Wer länger krank ist, riskiert, von seiner Krankenkasse zur Reha gedrängt zu werden. Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, kann am Ende in der Erwerbsminderungsrente münden – mit teils erheblichen finanziellen Nachteilen.
Obwohl ein direkter Zwang zum Rentenantrag nicht erlaubt ist, nutzen Krankenkassen einen legalen Umweg. Betroffene sollten sich frühzeitig informieren, um Rechte und Ansprüche zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
Krankengeldempfänger im Fokus der Krankenkassen
Menschen mit längerer Arbeitsunfähigkeit stehen unter besonderer Beobachtung der Krankenkassen. Ab einem bestimmten Punkt kann die Kasse einen Reha-Antrag verlangen – scheinbar harmlos, aber mit weitreichenden Folgen. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, riskiert den Verlust des Krankengeldes.
Reha-Antrag als trojanisches Pferd
Die gesetzliche Grundlage für dieses Vorgehen liefert § 51 SGB V. Die Kasse darf verlangen, dass ein Antrag auf medizinische Reha-Leistungen innerhalb von zehn Wochen gestellt wird. Wird diese Frist versäumt, endet der Anspruch auf Krankengeld. Der entscheidende Punkt: Ein Reha-Antrag kann automatisch als Antrag auf Erwerbsminderungsrente gewertet werden – vorausgesetzt, die Reha erscheint laut Rentenversicherung aussichtslos.
Die Folge: Betroffene befinden sich plötzlich in einem Rentenverfahren – ohne dies bewusst beantragt zu haben. Ein Rücktritt aus diesem Verfahren ist nur schwer möglich. Wer sich weigert, den Rentenantrag zu akzeptieren, riskiert erneut den Verlust der Krankengeldzahlung.
Kein direkter Rentenzwang – aber reale Konsequenzen
Rein juristisch kann die Krankenkasse niemanden zwingen, eine Erwerbsminderungs- oder Altersrente zu beantragen – zumindest so lange das reguläre Rentenalter nicht erreicht ist. Die Kassen dürfen aber durch eine Reha-Aufforderung indirekt Druck ausüben. Wird die Reha abgelehnt oder bringt keinen Erfolg, folgt automatisch der nächste Schritt: der Erwerbsminderungsrentenantrag. Ein Rückzieher ist dann kaum mehr möglich.
Lesen Sie auch:
- Rente: Fataler Rechenfehler kostet Rentnern hunderte Euro
- Rente: 2000, 3000 und 4000 Lohn: So hoch ist später die Altersrente
Achtung: Umdeutung im Rentenantrag ist rechtlich abgesichert
Die sogenannte Umdeutung eines Reha-Antrags in einen Rentenantrag ist juristisch zulässig. Das gilt immer dann, wenn nach medizinischer Einschätzung keine Besserung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten ist. In diesem Fall darf die Rentenversicherung den Antrag eigenständig umwandeln. Selbst wenn der Betroffene das nicht will.
Spielraum für Zeitgewinn nutzen
Auch wenn sich das Verfahren nicht komplett vermeiden lässt, gibt es Möglichkeiten, Zeit zu gewinnen. Innerhalb der gesetzlichen Zehn-Wochen-Frist muss der Antrag zwar gestellt werden – aber nicht sofort. Wer bewusst bis zum Ende der Frist wartet, kann wertvolle Wochen Krankengeld zusätzlich sichern.
Zudem darf der Antrag bei jeder Behörde abgegeben werden, die Sozialleistungen bearbeitet – etwa bei der Agentur für Arbeit oder der Stadtverwaltung. Der interne Versand zur Rentenversicherung verzögert die Bearbeitung weiter.
Widerspruch gegen Reha-Aufforderung ist möglich – und oft sinnvoll
Gegen die Aufforderung zur Reha kann Widerspruch eingelegt werden. Wichtig: Solange das Verfahren läuft, darf die Krankenkasse das Krankengeld nicht stoppen. Sollte der Widerspruch jedoch abgelehnt werden, droht die Rückforderung der inzwischen gezahlten Leistungen. Deshalb ist es ratsam, den Antrag vorsorglich trotzdem zu stellen – und parallel den Widerspruch laufen zu lassen.
Wann ist die Aufforderung rechtlich unzulässig?
Nicht jede Reha-Aufforderung ist automatisch rechtmäßig. Die Krankenkasse muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Ärztliches Gutachten: Es reicht nicht, wenn nur ein Attest vorliegt. Ein vollständiges sozialmedizinisches Gutachten muss belegen, dass die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist.
- Dauer der Beeinträchtigung: Die gesundheitliche Einschränkung muss voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen.
- Ermessensabwägung: Die Kasse muss auch das Interesse des Versicherten berücksichtigen. Ist etwa die Betriebsrente gefährdet oder endet das Krankengeld ohnehin bald, kann die Aufforderung rechtswidrig sein.
Widerspruch strategisch einsetzen
Auch innerhalb des Widerspruchsverfahrens lässt sich Zeit gewinnen. Zum Beispiel, indem der Widerspruch zunächst ohne Begründung eingereicht wird – mit dem Vermerk, die Begründung nach Akteneinsicht nachzuliefern. Das kann mehrere Wochen zusätzlich bringen.
Wird der Reha-Antrag später in einen Rentenantrag umgedeutet, kann auch dagegen Einspruch erhoben werden. Ein Rechtsbeistand ist zwar nicht zwingend nötig, aber oft hilfreich.
Besonders heikel: Freiwilliger Reha-Antrag ohne Aufforderung
Ein häufig unterschätzter Fall: Wenn Versicherte aus eigenem Antrieb eine Reha beantragen – also ohne vorherige Aufforderung durch die Krankenkasse – kann auch hier eine Umdeutung in den Rentenantrag erfolgen. Um das zu verhindern, sollte der Antrag ausdrücklich den Zusatz enthalten: „Keine Umdeutung im Rentenantrag gewünscht.“
Diese Klarstellung ist entscheidend. Denn sollte die Krankenkasse später das Dispositionsrecht nachträglich einschränken, bleibt die ursprüngliche Erklärung bestehen. Das sichert das Krankengeld – selbst bei Ablehnung der Reha durch die Rentenversicherung.