Eine Leserin schrieb Gegen Hartz an, ob sie in ihrer Situation einen rückwirkenden Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen geltend machen könne.
Mit dieser besonderen Rentenform hätte sie einen Anspruch gehabt, zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand zu treten – und das ohne Abzüge.
Inhaltsverzeichnis
Vorzeitige Altersrente beantragt
Ihr ging es körperlich schlecht, und sie beantragte im November 2023 eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte. Diese begann am 1.2.2024. Sie muss dafür Abschläge von 0,3 Prozent der Rente pro Monat in Kauf nehmen. Bei einer vorzeitigen Altersrente für schwerbehinderte Menschen hätte sie diese Abschläge nicht zahlen müssen.
GdB von 100 wurde nachträglich festgestellt
Im Dezember 2023 wurde bei ihr Lungenkrebs diagnostiziert.
Am 2.2.2024 erhielt sie die Anerkennung ihrer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 Prozent durch das zuständige Versorgungsamt.
Hätte sie jetzt einen Antrag auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gestellt, wäre dieser ohne Zweifel anerkannt worden.
Ist es möglich, die Rente rückwirkend zu beziehen?
Zuerst einmal sieht es für die Erkrankte schlecht aus, einen Rentenanspruch für Schwerbehinderte zu erwirken, und die Rentenversicherung lehnte diesen ab.
Das Pech in diesem Fall ist, dass die Anerkennung der Schwerbehinderung erst einen Tag nach Beginn der vorzeitigen Rente (für Menschen ohne Schwerbehinderung) anfiel.
Damit ist ein Kernkriterium nicht erfüllt: Der Grad der Behinderung von 50 oder mehr muss nämlich am Termin des Beginns der Altersrente für schwerbehinderte Menschen vorliegen.
Nur durch einen Vorbehalt ist die Rente rückwirkend möglich
In diesem Fall beantragte die Erkrankte die vorzeitige Rente für langjährig Versicherte, weil sie ihre Arbeit nicht mehr leisten konnte.
Das lag eindeutig an ihrer Krebserkrankung, die aber erst Wochen nach dem Rentenantrag diagnostiziert wurde. Hier hätte es noch eine Möglichkeit gegeben, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu bekommen.
Sie hätte einen alternativen Antrag stellen müssen, mit der Information, dass ihre mögliche Schwerbehinderung geprüft würde, und sie, wenn diese anerkannt würde, eine Rente für schwerbehinderte Menschen beanspruchen könnte.
Der Vorbehalt muss im Antrag stehen
Generell gilt: Wenn das Verfahren zur Anerkennung der Schwerbehinderung noch läuft (egal, ob es der Antrag selbst ist, ein Widerspruch gegen das Versorgungsamt oder eine Klage beim Sozialgericht), dann muss in dem Antrag zur vorgezogenen Altersrente der Vorbehalt der Altersrente für schwerbehinderte Menschen stehen, falls eine solche im Verfahren anerkannt wird.
Ohne Schwerbehindertenstatus keine Rente
Auch dann hätte die Betroffene in unserem Fall allerdings keine Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhalten. Denn selbst in diesem Fall muss der Schwerbehindertenstatus zu dem Datum vorhanden sein, an dem die vorgezogene Rente für langjährig Versicherte beginnt.
Fazit
Wenn Sie in die Situation kommen sollten, dass Sie wegen gesundheitlicher Beschwerden eine vorzeitige Rente beantragen wollen, dann sollten Sie sich unbedingt ärztlich untersuchen lassen und bei ernsten Einschränkungen einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung beim Versorgungsamt stellen.
Erst danach sollten Sie den Antrag auf eine vorzeitige Rente für langjährig Versicherte stellen und diese mit dem Vorbehalt versehen, dass Sie bei Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50 Plus eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen vorziehen.
Zudem ist unser Fall ein trauriges Lehrstück dafür, dass Sie die vorzeitige Rente für langjährig Versicherte für einen Zeitpunkt wählen sollten, an dem voraussichtlich über ihren Status als schwerbehindert entschieden sein wird.
Wenn Sie wegen gesundheitlicher Beschwerden in der Zwischenzeit nicht arbeiten können, dann lassen Sie sich krankschreiben.
Die an Lungenkrebs erkrankte und schwerbehinderte Frau hat 7,2 Prozent ihrer monatlichen Rente verloren, was sich im Vorfeld hätte vermeiden lassen.
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.