Der Anspruch auf barrierefreien Umbau der Wohnung gilt auch bei Mietschulden. Das Amtsgericht Flensburg hat dazu ein Urteil gefällt, das für Menschen mit Schwerbehinderung mit finanziellen Problemen Bedeutung hat. Den Richtern zufolge kann ein Mieter vom Vermieter auch dann die Genehmigung zum behindertengerechten Umbau seines Bades verlangen, wenn er mit der Miete im Rückstand ist (Az. 67 C 3/14).
Inhaltsverzeichnis
Umbau des Bades zu einem Duschbad wegen Wirbelsäulenschaden
Die betroffene Mieterin hat eine anerkannte Behinderung aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung. Ohne entsprechenden Umbau war es für sie nur unter großen Mühen möglich, das Bad zu nutzen. Deshalb wollte sie ihr Bad zu einem Duschbad ohne Schwellen umbauen lassen.
Vermieterin verweigert Umbau mit Hinweis auf Mietschulden
Dies beantragte sie bei der Vermieterin. Diese weigerte sich, allerdings nicht, weil sie einen solchen Umbau grundsätzlich ablehnte. Sie verwies vielmehr darauf, dass die Mieterin mit ihrer Miete im Rückstand sei und wollte einem Umbau des Bades nicht zustimmen, bevor die Betroffene ihre Mietschulden ausgeglichen hätte.
Die Mieterin versuchte jetzt, ihren Anspruch vor dem Amtsgericht Flensburg durchzusetzen. Dort hatte sie Erfolg.
Genehmigung ist nicht vom Ausgleich der Mietrückstände abhängig
Die Richter stellten klar, dass die Genehmigung des Umbaus nicht vom Ausgleich der Mietrückstände abhängig gemacht werden darf. Denn der Mieterin steht der Anspruch auf einen behindertengerechten Umbau zu, laut Paragraf 554 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Urteil erging zwar noch zur Vorgängerregelung (§ 554a BGB a. F.), inhaltlich entspricht dies der heutigen Rechtslage des § 554 BGB.
Was der Paragraf 554 sagt
Der Paragraf 554 „Barrierereduzierung, E-Mobilität, Einbruchsschutz und Steckersolargeräte“ definiert Folgendes:
Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz oder der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen.
Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Der Mieter kann sich im Kontext der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Kosten, Sicherheitsleistung und Rückbaupflicht beim barrierefreien Umbau
Wichtig ist: Der Anspruch nach § 554 BGB richtet sich auf die Erlaubnis der baulichen Veränderung, nicht auf eine Kostenübernahme durch den Vermieter. Die Kosten des Umbaus trägt grundsätzlich der Mieter. Der Vermieter darf zur Absicherung der späteren Rückbau- und Wiederherstellungskosten eine Sicherheitsleistung (Sonderkaution) verlangen. Die Höhe soll sich an den voraussichtlichen Rückbau- und Entsorgungskosten orientieren und nachvollziehbar begründet werden.
Zurückbehaltungsrecht und § 320 BGB spielen keine Rolle
Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB oder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB steht der Vermieterin in diesem Zusammenhang nicht zu. Die Zustimmung zur barrierereduzierenden Maßnahme darf daher nicht von der vorherigen Begleichung von Mietrückständen abhängig gemacht werden.
Der gesetzlich vorgesehene Schutz des Vermieters erfolgt über die Möglichkeit, eine angemessene Sicherheitsleistung für den möglichen Rückbau zu verlangen. Ein weitergehender „Sanktionsmechanismus“ durch Verweigerung der Zustimmung wegen Rückständen ist rechtlich nicht vorgesehen.
Unzumutbarkeit nach § 554 BGB: Wann Vermieter die Zustimmung verweigern dürfen
Die Zustimmungspflicht entfällt ausnahmsweise, wenn die Maßnahme dem Vermieter auch unter Würdigung der Mieterinteressen unzumutbar ist. Unzumutbarkeit kann etwa vorliegen, wenn tragende Gebäudeteile beeinträchtigt würden, denkmalrechtliche Vorgaben entgegenstehen, erhebliche Beeinträchtigungen anderer Mieter zu erwarten sind oder eine signifikante Wertminderung der Mietsache droht.
Pauschale Einwände genügen nicht; erforderlich ist eine konkrete, nachvollziehbare Darlegung der Unzumutbarkeit im Einzelfall.
Sonderkaution kann Vermieterin schützen
Die Vermieterin ist durch § 554 BGB ausreichend geschützt. Sie kann die Zustimmung an die Stellung einer Sonderkaution knüpfen, deren Höhe sich an den voraussichtlichen Rückbau- und Wiederherstellungskosten orientiert. Ein darüber hinausgehender Schutz ist nicht erforderlich.
Forderung der Vermieterin ist unwirksam
Die Koppelung der Zustimmung an die vorherige Rückzahlung von Mietschulden ist unzulässig. Es handelt sich nicht um eine zulässige vertragliche Nebenabrede, sondern um eine rechtswidrige Bedingung, die den gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung vereiteln würde. Unabhängig davon gilt: Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von § 554 BGB abweichen, sind unwirksam.
Praktische Hinweise zur Umsetzung
Für die Zustimmung hat der Mieter die geplanten Maßnahmen nachvollziehbar darzustellen (z. B. Bau- und Ausführungsbeschreibung, Pläne, Kostenvoranschlag). Die Durchführung muss fachgerecht erfolgen; erforderliche Genehmigungen sind einzuholen.
Der Mieter haftet für durch den Umbau verursachte Schäden und ist grundsätzlich zum Rückbau bei Mietende verpflichtet, sofern nichts anderes vereinbart wird. Die Sicherheitsleistung dient dazu, diese Pflichten abzusichern.
Neuere Entscheidungen: Linie der Gerichte
In der jüngeren Rechtsprechung bestätigt sich die Tendenz, den Anspruch auf Zustimmung zu barrierereduzierenden Maßnahmen weit auszulegen. Gerichte bejahen die Zustimmungspflicht regelmäßig bei typischen Anpassungen wie bodengleichen Duschen, Verbreiterungen schmaler Türdurchgänge, Anbringen von Haltegriffen oder unterfahrbaren Waschtischen, wenn die Maßnahme nachweislich erforderlich ist und fachgerecht ausgeführt wird.
Im Vordergrund steht eine konkrete Interessenabwägung: Das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen wiegt schwer; bloßer organisatorischer Aufwand oder Modernisierungsunlust der Vermieterseite reichen für eine Ablehnung nicht aus.
Pauschale oder überhöhte Kautionsforderungen werden kritisch gesehen
Zulässig ist es, die Zustimmung von einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig zu machen, die sich an den voraussichtlichen Rückbau- und Wiederherstellungskosten orientiert.
Pauschale oder überhöhte Kautionsforderungen werden kritisch gesehen; verlangt werden nachvollziehbare Kostenschätzungen und eine sachliche Herleitung der Höhe. Die Zustimmung darf nicht an sachfremde Bedingungen – etwa die vorherige Begleichung von Mietrückständen – geknüpft werden.
Die Unzumutbarkeitsschwelle wird eng verstanden. Eine Ablehnung kommt insbesondere in Betracht, wenn tragende Gebäudesubstanz betroffen wäre, denkmalrechtliche Vorgaben entgegenstehen, erhebliche Beeinträchtigungen anderer Mieter zu erwarten sind oder eine signifikante Wertminderung der Mietsache droht. Auch hier verlangen die Gerichte eine konkrete Darlegung; pauschale Behauptungen genügen nicht.
Schadensersatzansprüche für Mehrkosten
Verweigert der Vermieter die Zustimmung schuldhaft oder verzögert er sie ohne triftigen Grund, kommen Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzansprüche in Betracht, etwa für Mehrkosten durch Hilfskräfte oder provisorische Lösungen. Zudem wird betont, dass beide Seiten ihre Mitwirkungspflichten ernst nehmen müssen: Mieter sollten die Maßnahme frühzeitig, detailliert und mit fachlichen Unterlagen begründen; Vermieter haben zügig zu prüfen und sachlich zu entscheiden.
Schließlich zeigt sich, dass die Systematik des § 554 BGB – Zustimmung bei gleichzeitiger Absicherung durch Sicherheitsleistung und strikter Einzelfallabwägung – auch in benachbarten Fallgruppen Orientierung bietet (z. B. bei E-Mobilität oder kleinteiligen technischen Anpassungen). Für den Praxisalltag bedeutet das: Gründliche Vorbereitung, transparente Kostenkalkulation und eine dokumentierte Abwägung sind der Schlüssel zu einer rechtssicheren Lösung.