Viele mรถchten vorzeitig aus dem Berufsleben aussteigen. Hรคufig fรคllt die Wahl auf die โRente nach 35 Versicherungsjahrenโ. Sie ist frรผh verfรผgbar und scheint flexibel. Der Gedanke: jetzt starten, spรคter in die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren wechseln.
Doch dieser Plan scheitert fast immer an einer klaren Rechtsregel: Sobald der erste Rentenbescheid bindend ist, blockiert er den Wechsel in eine andere Altersrente. Wer das รผbersieht, verzichtet unter Umstรคnden dauerhaft auf mehrere Hundert Euro im Monat.
Inhaltsverzeichnis
Bindungsfalle: Was nach der Bewilligung passiert
Nach der Bewilligung einer Altersrente ist ein Wechsel in eine andere Rentenart ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt unabhรคngig davon, ob Sie eine Vollrente oder Teilrente beziehen. Die Rentenversicherung behandelt den ersten wirksam gewordenen Bescheid als endgรผltige Festlegung auf eine Rentenart. Ein spรคteres โUpgradeโ in die abschlagsfreie Rente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte ist daher nicht mรถglich.
Selbst wer die Rente nur fรผr wenige Monate bezogen hat, ist an diese Entscheidung gebunden. Das macht die Wahl des Einstiegszeitpunkts so entscheidend.
35 Jahre: Frรผher raus, aber mit lebenslangen Abschlรคgen
Mit der Rente fรผr langjรคhrig Versicherte kรถnnen Sie ab 63 in den Ruhestand, wenn Sie mindestens 35 Jahre Wartezeit erreichen. Jeder Monat vor Ihrer Regelaltersgrenze senkt die Rente um 0,3 Prozent โ dauerhaft.
Beispiel: Jahrgang 1962 erreicht die Regelaltersgrenze mit 66 Jahren und acht Monaten. Starten Sie mit 63, betrรคgt der Abschlag 10,8 Prozent. Bei einer monatlichen Bruttorente von 1.500 Euro sind das rund 162 Euro weniger โ jeden Monat und ein Leben lang.
Wer die 45 Jahre nur knapp verfehlt, zahlt durch den frรผhen Einstieg oft unnรถtig viel und verliert die Chance auf eine spรคtere Abschlagsfreiheit.
45 Jahre: Abschlagsfrei nur bei doppelter Erfรผllung
Die Rente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte gibt es maximal zwei Jahre vor der persรถnlichen Regelaltersgrenze und nur, wenn 45 anrechenbare Jahre vorliegen. Beide Bedingungen mรผssen erfรผllt sein. Fehlt eine, bleibt nur die 35-Jahre-Rente mit Abschlรคgen.
Anrechenbar sind unter anderem Pflichtbeitrรคge aus Beschรคftigung, Kindererziehungs- und Pflegezeiten sowie bestimmte freiwillige Beitrรคge. Nicht alle Lรผcken lassen sich kurzfristig schlieรen โ darum ist eine rechtzeitige Kontenklรคrung entscheidend.
Teilrente: Gestaltungsspielraum mit Haken
Eine Teilrente kann helfen, weiter Pflichtbeitrรคge zu sammeln, um die 45 Jahre zu erreichen. Seit 2023 dรผrfen Sie dabei unbegrenzt hinzuverdienen. Das erรถffnet neue Mรถglichkeiten: Sie kรถnnen die Arbeitszeit reduzieren, das Einkommen durch die Teilrente ergรคnzen und trotzdem weitere Beitragsjahre sammeln.
Aber Achtung: Auch eine Teilrente ist eine Altersrente. Wird sie bewilligt, greift sofort die Bindungswirkung. Wer in der falschen Rentenart startet, schneidet sich den Weg zur abschlagsfreien 45-Jahre-Rente selbst ab.
Arbeitslosengeld kurz vor Rentenstart: Hรคufige Hรผrde
Zeiten mit Arbeitslosengeld I zรคhlen grundsรคtzlich zu den 45 Jahren. Liegen sie jedoch in den letzten 24 Monaten vor Rentenbeginn, werden sie nicht berรผcksichtigt โ es sei denn, die Arbeitslosigkeit ist durch Insolvenz oder eine vollstรคndige Betriebsaufgabe entstanden.
Praxisbeispiel: Sie sind Jahrgang 1961, erreichen die Regelaltersgrenze mit 66 Jahren und sechs Monaten und planen die abschlagsfreie Rente mit 64 Jahren und sechs Monaten. Ihre letzten 10 Monate vor dem Start bestehen aus ALG-I-Bezug ohne Ausnahmegrund. Diese Monate fehlen fรผr die 45 Jahre โ und Sie landen ungewollt in der 35-Jahre-Rente mit Abschlรคgen.
Antrag richtig timen: Drei Monate entscheiden
Der Rentenbeginn lรคsst sich rรผckwirkend festlegen, wenn der Antrag spรคtestens drei Kalendermonate nach Erfรผllung aller Voraussetzungen gestellt wird. Wer spรคter beantragt, verschenkt Monate an Rentenzahlung.
Planen Sie den Antragstermin rรผckwรคrts:
- Ermitteln Sie, ab wann die 45 Jahre vollstรคndig erfรผllt sind.
- Prรผfen Sie, ob das Mindestalter erreicht ist.
- Stellen Sie den Antrag so, dass die Bewilligung erst nach Erreichen dieser Punkte erfolgt.
So vermeiden Sie, dass der erste Bescheid zu frรผh bindet.
Drei typische Fehlentscheidungen โ und wie Sie sie vermeiden
Knapp vor 45 Jahren: Ihnen fehlen noch wenige Monate. Eine sofortige 35-Jahre-Rente setzt dauerhafte Abschlรคge fest. Besser: Weiterarbeiten oder Teilrente mit Pflichtbeitrรคgen bis zur 45-Marke.
ALG I im falschen Zeitfenster: ALG-I-Monate im 24-Monats-Fenster ohne Ausnahmegrund streichen Beitragszeiten. Start verschieben oder Minijob mit Pflichtbeitrรคgen einschieben.
Teilrente ohne Strategie: Wer blind startet, kann spรคter nicht mehr wechseln. Vorab prรผfen, ob die gewรคhlte Rentenart langfristig passt.
Ihr Handlungsplan vor dem Antrag
- Versicherungskonto klรคren, fehlende Zeiten ergรคnzen.
- Prรผfen, ob Sie die 45 Jahre und das Mindestalter erreichen.
- ALG-I-Zeiten im 24-Monats-Fenster analysieren.
- Antragstermin so festlegen, dass er strategisch optimal liegt.
- Erst beantragen, wenn die Rentenart und der Zeitpunkt klar definiert sind.
Erst prรผfen, dann entscheiden
Die Wahl der ersten Altersrente ist endgรผltig. Wer zu frรผh in die 35-Jahre-Rente geht, zahlt oft dauerhaft weniger und verliert den Zugang zur abschlagsfreien 45-Jahre-Rente. Mit kluger Planung โ und ohne vorschnelle Antragstellung โ sichern Sie sich die finanziell bessere Option.