Bürgergeld: Aus für das Schonvermögen – Sparsame verlieren Bürgergeld-Anspruch

Ein Paradigmenwechsel steht bevor: Wer Bürgergeld beantragt, muss ab 2026 sein Vermögen sofort offenlegen. Die bisherige Karenzzeit fällt ersatzlos weg – mit drastischen Folgen für viele Betroffene.

Wer in eine finanzielle Notlage gerät und auf Bürgergeld angewiesen ist, darf laut geltender Regelung aktuell noch aufatmen: In den ersten zwölf Monaten der Leistungsgewährung gilt eine Karenzzeit, in der Vermögen – abgesehen von Luxusgütern – nicht berücksichtigt wird.

Doch damit soll nun Schluss sein. Der neue Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bringt eine tiefgreifende Änderung des § 12 SGB II – und sorgt bereits im Vorfeld für massive Verunsicherung unter potenziellen Antragstellerinnen und Antragstellern.

Die Schonfrist fällt – das Vermögen zählt sofort

Künftig soll das Vermögen von Beginn an berücksichtigt werden – und zwar unabhängig davon, ob jemand zuvor arbeitslos wurde, sich aus einer Krise heraus kämpft oder gerade erst in den Leistungsbezug eintritt.

Die Abschaffung der Karenzzeit ist mehr als eine technische Anpassung: Sie bedeutet einen Bruch mit dem Grundgedanken, Menschen in akuten Notlagen zunächst einmal unbürokratisch zu helfen.

Bisher galt: In den ersten zwölf Monaten nach Antragstellung wurde Vermögen bis zu 40.000 Euro bei der ersten Person in der Bedarfsgemeinschaft und 15.000 Euro für jede weitere Person nicht angerechnet.

Diese Karenzzeit diente dem Ziel, kurzfristige Hilfe zu ermöglichen, ohne die Betroffenen sofort zu zwingen, Rücklagen aufzubrauchen – beispielsweise für Altersvorsorge oder familiäre Notfälle.

Ab 2026 gilt: Jeder Euro Vermögen über den neuen Freibeträgen muss sofort verwertet werden – ohne Aufschub, ohne Übergangsfrist.

Neue Freibeträge – aber nur gestaffelt nach Alter

Zwar wird weiterhin ein gewisses Maß an Vermögen geschützt – doch die neuen Freibeträge fallen deutlich niedriger aus und orientieren sich strikt am Lebensalter der Antragstellenden:

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Alter Freibetrag pro Person
Bis 20 Jahre 5.000 Euro
Ab 21 Jahren 10.000 Euro
Ab 41 Jahren 12.500 Euro
Ab 51 Jahren 15.000 Euro

Ein 45-jähriger Alleinstehender mit 13.000 Euro Erspartem wäre somit nicht mehr anspruchsberechtigt – obwohl er möglicherweise erst seit kurzem arbeitslos ist. Auch selbstgenutzte Immobilien sind nur noch dann geschützt, wenn sie nicht unangemessen groß oder teuer sind – und das ebenfalls nur in engen Grenzen.

Große Verunsicherung bei Erst-Antragstellern

Für viele Bürgerinnen und Bürger, die bislang davon ausgingen, im Notfall auf das Bürgergeld zählen zu können, stellt diese Reform einen Schock dar. Insbesondere Menschen mit kleinen Rücklagen – etwa für Notfälle, die Altersvorsorge oder als Sicherheit für die Familie – sehen sich vor die Wahl gestellt: Entweder das Ersparte aufbrauchen oder gänzlich auf staatliche Hilfe verzichten.

Der Referentenentwurf sieht keine Übergangsregelungen vor, die die Auswirkungen abfedern würden. Wer ab Inkrafttreten einen Antrag stellt, muss sofort mit der neuen Vermögensprüfung rechnen.

Kritik: Sparanreiz wird zum Risiko

Die Bundesregierung argumentiert mit „Haushaltskonsolidierung“ und dem Ziel, Leistungen „zielgenauer“ einzusetzen. Doch Kritiker warnen: Wer Rücklagen bildet, wird künftig bestraft. Der soziale Aufstieg – ohnehin schwer genug – wird dadurch zusätzlich erschwert.

Besonders problematisch: Die Altersvorsorge, die in Form von Tagesgeld, Aktien oder privaten Sparverträgen vorliegt, ist ebenfalls betroffen, wenn sie nicht explizit als „zweckgebunden“ gilt.

Damit trifft die Reform nicht etwa „leistungsunwillige“ oder „vermögende“ Personen, sondern vor allem die sogenannte „arbeitende Mitte“, die sich mit Mühe und Disziplin eine minimale finanzielle Absicherung geschaffen hat – und diese nun verlieren könnte.

Ein Signal mit Sprengkraft

Der Entwurf des „Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ (Bearbeitungsstand 16.10.2025) offenbart eine klare Linie: Der Staat will sparen – und das vor allem bei denen, die gerade in Not geraten sind. Doch ob diese Maßnahme tatsächlich „mehr Fairness“ schafft, wie das BMAS suggeriert, bleibt zweifelhaft.

Denn echte soziale Sicherheit bedeutet mehr als bloße Bedürftigkeitsprüfung. Sie verlangt Vertrauen, Verlässlichkeit – und die Gewissheit, dass Hilfe im Notfall nicht zur Demütigung wird.