Arbeitgeber und deren politische Vertreter in den Parteien überbieten sich derzeit in Hetze gegen Bürgergeld-Berechtigte ebenso wie mit Forderungen, Arbeitsrechte immer weiter zu zerschlagen und die Rente immer weiter zu erhöhen.
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Rente ab 70 für Büroarbeit
Der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, fühlte in dieser Stimmung offensichtlich Rückenwind für eine Idee, die er seit Jahren wiederholt.
Er fordert ein Rentenalter für Menschen mit Bürojobs ab 70 Jahren. Wolf ist Präsident des Dachverbandes der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. In der Branche sind ungefähr vier Millionen Erwerbstätige beschäftigt.
In der Realität herrscht Personalmangel und Leistungsverdichtung
Wolf sagte wörtlich: „Ein Fabrikarbeiter, der sehr hart arbeitet, wird nicht bis 70 arbeiten können. Aber jemand, der in einem Büro sitzt, der schon!“. Kritik übte der IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban: „Auch im Büro herrschen Personalmangel, Leistungsverdichtung und Hektik.“ Er warf dem Gesamtmetall-Präsidenten vor, die Realität zu ignorieren, in der es schon heute viele Beschäftigte nicht mehr bis zur Regelaltersgrenze schafften.
Flucht in die Rente wegen Arbeitsüberlastung
Der Rentenexperte und Rechtsanwalt Peter Knöppel aus Halle kommentiert Wolfs Angriff folgendermaßen: “Von Arbeitsverdichtung, Stress, Druck und hohem Krankenstand bei Büroangestellten hat Herr Wolf noch nichts gehört, sonst würde er einen solchen Vorschlag nicht machen.”
Knöppel erläutert: “Arbeitsüberlastung vorwiegend bei Büroangestellten führt zur Flucht in die Rente, vor allem auch in die Krankheit, Arbeitslosigkeit und dann Rente wegen Erwerbsminderung. Ganz schlechte Idee Herr Wolf.”
Wirtschaftsverbände wollen Rentensituation verschärfen
Der Rechtsanwalt sieht Wolfs Übergriff als Baustein innerhalb einer Strategie der Bosse gegen die arbeitende Bevölkerung: “Die nächste „Rentensau“ wird durch das Dorf getrieben. Die Rente mit 63 soll abgeschafft werden, die Rente mit 70 eingeführt und die Mütterrente 1 und 2 beendet werden. Die Lobbyisten der Wirtschaftsverbände beabsichtigen einen sozialpolitischen Kahlschlag herbeizuführen.”
Arbeitnehmer sollen mehr und länger arbeiten
Wolf fordert außerdem, dass Erwerbstätige mehr, und Jüngere länger arbeiten. Der IG Metall Vorstand Urban meint dazu: “Der Schlüssel für ein längeres und gesünderes Arbeiten liegt an den konkreten Arbeitsbedingungen im Betrieb!”
Forderung nach Rente mit 70 verantwortungslos
Wolfs Forderungen nach einer Rente ab 70 sind nicht neu, bereits 2021 stellte er diese Forderung. Auch damals wehrte sich die IG Metall gegen diesen Vorstoß und schrieb: „Die Forderung von Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf ist schlichtweg verantwortungslos und ein erneuter Beleg für die Ignoranz gegenüber den sozialen Zukunftssorgen der Belegschaften. (…) Wir wissen, dass bereits heute ein Großteil der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie die heutige Altersgrenze nicht erreicht. Und das Ausscheiden vor der Regelaltersgrenze heißt für viele Abschläge bei der Rente.”
Bei Rente mit 70 droht vielen Menschen Altersarmut
Da viele Beschäftigte es nicht leisten können, bis zum siebzigsten Lebensjahr zu arbeiten, wäre die Folge – laut der IG Metall – Verarmung im Alter durch gekürzte Renten.
So schrieb die IG Metall 2021 als Antwort auf Wolfs Forderung nach einem noch späteren Renteneintritt: “Eine weitere Anhebung der Altersgrenze würde das Problem erheblich verschärfen. Rente mit 70 bedeutet nicht mehr ältere Beschäftigte im Betrieb, sondern mehr Rentnerinnen und Rentner mit gekürzten Renten! Ich weiß nicht, was Herr Wolf sich dabei denkt, aber eines steht fest: Soziale Verantwortung und Sozialpartnerschaft sieht anders aus.“