforderlich ist.
Auch wer stark sehbehindert oder blind ist, profitiert von einer großzügig geschnittenen Wohnung, weil Orientierungspunkte klarer gesetzt werden können und ausreichend Platz für Hilfsmittel geschaffen wird.
Wie viel zusätzlicher Wohnraum wird bewilligt?
Der Mehrbedarf bei Wohnraum kann bis zu 15 zusätzliche Quadratmeter pro Person mit Behinderung umfassen.
Das heißt, dass bei der Ermittlung der „angemessenen Wohnungsgröße“, die zum Beispiel von Jobcentern oder Sozialämtern akzeptiert wird, bis zu 15 Quadratmeter über dem normalerweise anerkannten Richtwert liegen dürfen.
Die genaue Quadratmeterzahl variiert in der Praxis allerdings je nach Wohnort und Auslegung durch die zuständige Behörde.
Deshalb lohnt es sich, frühzeitig mit dem zuständigen Amt Kontakt aufzunehmen, um zu klären, wie viel Mehrfläche tatsächlich übernommen wird und welche Nachweise erbracht werden müssen.
Wie läuft das Antragsverfahren ab?
Um den Mehrbedarf für barrierefreien oder zusätzlichen Wohnraum geltend zu machen, sollten folgende Schritte beachtet werden:
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Kontakt mit dem zuständigen Amt
Betroffene wenden sich zunächst an das für sie zuständige Jobcenter (bei Bürgergeld) oder Sozialamt (bei Grundsicherung). Dort gibt es in der Regel Antragsformulare oder weitere Informationen, welche Nachweise erforderlich sind. -
Ärztliche und fachliche Gutachten
Häufig muss ein ärztliches Attest oder ein Gutachten vorgelegt werden, das die Notwendigkeit von mehr Wohnraum bestätigt. Hier kann zum Beispiel erklärt sein, dass eine Rollstuhlnutzung ohne größere Flächen nicht möglich ist oder dass bei einer starken Sehbehinderung besondere Wohnraumanpassungen gebraucht werden. -
Koordination mit Vermieterinnen und Vermietern
Wer bereits in einer entsprechenden Wohnung lebt oder eine neue Wohnung anmieten will, sollte den Bedarf und mögliche Umbauten rechtzeitig mit der Vermieterseite klären. Manche Umbauten erfordern Zustimmung, andere können von Sozialträgern gefördert werden.
Was sollte man bei der Wohnungssuche beachten?
Auf dem Wohnungsmarkt ist barrierefreier Wohnraum oft rar. Dennoch sind folgende Aspekte hilfreich:
- Frühzeitige Suche: Da der Wohnungsmarkt in vielen Regionen angespannt ist, ist es ratsam, frühzeitig mit der Suche zu beginnen und gezielt nach Wohnungen zu schauen, die von vornherein rollstuhlgerecht oder zumindest barrierearm sind.
- Unterstützung durch Beratungsstellen: Es gibt unabhängige Beratungsstellen, die sich auf das Thema Wohnen mit Behinderung spezialisiert haben. Diese können Hinweise zu Wohnungsbaugesellschaften oder Hilfsangeboten geben.
Welche finanziellen Entlastungen sind möglich?
Wer den Mehrbedarf bei Wohnraum anerkannt bekommt, erhält in der Regel eine höhere monatliche Kostenübernahme für die Miete. Im Einzelfall können auch Umbaukosten oder Hilfsmittel bezuschusst werden.
Dies hängt maßgeblich von den zuständigen Stellen (Jobcenter oder Sozialamt) und weiteren Leistungsträgern (etwa der Pflegekasse bei Menschen mit Pflegegrad) ab.
Insbesondere Personen mit Pflegegrad 4 können häufig zusätzliche Leistungen in Anspruch nehmen, wenn ihre Pflege- und Betreuungssituation zu Hause sichergestellt werden muss.
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Ein praktisches Beispiel aus dem Alltag
Herr Müller ist Mitte 50 und sitzt aufgrund einer fortschreitenden Muskelerkrankung im Rollstuhl. Er wohnt in einer Großstadt, in der barrierefreie Wohnungen knapp sind.
Zunächst versuchte er, seine bisherige Zwei-Zimmer-Wohnung mithilfe kleinerer Umbauten anzupassen. Doch trotz einiger Änderungen wie Haltegriffen im Bad und einem treppenlosen Zugang zum Hausflur reicht der Platz nicht aus, um sich sicher mit dem Rollstuhl zu bewegen. Selbst das Badezimmer ist zu eng, sodass er oft Hilfe beim Transfer in die Dusche braucht.
Da Herr Müller bereits Bürgergeld bezieht, wendet er sich an sein zuständiges Jobcenter und erhält nach Vorlage eines ärztlichen Attests die Bestätigung, dass für ihn ein Mehrbedarf bei Wohnraum besteht.
Durch diese Bescheinigung kann er sich nun auf Wohnungen bewerben, die zwar etwas größer und dementsprechend teurer sind, jedoch die notwendigen barrierefreien Anforderungen erfüllen.
Das Jobcenter übernimmt infolgedessen einen höheren Mietzuschuss, um ihm ein selbstbestimmtes Leben in einer angemessen großen Wohnung zu ermöglichen.
Dank des Mehrbedarfs kann er jetzt eine Wohnung finden, in der die Türen breit genug sind und auch das Bad so gestaltet ist, dass er den Großteil seiner täglichen Routine eigenständig meistern kann.
Wie kann man sich weiter informieren?
Empfehlenswert ist es, sich bei Fragen rund um den Mehrbedarf, die maximale Wohnungsgröße oder auch die Antragstellung direkt an das zuständige Amt zu wenden.
Darüber hinaus bieten viele Wohlfahrtsverbände, Behindertenbeauftragte sowie Selbsthilfeorganisationen kostenlose Beratungen und Informationsmaterialien an. Auch die Verbraucherzentralen beraten regelmäßig zu Fragen der Wohnraumanpassung und den damit verbundenen Kosten.