Rentensplitting klingt für viele Paare mit ungleichen Erwerbsbiografien zunächst fair: Der Partner mit der „dicken“ Rentenbiografie gibt Entgeltpunkte ab, der andere bekommt mehr eigene Rente.
Entscheidend ist aber, was diese Aufteilung später für die klassische Hinterbliebenenrente und für Leistungen wie Grundsicherung im Alter oder Bürgergeld im Rentner-Haushalt bedeutet. Genau hier liegen die eigentlichen Fallstricke.
Inhaltsverzeichnis
Was beim Rentensplitting rechtlich passiert
Beim Rentensplitting werden die während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte beider Partner zusammengezählt und anschließend hälftig geteilt. Der Partner mit der höheren Rentenanwartschaft gibt Punkte ab, der andere erhält Punkte hinzu, die Gesamtsumme aus der Ehezeit bleibt gleich.
Das Splitting kann nur gewählt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zum Beispiel wenn beide Partner bereits eine Altersvollrente beziehen oder wenn ein Partner verstorben ist und der andere eine Alters- oder Erwerbsminderungsrente erhält. Die Erklärung zum Rentensplitting ist endgültig und kann nicht widerrufen werden.
Mit dieser Entscheidung entfällt dauerhaft der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente aus dieser Ehe. Damit wechselt das System von einer hohen Versichertenrente plus möglicher Hinterbliebenenrente hin zu zwei eigenständigen Altersrenten.
Klassische Hinterbliebenenrente: Schutzfunktion für den schwächeren Partner
Im klassischen System sichert die Hinterbliebenenrente den wirtschaftlich schwächeren Partner ab. Die große Witwen- oder Witwerrente liegt in der Regel bei 55 Prozent der Rente des Verstorbenen, hinzu kommt die eigene Rente des Hinterbliebenen. Zwar wird eigenes Einkommen angerechnet, es gibt jedoch Freibeträge, die einen Teil der Rente schützen.
Diese Konstruktion ist darauf angelegt, dass der Tod des besser verdienenden Partners die wirtschaftliche Existenz des anderen nicht komplett wegreißt. Besonders in Ein-Verdiener-Ehen ist die Hinterbliebenenrente oft der zentrale Baustein der Alterssicherung.
Eigenständige Splittingrente: Unabhängig von Ehe und Wiederheirat
Beim Rentensplitting gibt es diese Hinterbliebenenrente nicht mehr. Beide Partner erhalten von Beginn an eine eigene Rente, die durch das Splitting angepasst wurde. Diese eigene Rente hängt nicht mehr vom Fortbestand der Ehe ab und fällt bei Wiederheirat nicht weg. Sie unterliegt auch nicht den besonderen Kürzungsmechanismen der Hinterbliebenenrente.
Für Paare mit sehr ungleichen Erwerbsbiografien ist diese Weichenstellung entscheidend. Es geht nicht nur um ein „gerechtes Teilen“ in der gemeinsamen Zeit, sondern vor allem darum, wie gut der wirtschaftlich schwächere Partner nach dem Tod des stärkeren abgesichert ist und welche Art von Anspruch dann tatsächlich existiert.
Beispielrechnung: So verschiebt sich die Rente durch Splitting
Zur Einordnung hilft ein Beispiel mit Entgeltpunkten. Angenommen, ein Entgeltpunkt ist mit rund 40,79 Euro monatlich bewertet. Partner A hat in der Ehezeit 40 Entgeltpunkte erworben, Partner B nur 5 Entgeltpunkte, jeweils ausschließlich aus der gemeinsamen Ehezeit.
Ohne Rentensplitting erhält Partner A später eine Rente von etwa 1.631 Euro brutto, Partner B rund 204 Euro brutto. Mit Rentensplitting werden die 45 Entgeltpunkte zusammengezählt und hälftig geteilt. Jeder Partner erhält 22,5 Entgeltpunkte und damit eine eigene Rente von jeweils rund 918 Euro brutto. Die Summe beider Renten ist nahezu identisch mit der Ausgangssituation, die Verteilung verschiebt sich jedoch deutlich zugunsten des bislang schwächeren Partners.
Wenn der Hauptverdiener stirbt: Splittingrente gegen Witwenrente
Die eigentliche Bruchstelle zeigt sich, wenn Partner A verstirbt. Im klassischen Modell ohne Rentensplitting hätte Partner B seine kleine eigene Rente von etwa 204 Euro und zusätzlich die große Witwen- oder Witwerrente von rund 897 Euro. Zusammen sind das grob 1.100 Euro brutto.
Beim Rentensplitting entfällt die Hinterbliebenenrente vollständig. Partner B behält lediglich die eigene Splittingrente von etwa 918 Euro brutto. In einem Ein-Verdiener-Modell mit stark ungleichen Ansprüchen ist das Splitting damit in vielen Fällen ein deutlicher Nachteil für den Hinterbliebenen.
Vorteile kann das Splitting dort haben, wo absehbar ist, dass eine spätere Hinterbliebenenrente wegen hohen eigenen Einkommens stark gekürzt würde, bei Wiederheirat komplett wegfiele oder wo aus persönlichen Gründen eine möglichst unabhängige eigene Rente wichtiger ist als ein Hinterbliebenenanspruch.
Grundsicherung im Alter: Bedarf, Einkommen und Freibetrag
Grundsicherung im Alter richtet sich nach Bedarf und Einkommen des gesamten Haushalts. Zum Einkommen gehören sämtliche Renten, egal ob eigene Altersrente, Hinterbliebenenrente oder Splittingrente. Zusätzlich gibt es einen Freibetrag für gesetzliche Renten, wenn mindestens 33 Jahre mit bestimmten rentenrechtlichen Zeiten vorliegen.
Ein Sockelbetrag und ein Teil des darüber hinausgehenden Rentenbetrags bleiben dann anrechnungsfrei. Dieser Freibetrag gilt sowohl für eigene Altersrenten als auch für Hinterbliebenenrenten, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
Auf dem Papier klingt das kompliziert. In der Praxis entscheidet eine einfache Frage: Reicht die Rente, um Regelbedarf und Miete zu decken, oder muss die Grundsicherung einspringen?
Praxisbeispiel: Rente und Grundsicherung im direkten Vergleich
Nehmen wir an, eine alleinstehende Person hat einen monatlichen Gesamtbedarf aus Regelbedarf und Miete von 1.100 Euro.
In der Variante ohne Rentensplitting liegt die Hinterbliebenenrente bei etwa 1.100 Euro. Der Bedarf ist damit vollständig durch die Rente gedeckt. Grundsicherung wird höchstens in geringem Umfang benötigt, etwa wenn Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung oder besondere Mehrbedarfe den Bedarf leicht erhöhen. Die Person lebt im Wesentlichen von ihrer Rente und ist nur wenig auf das Sozialamt angewiesen.
In der Variante mit Rentensplitting liegt die Splittingrente des Hinterbliebenen bei rund 900 Euro. Der Bedarf von 1.100 Euro ist damit nicht gedeckt, es fehlen 200 Euro. Diese 200 Euro würde die Grundsicherung im Alter in der Regel ausgleichen, soweit keine weiteren Einkommen vorhanden sind.
Am Ende stehen wieder ungefähr 1.100 Euro zur Verfügung, dieses Mal jedoch geteilt in 900 Euro Rente und 200 Euro Grundsicherung.
Der finanzielle Unterschied ist gering, der rechtliche und psychologische Unterschied aber spürbar. In der Splitting-Variante hängt der Lebensunterhalt dauerhaft von einer bedarfsgeprüften Sozialleistung ab. Wer dies vermeiden möchte und die Anspruchshöhe der Hinterbliebenenrente sichern kann, ist mit dem klassischen Modell oft besser aufgestellt.
Bürgergeld im Rentner-Haushalt: gemischte Bedarfsgemeinschaft
In vielen Haushalten bezieht ein Partner bereits eine Alters- oder Erwerbsminderungsrente, während der andere Bürgergeld erhält. In dieser gemischten Bedarfsgemeinschaft wird die Rente des älteren Partners als Einkommen angerechnet, unabhängig davon, ob es sich um eine normale Altersrente, eine Hinterbliebenenrente oder eine Splittingrente handelt.
Das Bürgergeld ergänzt lediglich den Unterschied zwischen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und dem gesamten anrechenbaren Einkommen. Solange beide zusammen im Haushalt leben, ändert das Rentensplitting an der Gesamtsumme, die im Haushalt ankommt, meist wenig.
Es verschiebt vor allem, wie sich das Einkommen auf die Personen verteilt. Relevant wird diese Verteilung, wenn sich die Lebenssituation ändert, etwa durch Trennung, Tod eines Partners oder dadurch, dass der bislang erwerbsfähige Partner selbst in Rente geht.
Typische Konstellationen: Wo Splitting eher schadet
In klassischen Ein-Verdiener-Ehen mit einer sehr hohen Rente des einen Partners und nur wenigen Entgeltpunkten des anderen ist das Rentensplitting in der Regel riskant. Die spätere Hinterbliebenenrente wäre häufig deutlich höher als die alleinige Splittingrente des schwächeren Partners.
Wer hier auf die Hinterbliebenenrente verzichtet, verzichtet in vielen Fällen auf einen zentralen Schutzmechanismus der gesetzlichen Rente.
Auch dann, wenn das gemeinsame Alterseinkommen klar über dem Grundsicherungsniveau liegt und voraussichtlich keine ergänzenden Sozialleistungen benötigt werden, ist der Verzicht auf eine hohe Hinterbliebenenrente oft ein deutlicher Verlust. Besonders gefährlich wird es, wenn das Splitting nur aus einem diffusen Gefühl von „Gerechtigkeit“ gewählt wird, ohne die Zahlen durchzurechnen.
Konstellationen, in denen Splitting diskutiert werden kann
Anders sieht es aus, wenn beide Partner mittlere Rentenansprüche haben und keiner extrem stark zurückliegt. In solchen Fällen kann das Splitting zu zwei stabilen, eigenständigen Renten führen, ohne dass eine Seite massiv verliert.
Diskutiert werden kann das Splitting auch dort, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit eine spätere Wiederheirat geplant oder zumindest nicht ausgeschlossen ist und die Hinterbliebenenrente dadurch ohnehin entfallen würde. In solchen Situationen kann eine kräftigere eigene Rente attraktiver sein als ein Hinterbliebenenanspruch, der im Fall einer neuen Ehe verschwindet.
Auch in Haushalten, in denen schon heute klar ist, dass Grundsicherung oder ergänzendes Bürgergeld im Alter eine dauerhafte Rolle spielen werden, verschiebt sich der Blick.
Dort geht es weniger darum, ob am Ende 50 oder 100 Euro mehr Rente zufließen, sondern darum, wie stark die Abhängigkeit vom Sozialamt ist und wie viel eigene, nicht bedarfsgeprüfte Rente überhaupt aufgebaut werden kann.
Strategische Frage: Hinterbliebenenschutz oder eigenständige Rente?
Im Endeffekt geht es beim Rentensplitting für Paare mit ungleichen Erwerbsbiografien immer um eine strategische Entscheidung. Priorisiert das Paar den Hinterbliebenenschutz, ist die klassische Kombination aus hoher Versichertenrente und späterer Hinterbliebenenrente meist die sicherere Variante.
Legt der wirtschaftlich schwächere Partner dagegen besonderen Wert auf eine eigenständige Rente, die keiner Ehe und keiner Wiederheirat „gehört“ und auch nicht an die Biografie des anderen gekoppelt ist, kann das Splitting ein Instrument sein, das man zumindest durchrechnen sollte. Entscheidend ist, dass diese Abwägung auf Zahlen basiert und nicht nur auf einem abstrakten Gerechtigkeitsempfinden.
Ohne DRV-Proberechnung keine Entscheidung treffen
Das Rentensplitting ist endgültig und schließt die Hinterbliebenenrente aus. Paare sollten diese Option deshalb nie spontan oder aus dem Bauch heraus wählen. Die Deutsche Rentenversicherung bietet individuelle Beratungen mit Proberechnungen an.
Dort lässt sich konkret sehen, wie hoch die Renten beider Partner mit und ohne Splitting wären, wie eine Witwen- oder Witwerrente ausfallen würde und welche Auswirkungen Grundsicherung oder Bürgergeld später auf die Gesamtsituation haben können.
Gerade bei sehr ungleichen Erwerbsbiografien und bei der realistischen Gefahr, im Alter auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen zu sein, ist diese individuelle Rechnung entscheidend. Rentensplitting ist keine automatische gerechte Lösung, sondern eine weitreichende Weichenstellung zwischen Hinterbliebenenschutz, eigenständiger Rente und der späteren Rolle von Grundsicherung oder Bürgergeld.



