Rente: Wann das Sozialamt den Hausverkauf verlangen kann

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Viele Eigentümer fürchten den Pflegefall im Alter mehr wegen des Hauses als wegen des Heims. Die Pflege im Heim kostet schnell knapp 3.000 Euro Eigenanteil pro Monat. Reichen Rente, Pflegeversicherung und Vermögen nicht aus, springt das Sozialamt ein. Dann stellt sich die Frage: Bleibt das Eigenheim geschützt oder muss es verwertet werden?

Pflegeheimkosten 2025: Warum das Sozialamt überhaupt prüft

Ein Platz im Pflegeheim kostet 2025 im Schnitt knapp 3.000 Euro Eigenanteil im Monat. In manchen Bundesländern liegen die Beträge noch deutlich höher. Die Pflegeversicherung zahlt nur einen festen Anteil. Den Rest müssen Pflegebedürftige aus Rente, Einkünften und Ersparnissen bestreiten.

Sind diese Mittel ausgeschöpft, kommt die „Hilfe zur Pflege“ nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ins Spiel. Sozialhilfe ist nachrangig. Das heißt: Erst wenn Einkommen und verwertbares Vermögen nicht reichen, zahlt das Sozialamt. Dazu zählt grundsätzlich auch Immobilienvermögen.

Für viele Betroffene ist entscheidend, ob das eigene Haus noch zum sogenannten Schonvermögen gehört. Oder ob die Behörde eine Verwertung verlangen kann.

Eigenheim als Schonvermögen: In diesen Fällen ist das Haus geschützt

Das SGB XII kennt den Begriff des „angemessenen Hausgrundstücks“. Ein solches Eigenheim gilt als Schonvermögen. Es muss dann nicht zur Finanzierung der Pflege eingesetzt werden. Die zentrale Vorschrift ist § 90 Absatz 2 Nummer 8 SGB XII.

Geschützt ist das Eigenheim, wenn es von der pflegebedürftigen Person selbst bewohnt wird, wenn der Ehepartner, eingetragene Lebenspartner oder ein minderjähriges Kind dort weiterlebt oder wenn eine andere Person der sogenannten Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII in dem Haus wohnt.

In diesen Konstellationen darf das Sozialamt Sozialhilfe nicht davon abhängig machen, dass das Haus verkauft wird. Das gilt zumindest so lange, wie die Immobilie als „angemessen“ eingestuft wird.

Für Sie bedeutet das: Muss ein Ehepartner ins Pflegeheim und der andere bleibt im Eigenheim, ist dieses in vielen Fällen vor einer Verwertung geschützt. Gleiches gilt meist, wenn minderjährige Kinder dort leben.

Angemessen oder zu groß? Wie Behörden das Eigenheim bewerten

Ob ein Haus „angemessen“ ist, entscheidet die Behörde nicht nach Gefühl. Das Gesetz nennt konkrete Kriterien. Wichtig sind die Anzahl der Bewohner, der Wohnbedarf zum Beispiel bei Behinderung, Haus- und Grundstücksgröße, Zuschnitt, Ausstattung und der Gesamtwert der Immobilie.

In der Praxis nutzen viele Sozialämter Orientierungswerte. Fachhinweise nennen für allein lebende Personen häufig Wohnflächen von etwa 80 bis 90 Quadratmetern als unproblematisch. Einfamilienhäuser mit 130 bis 140 Quadratmetern werden bei Familien häufig noch als angemessen angesehen. Entscheidend bleibt aber immer der konkrete Einzelfall.

Ein Haus gilt eher als unangemessen, wenn es deutlich größer ist als der übliche Bedarf. Oder wenn es einen außergewöhnlich hohen Marktwert hat. Dann kann das Sozialamt verlangen, dass ein Teil des Immobilienwerts zur Finanzierung der Pflege eingesetzt wird.

Angemessenheit ist ein Gleitbereich. Eine moderate Überschreitung der Richtwerte führt nicht automatisch zu einem Hausverkauf. Wird jedoch eine Villa mit sehr großer Wohnfläche allein von einer Person genutzt, steigen die Risiken.

Wenn niemand mehr im Haus wohnt: Wann eine Verwertung droht

Gesetzlich besonders heikel ist der Fall, in dem der pflegebedürftige Rentner dauerhaft im Heim lebt. Im Haus wohnt keine Person mehr, die zur Einsatzgemeinschaft gehört. Dann entfällt regelmäßig der Schutz als selbstgenutztes Eigenheim.

Das Sozialamt prüft in dieser Situation die gesamte Vermögenslage. Es lässt Einkünfte, Ersparnisse und häufig auch den Verkehrswert der Immobilie bewerten. Reichen Rente, Pflegeleistungen und übriges Vermögen nicht aus, gilt das Haus als einzusetzendes Vermögen.

Wichtig ist: Das Amt verkauft Ihr Haus nicht selbst. Es kann aber Leistungen ablehnen oder nur als Darlehen gewähren, solange Sie das Haus nicht verwerten. In der Praxis läuft das häufig so:

Die Behörde gewährt Hilfe zur Pflege zunächst als Darlehen.
Zur Sicherheit wird eine Grundschuld im Grundbuch eingetragen.
Später erwartet das Amt, dass der Verwertungserlös zur Rückzahlung genutzt wird.

Rechtlich stützt sich diese Praxis auf § 91 SGB XII. Danach kann Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden, wenn eine sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich oder unzumutbar ist. Das soll Notverkäufe unter Zeitdruck vermeiden.

Sie sind in diesem Fall nicht machtlos. Sie können zum Beispiel einen Kredit auf das Haus aufnehmen und damit die Pflegekosten selbst tragen. Oder Sie verhandeln mit der Behörde über die Konditionen eines Sozialamtsdarlehens.

Schenkung und Nießbrauch: Warum die Zehn-Jahres-Frist so gefährlich ist

Viele Familien versuchen, das Eigenheim frühzeitig auf Kinder zu übertragen. Häufig wird das Haus verschenkt und sich ein Nießbrauch oder Wohnrecht vorbehalten. Dahinter steht die Hoffnung, das Sozialamt könne später nicht mehr zugreifen.

Hier spielt die sogenannte Zehn-Jahres-Frist eine Rolle. Nach den Regeln der Schenkungsrückforderung und der Kostenerstattung im Sozialhilferecht können Schenkungen regelmäßig bis zu zehn Jahre lang zurückgeholt werden. Der zugrunde liegende Anspruch aus § 528 und § 529 Bürgerliches Gesetzbuch geht auf den Sozialhilfeträger über.

Liegt die Schenkung länger als zehn Jahre zurück, ist eine Rückforderung grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt aber nur, wenn die Immobilie wirklich vollständig aus dem Vermögen des Schenkers herausgelöst wurde.

Vermögensregelung bei Nießbrauch oft unklar

Bei Schenkungen mit Nießbrauch ist das oft nicht der Fall. Der Bundesgerichtshof hat schon in den 1990er Jahren entschieden: Solange sich der Schenker ein umfassendes Nutzungsrecht vorbehält, gilt das Haus wirtschaftlich weiterhin als Teil seines Vermögens. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt dann nicht mit der Übertragung, sondern erst, wenn der Nießbrauch endet. In der Praxis also oft gar nicht mehr zu Lebzeiten.

Für Sie bedeutet das: Eine Übertragung „kurz vor knapp“ schützt das Haus meist nicht. Wer sein Eigenheim per Schenkung sichern möchte, muss sehr früh planen. Und sollte sich zwingend notariell und fachanwaltlich beraten lassen.

Unterhaltspflicht der Kinder: Die 100.000-Euro-Grenze entlastet viele

Neben dem eigenen Vermögen prüft das Sozialamt auch mögliche Unterhaltsansprüche gegen Kinder. Hier hat sich seit 2020 viel zugunsten normalverdienender Familien geändert.

Nach § 94 Absatz 1a SGB XII werden Kinder nur herangezogen, wenn ihr persönliches Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro liegt. Das Einkommen des Ehepartners wird bei dieser Prüfung nicht mitgerechnet.

Viele Betroffene können daher aufatmen. Liegt das Einkommen darunter, müssen Kinder in der Sozialhilfe grundsätzlich keinen Elternunterhalt zahlen.

Auch bei Einkünften oberhalb der Grenze ist das Risiko eines Hausverkaufs für die Kinder begrenzt. Unterhaltsrecht und Rechtsprechung schützen die eigene Altersvorsorge und die selbstgenutzte Immobilie des Kindes.

Fachleitfäden betonen, dass ein angemessenes Eigenheim in der Regel nicht verwertet werden muss. Das mietfreie Wohnen wird nur als zusätzlicher Einkommensvorteil berücksichtigt.

Wichtig ist jedoch die Unterscheidung: Die 100.000-Euro-Grenze gilt nur im Sozialhilferecht. Zivilrechtliche Streitigkeiten um Elternunterhalt und Schenkungsrückforderung können daneben eigene Regeln haben.

Alternativen zum Hausverkauf im Pflegefall

Selbst wenn das Eigenheim nicht mehr vollständig geschützt ist, gibt es oft Alternativen zum direkten Verkauf. Diese Modelle sind komplex, können aber helfen, das Haus zumindest teilweise in der Familie zu halten.

Eine Möglichkeit ist die Vermietung des Hauses. Die Mieteinnahmen fließen dann in die Finanzierung des Eigenanteils im Pflegeheim. Reicht das aus, bleibt das Haus zunächst im Eigentum der Familie.

Daneben haben sich verschiedene Formen der Immobilienverrentung etabliert. Beim Teilverkauf wird höchstens die Hälfte der Immobilie an einen Anbieter verkauft. Die Eigentümer erhalten eine größere Einmalzahlung oder laufende Zahlungen und behalten ein Nutzungsrecht.

Bei der Leibrente wird das Haus vollständig verkauft. Im Gegenzug erhält der frühere Eigentümer ein lebenslanges Wohnrecht und eine Rente oder Einmalzahlung. Die Umkehrhypothek funktioniert umgekehrt: Die Immobilie bleibt im Eigentum, dient aber als Sicherheit für ein Darlehen, das erst beim Verkauf oder nach dem Tod getilgt wird.

Schließlich kann das Sozialamt selbst Leistungen als Darlehen gewähren und eine Grundschuld eintragen. So lassen sich Pflegekosten zunächst finanzieren, ohne dass das Haus unter Zeitdruck verkauft werden muss. Später wird der Verwertungserlös zur Rückzahlung genutzt.

Alle diese Modelle haben Vor- und Nachteile. Vertragslaufzeiten, Kosten, Erbenstellung und steuerliche Folgen unterscheiden sich stark. Holen Sie deshalb unbedingt unabhängige Beratung ein. Verbraucherzentralen, Rentenberatungen und Fachanwälte können Angebote prüfen und Fallstricke aufzeigen.

FAQ: Praktische Schritte für Betroffene

1. Was sollte ich als Erstes tun, wenn ein Pflegefall absehbar ist?
Lassen Sie sich einen Überblick über Ihre finanzielle Situation geben: Rente, weiteres Einkommen, Ersparnisse, Immobilienwert und voraussichtliche Heimkosten. So sehen Sie, ob und wann Sozialhilfe nötig wird.

2. Welche Unterlagen sollte ich für das Sozialamt bereithalten?
Sammeln Sie Rentenbescheide, Kontoauszüge, Pflegegrad-Bescheid, Heimvertrag, Grundbuchauszug und vorhandene Kreditverträge. Vollständige Unterlagen verhindern Verzögerungen und Fehlentscheidungen.

3. Wie kann ich prüfen, ob mein Haus als „angemessen“ gilt?
Notieren Sie Wohnfläche, Anzahl der Bewohner und Besonderheiten (z.B. Behinderung, Einliegerwohnung). Mit diesen Daten können Beratungsstellen oder Fachanwälte einschätzen, ob das Eigenheim voraussichtlich als Schonvermögen gilt.

4. Was mache ich, wenn das Sozialamt einen Hausverkauf indirekt erzwingt?
Lassen Sie den Bescheid sofort prüfen, bevor Sie verkaufen. Oft sind ein Darlehen mit Grundschuld, eine Vermietung oder eine andere Finanzierungsform möglich. Legen Sie fristgerecht Widerspruch ein, wenn Zweifel bestehen.

5. Sollte ich frühere Schenkungen oder Übertragungen jetzt offenlegen?
Ja. Informieren Sie Ihre Beratung über Hausübertragungen, Nießbrauchsrechte und größere Schenkungen der letzten zehn Jahre. Nur so lassen sich Rückforderungsrisiken realistisch einschätzen und eine Strategie entwickeln.

6. Wo bekomme ich unabhängige Hilfe?
Wenden Sie sich an eine Sozialberatungsstelle, eine Verbraucherzentrale, einen Fachanwalt für Sozialrecht oder einen Rentenberater. Diese Stellen können Bescheide prüfen, Alternativen zum Hausverkauf durchrechnen und bei Widersprüchen unterstützen.