Rente am Limit – kommt jetzt der “Boomer-Soli” für Rentner?

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In Deutschland treten derzeit die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre nach und nach in den Ruhestand. Rund 18 Prozent der Bevölkerung des Landes zählen zu dieser sogenannten Boomer-Generation.

Diese Verschiebung belastet das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung, weil auf viele neue Rentenbeziehende vergleichsweise wenige aktive Beitragszahler kommen.

Der Druck auf die Rentenfinanzierung steigt, zugleich wächst die Sorge, dass niedrige Rentenansprüche häufiger nicht zum Leben reichen.

Die Idee des „Boomer-Soli“

Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ein Instrument vorgeschlagen, das gezielt innerhalb der Gruppe der Älteren umverteilen soll: einen „Boomer-Soli“.

Vorgesehen ist ein Solidaritätsbeitrag von 10 Prozent auf monatliche Einkünfte ab 1.048 Euro. Erfasst wären nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch Pensionen, Betriebsrenten, private Altersvorsorge sowie Mieten und Kapitalerträge.

Die Logik ist einfach: Besser gestellte Ruheständlerinnen und Ruheständler würden für finanziell schwächere Altersgruppen mitzahlen und so den Rententopf indirekt entlasten.

Was der Vorschlag bewirken soll

Nach dem vorliegenden Rechenmodell könnte ein solcher Beitrag die Altersarmut in Brandenburg spürbar senken – von derzeit 18 auf 14 Prozent.

Damit wäre immer noch eine relevante Minderheit betroffen, aber die Zahl der Menschen, deren Renteneinkommen nicht reicht, würde sinken.

Zugleich würde der „Boomer-Soli“ das Verteilungsprofil im Alter verändern: Wer im Ruhestand über zusätzliche Einkommen verfügt, gäbe einen Teil zugunsten derjenigen ab, die ausschließlich auf geringe Renten angewiesen sind.

Stimmen aus der Bevölkerung: Solidarität ja, aber mit Grenzen

Viele ältere Menschen bekennen sich grundsätzlich zu Solidarität, verweisen aber darauf, dass sie ihre Altersvorsorge langfristig geplant, Beiträge geleistet und privat vorgesorgt haben.

Gerda Rose (71): “Ich habe jahrelang in die Rente eingezahlt. Sie ist eh schon zu gering. Müsste ich jetzt noch einen Soli ableisten, müsste ich zur Tafel gehen und um Essen betteln.”

Aus ihrer Sicht gefährdet eine pauschale Abgabe die Planbarkeit und den Vertrauensschutz.

Gleichzeitig gibt es aber die Erwartung, dass sehr gut abgesicherte Ruheständler eher einen zusätzlichen Beitrag leisten könnten als diejenigen, die nur knapp über Mindestsicherungsniveaus liegen.

Soziale Träger fordern breitere Reformen

Wohlfahrtsverbände begrüßen zielgenaue Hilfen gegen Altersarmut, warnen aber vor einer zu engen Fokussierung. Sie verweisen auf strukturelle Fragen: In Deutschland zahlen nicht alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung ein; insbesondere Beamte sind ausgenommen und beziehen später steuerfinanzierte Pensionen.

Wer die Finanzierung dauerhaft stabilisieren will, so das Argument, müsse das System breiter aufstellen und langfristig alle Erwerbsgruppen an einer gemeinsamen Alterssicherung beteiligen oder zumindest die Lasten gerechter verteilen.

Ökonomische und rechtliche Einwände

Wirtschaftswissenschaftler mahnen zur Vorsicht. Der „Boomer-Soli“ wäre faktisch eine zusätzliche Abgabe, die ausschließlich Rentnerinnen und Rentner träfe.

Das wirft rechtliche Fragen auf, etwa mit Blick auf Gleichbehandlung und steuersystematische Einordnung. Kritiker sprechen von einer „verkappten Steuer“ und sehen potenzielle verfassungsrechtliche Risiken, wenn eine spezifische Gruppe ohne hinreichende Rechtfertigung besonders belastet wird.

Überdies droht ein Abgrenzungsproblem: Wo genau verläuft die Grenze zwischen notwendiger Solidarität und einer Doppelbelastung jener, die bereits vorgesorgt haben?

Verteilungswirkungen und Treffsicherheit

Entscheidend ist, wie treffsicher der Beitrag ausgestaltet wird. Der vorgeschlagene Schwellenwert von 1.048 Euro liegt nicht weit oberhalb dessen, was viele alleinstehende Rentnerinnen und Rentner monatlich zur Verfügung haben.

Wird zu tief angesetzt, geraten Menschen ins Visier, die nur knapp über Mindestsicherung liegen und selbst empfindlich auf Abzüge reagieren. Wird zu hoch angesetzt, sinkt die fiskalische Wirkung.

Hinzu kommt die administrative Komplexität: Alle relevanten Alterseinkünfte – von Pensionen über Mieten bis zu Kapitalerträgen – müssten zuverlässig erfasst, zusammengeführt und veranlagt werden, ohne neue Schlupflöcher zu eröffnen oder den bürokratischen Aufwand ausufern zu lassen.

Jenseits des „Entweder-oder“: Kombinationswege

Praktisch könnte eine Lösung in der Kombination liegen: kurzfristig wirksame, zielgerichtete Entlastungen gegen Altersarmut, flankiert von strukturellen Reformen. Dazu zählen bessere Erwerbschancen, höhere Löhne und eine Stärkung betrieblicher und privater Vorsorge, damit künftige Rentenansprüche steigen.

Denkbar wäre auch, die Finanzierung stärker aus progressiven Steuern zu speisen, wenn verfassungsrechtliche Risiken eines exklusiven Seniorenbeitrags überwiegen. Jede Variante muss die Balance halten zwischen Wirksamkeit, Gerechtigkeit und Akzeptanz.

Was auf dem Spiel steht

In Brandenburg kann nach heutiger Datenlage etwa jede siebte Rentnerin oder jeder siebte Rentner von der Rente allein nicht leben. Der Handlungsdruck ist entsprechend hoch. Ein „Boomer-Soli“ verspricht kurzfristige Linderung, wirft aber rechtliche und verteilungspolitische Folgefragen auf.

Systemische Reformen versprechen mehr Nachhaltigkeit, brauchen jedoch Zeit und politischen Konsens. Klar ist nur: Die demografischen Kosten kommen – und sie müssen so getragen werden, dass Planbarkeit, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit zusammengehen.

Fazit

Der „Boomer-Soli“ ist ein provokanter, zielgerichteter Vorschlag mit potenziell spürbarer Wirkung gegen Altersarmut. Zugleich trifft er empfindliche Punkte: die finanzielle Planbarkeit im Alter, die Gleichbehandlung verschiedener Berufsgruppen und die saubere Einbindung in das Steuer- und Transfersystem.

Ob er am Ende tragfähig ist, entscheidet sich nicht an der Überschrift, sondern an den Details der Ausgestaltung – und daran, ob er in ein breiteres, generationengerechtes Konzept eingebettet wird, das sowohl die soziale Wirklichkeit vieler Älterer als auch die Leistungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft ernst nimmt.