Rente: Drei Sätze entscheiden im Entlassungsbericht über Ihre Zukunft nach der Reha

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Wer lange krankgeschrieben ist, sorgt sich um Gesundheit und Einkommen zugleich. Wenn das Krankengeld ausläuft und eine Reha über die Deutsche Rentenversicherung ansteht, spielt ein Dokument eine Schlüsselrolle: der Entlassungsbericht der Reha-Klinik.

Er beeinflusst, ob anschließend Arbeitslosengeld gezahlt wird, ob die Nahtlosigkeitsregelung greift oder ob eine Erwerbsminderungsrente in Betracht kommt.

Entlassungsbericht aus der Reha: Kerninhalt und Funktion

Am Ende der Reha erstellt die Klinik einen Entlassungsbericht. Er geht an die Rentenversicherung, häufig an die Krankenkasse und mittelbar auch an die Agentur für Arbeit. Neben Diagnosen und Therapieverlauf beschreibt er vor allem die Leistungsfähigkeit: Ist der bisherige Beruf noch möglich und wie steht es um andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt?

Viele Menschen sind im bisherigen Beruf dauerhaft arbeitsunfähig, könnten theoretisch aber andere, leichtere Tätigkeiten ausüben. Genau diese Differenz zwischen „altem Job“ und „allgemeinem Arbeitsmarkt“ zieht sozialrechtliche Folgen nach sich.

Aussteuerung des Krankengeldes: Der heikle Übergang

Die kritische Phase beginnt oft mit der Aussteuerung des Krankengeldes. Spätestens nach 78 Wochen endet die Zahlung der Krankenkasse. Betroffene müssen sich rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit melden, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Parallel oder kurz danach findet die Reha statt, vielfach auf Initiative der Krankenkasse.

Wie es nach der Reha weitergeht, hängt stark vom Entlassungsbericht ab. Für die Agentur für Arbeit ist er Grundlage, ob reguläres Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung gezahlt wird. Für die Rentenversicherung dient er als wichtiges medizinisches Gutachten bei der Prüfung eines Erwerbsminderungsrentenanspruchs.

Drei typische Leistungsbilder im Entlassungsbericht

In der Praxis tauchen drei Grundkonstellationen immer wieder auf:

Erstens: Der bisherige Job ist nicht mehr möglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht aber noch eine Leistungsfähigkeit in Vollzeit.

Zweitens: Weder der bisherige Beruf noch andere Tätigkeiten sind auf absehbare Zeit möglich, die Leistungsfähigkeit liegt unter drei Stunden täglich.

Drittens: Es bleibt eine Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich für leichtere Tätigkeiten.

Diese Einstufung bestimmt, welcher Träger zahlen muss, ob Arbeitslosengeld weiterläuft und ob eine (teilweise) Erwerbsminderungsrente zu prüfen ist.

Szenario 1: Bisheriger Job nicht mehr möglich, allgemein aber voll einsetzbar

Am häufigsten stellt die Reha-Klinik fest, dass der bisherige Arbeitsplatz dauerhaft nicht mehr zumutbar ist, andere Tätigkeiten in Vollzeit aber denkbar sind. Das Arbeitsverhältnis besteht formal weiter, ruht jedoch, weil im alten Job kein Einsatz mehr möglich ist.

Schwierig wird es bei der Agentur für Arbeit. Wer nach der Aussteuerung Arbeitslosengeld beantragt, muss als arbeitslos und vermittelbar gelten. Gleichzeitig liegt häufig noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den bisherigen Beruf vor.

Im Entlassungsbericht steht, dass dieser Beruf weiterhin nicht möglich ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber eine Vollzeit-Leistungsfähigkeit besteht.

Nicht selten folgt dann der Hinweis, man könne kein Arbeitslosengeld erhalten, solange eine Krankschreibung vorliegt. Tatsächlich besteht der Anspruch weiter, ist aber an eine formale Erklärung geknüpft: Betroffene müssen sich grundsätzlich in Vollzeit für andere Tätigkeiten zur Verfügung stellen, auch wenn der bisherige Arbeitgeber keine geeignete Stelle hat.

In der Praxis bedeutet das häufig, gegenüber der Agentur für Arbeit auf eine fortlaufende Krankschreibung als Hinderungsgrund zu verzichten und die im Entlassungsbericht beschriebene Leistungsfähigkeit zu übernehmen.

Das wirkt widersprüchlich, ist in dieser Konstellation aber oft der einzige Weg, den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu sichern. Ohne Verfügbarkeitserklärung droht die Ablehnung, mit Verfügbarkeitserklärung bleibt der Bezug in der Regel möglich.

Szenario 2: Weder im bisherigen Beruf noch allgemein arbeitsfähig – die Nahtlosigkeitsregelung

Stellt die Reha-Klinik fest, dass weder der bisherige Beruf noch andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich sind, wird die tägliche Leistungsfähigkeit regelmäßig mit unter drei Stunden und über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten angegeben. Dann greift die Nahtlosigkeitsregelung.

Die Agentur für Arbeit zahlt Arbeitslosengeld, obwohl keine reguläre Vermittlungsfähigkeit besteht. Zugleich fordert sie in aller Regel dazu auf, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen oder eine weitere Reha zu beantragen, damit die Rentenversicherung prüft, ob eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt. Das Arbeitsverhältnis besteht zwar formal weiter, ist praktisch aber meist ohne Bedeutung.

Für die Betroffenen ist diese Situation ambivalent. Einerseits wird eine erhebliche gesundheitliche Einschränkung anerkannt, andererseits steht die Frage im Raum, wie lange und in welcher Höhe künftig Rente gezahlt wird. Im Unterschied zu Szenario 1 sind jedoch keine künstlichen Verfügbarkeitserklärungen erforderlich, um Leistungen zu erhalten.

Szenario 3: Teilzeitfähig – Kombination aus Arbeitslosengeld und teilweiser Erwerbsminderungsrente

In der dritten Konstellation bescheinigt der Entlassungsbericht eine Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Vollzeittätigkeit ist damit ausgeschlossen, Teilzeitarbeit aber grundsätzlich möglich.

Wer sich nur in Teilzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt, erhält häufig ein entsprechend vermindertes Arbeitslosengeld. Zugleich kommt eine teilweise Erwerbsminderungsrente in Betracht, wenn die Rentenversicherung die eingeschränkte Leistungsfähigkeit bestätigt.

Beide Leistungen können kombiniert werden: Teilweise Erwerbsminderungsrente und Arbeitslosengeld auf Basis der Teilzeitverfügbarkeit sichern gemeinsam den Lebensunterhalt.

Arbeitsmarktrente: Volle Rente trotz nur teilweiser Leistungsfähigkeit

Eine besondere Rolle spielt die Arbeitsmarktrente. Sie greift, wenn die Rentenversicherung zwar von einer Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich ausgeht, der Arbeitsmarkt aber keine passende Teilzeitstelle bietet.

Weist der Arbeitgeber nach, dass im Betrieb keine geeignete Teilzeitbeschäftigung vorhanden ist und sich auch sonst keine realistische Teilzeitstelle findet, behandelt die Rentenversicherung die betroffene Person faktisch wie voll erwerbsgemindert.

Die Rente wird dann in voller Höhe gezahlt, obwohl medizinisch nur eine teilweise Erwerbsminderung festgestellt wurde. Arbeitsmarktrenten sind allerdings immer befristet und werden regelmäßig überprüft.

Eine teilweise Erwerbsminderungsrente kann auch mit einem Teilzeitjob kombiniert werden, wenn tatsächliche Arbeitszeit und gesundheitliche Leistungsfähigkeit zusammenpassen. Der Entlassungsbericht bildet dabei die Grundlage.

Zusammenspiel der Leistungsträger: Warum der Entlassungsbericht so viel Gewicht hat

Der Entlassungsbericht entscheidet mit darüber, ob die Agentur für Arbeit reguläres Arbeitslosengeld zahlt, die Nahtlosigkeitsregelung anwendet oder Leistungen ablehnt. Die Rentenversicherung nutzt ihn, um über den Erfolg der Reha, weitere Maßnahmen und mögliche Erwerbsminderungsrenten zu entscheiden. Die Krankenkasse kann ihn heranziehen, um das Ende des Krankengeldes zu begründen.

Trotz seines Gewichts ist der Bericht kein unanfechtbares Dokument. Wird eine Erwerbsminderungsrente abgelehnt oder erscheint die Einschätzung der Leistungsfähigkeit unzutreffend, kann der Entlassungsbericht hinterfragt und durch weitere ärztliche Stellungnahmen ergänzt werden. Wichtig ist, den Inhalt zu kennen und medizinische Fachbegriffe einordnen zu lassen.

Warum Beratung nach der Reha unverzichtbar ist

Der gleiche Entlassungsbericht kann in unterschiedlichen Lebenslagen zu anderen Ergebnissen führen. Alter, Qualifikation, bisherige Tätigkeit, Dauer der Erkrankung, familiäre Situation und regionale Arbeitsmarktlage spielen hinein. Hinzu kommen Formfragen wie Fristen, Antragstellung und die richtige Kommunikation mit den beteiligten Stellen.

Schon die Entscheidung, ob Krankschreibungen der Agentur für Arbeit vorgelegt werden, kann über den Fortbestand des Arbeitslosengeldanspruchs entscheiden. Ebenso wichtig ist es, Renten- oder Reha-Anträge zu stellen, wenn Krankenkasse, Agentur für Arbeit oder Rentenversicherung dazu auffordern.

Deshalb sollte der Entlassungsbericht immer Anlass sein, sich beraten zu lassen. Fachanwältinnen und Fachanwälte für Sozialrecht, Sozialverbände und spezialisierte Beratungsstellen können helfen, die medizinischen Aussagen in sozialrechtliche Folgen zu übersetzen und bestehende Ansprüche durchzusetzen.