Ein neuer Wohnort, dieselben Rechte? Wer mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) umzieht, hat viele Fragen: Bleibt der Status bestehen? Muss ich neu begutachtet werden? Was gilt bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland – und was, wenn es ins EU-Ausland geht?
Inhaltsverzeichnis
Umzug innerhalb Deutschlands: GdB bleibt, Zuständigkeit wechselt
Die gute Nachricht zuerst: GdB und Merkzeichen gelten bundesweit. Grundlage sind das SGB IX und die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) – beides Bundesrecht, das in allen Ländern einheitlich angewandt wird. Ein Umzug ändert deshalb nicht automatisch den Status.
Wichtig in der Praxis: Nach der Ummeldung ist die Feststellungsbehörde am neuen Wohnort (Versorgungsamt/Landesamt) zuständig. Sie lässt sich die Akte übersenden; eine Neufeststellung erfolgt nur, wenn dies rechtlich geboten ist (z. B. wesentliche Gesundheitsänderung, Befristungsende) oder wenn ein Änderungsantrag gestellt worden ist.
Ausweis ≠ Status: Befristung im Blick behalten
Der Schwerbehindertenausweis ist oft bis zu 5 Jahre befristet; er kann verlängert bzw. neu ausgestellt werden. Unbefristete Ausweise sind möglich, aber die Ausnahme. Das berührt den Status (GdB/Merkzeichen) nicht – er bleibt bestehen, solange keine Neufeststellung ansteht.
Behördenpraxis: Nach dem Umzug stellen viele Ämter einen neuen Ausweis mit neuem Geschäftszeichen aus – ohne inhaltliche Änderung. Zuständigkeiten und Anlaufstellen ändern sich, die Rechtsfolgen (z. B. Nachteilsausgleiche) bleiben gleich.
Umzug ins Ausland (EU/EWR/Schweiz): Keine automatische GdB-Übernahme
Beim dauerhaften Umzug in ein anderes EU-Land gilt: Der deutsche GdB wird dort nicht automatisch als nationaler Behindertenstatus anerkannt. Sozial- und Nachteilsausgleichsrechte sind Sache der Mitgliedstaaten.
Man muss im Zielland in aller Regel eine eigene Feststellung nach dortigem Recht durchlaufen; die EU-Koordinierung (VO 883/2004) harmonisiert die nationalen Definitionen nicht, sie koordiniert nur Leistungsansprüche.
Was dennoch hilft: EU-Parkausweis & neue EU-Disability Card
Der europäische Parkausweis (blaues Modell) wird in der EU wechselseitig anerkannt – Parkerleichterungen gelten grenzüberschreitend.
Neu kommt die EU-Disability Card samt modernisiertem EU-Parkausweis: Die Richtlinien sind seit 14. November 2024 im Amtsblatt; die Mitgliedstaaten haben bis 2028 Zeit, sie vollständig umzusetzen.
Die Card dient als Nachweis des Behindertenstatus bei Kurzaufenthalten (Reise, Studium, Events) und soll Ermäßigungen/Assistenz erleichtern – ohne nationale Sozialleistungen automatisch zu übertragen.
Konsequenz: Für den Dauerumzug zählt das nationale Verfahren im Zielland. Für Reisen/Kurzaufenthalte erleichtert die EU-Disability Card künftig den Zugang zu Vergünstigungen; bis zur flächendeckenden Einführung bleibt der EU-Parkausweis das zentrale Instrument.
So gehst du beim Umzug konkret vor
A) Innerhalb Deutschlands
Der Umzug ist bei der neuen Feststellungsbehörde zu melden; hierfür sind Schwerbehindertenausweis und Feststellungsbescheid bereitzuhalten. Die Befristung des Ausweises ist zu prüfen, eine rechtzeitige Neuausstellung bzw. Verlängerung zu beantragen – der Status (GdB/Merkzeichen) bleibt davon unberührt.
Anschließend werden die Nachteilsausgleiche am neuen Wohnort neu beantragt oder umgeschrieben, etwa für den ÖPNV, Parkerleichterungen und gegebenenfalls den Rundfunkbeitrag.
B) Umzug ins EU-Ausland
Erforderlich ist die Zusammenstellung einer vollständigen Unterlagenmappe mit Feststellungsbescheid, Schwerbehindertenausweis, ärztlichen Befunden samt ICD-Codes sowie Reha- und sonstigen Gutachten.
Hierzu sollten beglaubigte Übersetzungen durch vereidigte Übersetzer angefertigt werden; in den Übersetzungen ist der „Grad der Behinderung (GdB), Skala 20–100 in 10er-Schritten“ einschließlich der Merkzeichen (G, aG, H, Bl, RF) kurz zu erläutern.
Der EU-Parkausweis sollte mitgeführt werden; perspektivisch kommt die Nutzung der EU-Disability-Card in Betracht, sobald diese im Zielland verfügbar ist. Zudem empfiehlt sich die frühzeitige Klärung, welche Stelle im Zielland den Behindertenstatus feststellt – in der Regel eine Sozial- oder Gesundheitsbehörde.
Kompaktüberblick
Situation | Das gilt / Dein To-do |
Umzug in anderes Bundesland | GdB/Merkzeichen gelten weiter; neue Zuständigkeit am Wohnort. Nur bei Befristungsende, wesentlicher Änderung oder Antrag erfolgt Neufeststellung. |
Ausweis läuft ab | Neu ausstellen/verlängern (bis zu 5 Jahre; ausnahmsweise unbefristet). Status bleibt bestehen. |
Dauerumzug ins EU-Ausland | Keine automatische Anerkennung des deutschen GdB; nationales Verfahren im Zielland nötig. |
Reisen/Kurzaufenthalte in der EU | EU-Parkausweis jetzt; EU-Disability Card kommt bis 2028 schrittweise hinzu (Nachweis, keine Sozialleistungen). |
Häufige Irrtümer – kurz erklärt
„Neues Bundesland = neuer GdB.“
Falsch. Die VersMedV gilt bundeseinheitlich; der Wohnortwechsel ändert den Status nicht automatisch.
„Im Ausland zählt mein deutscher GdB überall.“
So pauschal nicht. Anerkennung und Nachteilsausgleiche sind national; EU-Recht koordiniert vor allem Leistungsansprüche, harmonisiert aber keine GdB-Definition.
„Die neue EU-Card löst alles.“
Nein. Sie erleichtert Kurzaufenthalte (Ermäßigungen, Priorität, Assistenz), ersetzt aber kein nationales Feststellungsverfahren und überträgt keine Sozialleistungen.