Ein volljähriges Kind verdient 1.500 Euro im Monat im Nebenjob – und die Eltern bekommen Post von der Familienkasse. Viele haben dann sofort Angst, dass „das Kindergeld weg ist, weil das Kind zu viel verdient“. Diese Sorge stammt aus alten Zeiten:
Die frühere Einkommensgrenze ist abgeschafft. Heute entscheidet fast nie das Gehalt, sondern der Ausbildungsstatus und – in bestimmten Fällen – die Wochenarbeitszeit. Nur bei Kindern mit Behinderung spielt das tatsächliche Einkommen wieder eine wichtige Rolle.
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Kind verdient gut – spielt das beim Kindergeld überhaupt noch eine Rolle?
Bis Ende 2011 gab es beim Kindergeld eine feste Einkünfte- und Bezügegrenze von 8.004 Euro im Jahr. Wer als volljähriges Kind mehr verdiente, ließ seine Eltern aus dem Kindergeldbezug fallen.
Diese Grenze wurde mit dem Steuervereinfachungsgesetz ab 1. Januar 2012 ersatzlos gestrichen. Seitdem dürfen volljährige Kinder in Ausbildung grundsätzlich unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass allein deswegen der Kindergeldanspruch verloren geht.
Damit ist die typische Aussage „Dein Kind verdient zu viel, deswegen gibt es kein Kindergeld mehr“ in der Regel schlicht falsch. Entscheidend ist heute, ob das Kind überhaupt einen begünstigten Status hat: Schule, Erstausbildung, Erststudium, Zweitausbildung mit eingehaltenen Bedingungen, Übergangszeit oder Behinderung.
Rechtsgrundlage: Was heute wirklich über den Anspruch entscheidet
Rechtsgrundlage ist § 32 Absatz 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Danach werden volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder studieren. Für Kinder mit Behinderung gelten besondere, teils zeitlich unbegrenzte Regeln.
Die frühere Einkommensprüfung taucht in dieser Vorschrift nicht mehr auf; sie wurde durch Kriterien wie Erstausbildung, Zweitausbildung und die 20-Stunden-Grenze beim Arbeiten neben der Zweitausbildung ersetzt.
Für die Praxis heißt das: Solange der gesetzliche Status passt, darf das Kind gut verdienen, ohne dass die Familienkasse die Höhe des Gehalts als K.O.-Kriterium nutzen darf – mit der Ausnahme der Fälle mit Behinderung.
Erstausbildung und Erststudium: Hohe Nebenverdienste sind unschädlich
Befindet sich das volljährige Kind in seiner ersten Berufsausbildung oder im Erststudium, ist die Lage klar. In dieser Phase ist das Einkommen des Kindes für den Kindergeldanspruch grundsätzlich irrelevant. Weder ein gut bezahlter Minijob noch ein Werkstudierendenvertrag mit 1.800 Euro brutto im Monat schaden dem Anspruch, solange die Ausbildung ernsthaft betrieben wird und die übrigen Voraussetzungen (Alter, Dauer) erfüllt sind.
Typische Konstellationen, in denen die Eltern trotz hohen Verdienstes Kindergeld behalten:
Ein 19-jähriger Schüler arbeitet am Wochenende in der Gastronomie und kommt auf 900 Euro im Monat, besucht aber regulär die Oberstufe. Entscheidend ist sein Schülerstatus, nicht sein Einkommen.
Eine 22-jährige Auszubildende erhält eine hohe tarifliche Vergütung von 1.450 Euro brutto, weil ihr Betrieb überdurchschnittlich bezahlt. Die Ausbildungsvergütung ist unschädlich, der Anspruch auf Kindergeld bleibt.
Ein 23-jähriger Student im Erststudium arbeitet 18 Stunden pro Woche als Werkstudent in der IT und verdient weit mehr als den früheren Jahresgrenzbetrag. Maßgeblich ist sein Status als Student in der Erstausbildung; die Höhe seines Verdienstes darf die Familienkasse nicht gegen ihn verwenden.
In all diesen Fällen hätte eine Begründung der Familienkasse mit „zu hohem Einkommen“ keine rechtliche Grundlage.
Zweitausbildung und Zweitstudium: 20-Stunden-Grenze statt Gehaltsdeckel
Komplexer wird es, sobald eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen ist. Dann prüft die Familienkasse, ob das Kind mit einer weiteren Ausbildung noch begünstigt ist oder ob eine „anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit“ vorliegt.
Der Kernpunkt lautet: Nach Abschluss der Erstausbildung löst eine Zweitausbildung nur dann Kindergeld aus, wenn daneben keine oder nur eine Erwerbstätigkeit von regelmäßig höchstens 20 Stunden pro Woche ausgeübt wird. Alternativ sind bestimmte Konstellationen wie Minijob oder ein neues Ausbildungsverhältnis unschädlich.
Entscheidend ist auch hier nicht, wie hoch das Gehalt ist, sondern wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet wird. Ein sehr gut bezahlter 18-Stunden-Job kann unschädlich sein, während eine eher schlecht bezahlte 30-Stunden-Tätigkeit den Kindergeldanspruch beseitigt, weil der Schwerpunkt dann auf der Erwerbstätigkeit liegt.
Ein Beispiel verdeutlicht das:
Eine 24-jährige hat eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung und beginnt ein berufsbegleitendes Zweitstudium. Sie arbeitet 18 Stunden pro Woche in einem Unternehmen und verdient 1.800 Euro brutto. Weil sie die 20-Stunden-Grenze einhält, kann die Zweitausbildung kindergeldrechtlich anerkannt werden. Das hohe Gehalt spielt keine Rolle.
Ein gleichaltriger junger Mann schließt ebenfalls eine Erstausbildung ab und studiert danach weiter. Er arbeitet daneben 30 Stunden pro Woche im Einzelhandel, verdient aber nur knapp über Mindestlohn. Hier ist die hohe Wochenarbeitszeit schädlich: Die Familienkasse kann den Kindergeldanspruch verneinen, weil der Schwerpunkt auf der Erwerbstätigkeit liegt.
Übergangszeiten, Wartesemester und Freiwilligendienste: Arbeiten erlaubt
Auch in Phasen zwischen zwei Ausbildungsabschnitten kann Kindergeld gezahlt werden. Gesetzlich vorgesehen sind Übergangszeiten von bis zu vier Monaten, etwa zwischen Abitur und Beginn der Ausbildung oder des Studiums.
Für diese Übergangszeiten kommt es primär darauf an, dass der Anschluss gesichert ist, etwa durch einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag oder eine Studienzulassung. Die Höhe des Verdienstes ist auch hier nebensächlich; wichtiger ist, dass die Voraussetzungen für eine anerkannte Übergangszeit erfüllt sind.
Ähnliches gilt in Wartesemestern, in denen das Kind nachweisbar auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz wartet, sowie bei gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten.
Ein gut bezahlter Job während eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendienstes ändert daran nichts: Anspruchsauslösend ist der Dienst selbst, nicht die Höhe einer Vergütung.
Für Eltern lohnt es sich, bei Schreiben der Familienkasse genau zu prüfen, ob die Behörde tatsächlich den Status und die Zeitgrenzen kontrolliert oder fehlerhaft auf die Höhe des Einkommens abstellt.
Arbeitslos gemeldete Kinder: Wenn zu viel Job den Status kippt
Es gibt eine Konstellation, in der ein hoher Arbeitsumfang zwar nicht direkt, aber indirekt das Kindergeld gefährden kann: volljährige Kinder, die als arbeitsuchend gemeldet sind.
Für diesen Status ist entscheidend, dass das Kind grundsätzlich zur Verfügung steht und nicht bereits faktisch voll erwerbstätig ist. In der Praxis orientieren sich Behörden häufig an einer Grenze von bis zu 15 Wochenstunden.
Wer deutlich mehr arbeitet, verliert damit den Status als arbeitsuchend. Dann entfällt diese Anspruchsgrundlage für Kindergeld, weil kein begünstigter Tatbestand mehr vorliegt.
Auch hier zerstört der Umfang der Arbeit den Status, nicht die Gehaltshöhe. Ein schlecht bezahlter, zeitlich umfangreicher Job kann daher schädlicher sein als eine sehr gut bezahlte, aber zeitlich begrenzte Tätigkeit.
Sonderfall Behinderung: Wann eigenes Einkommen den Anspruch kippen kann
Die Ausnahme von der Regel „Einkommen des Kindes ist egal“ sind volljährige Kinder mit Behinderung. Hier prüft die Familienkasse ausdrücklich, ob das Kind trotz Behinderung in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Grundsätzlich kann für Kinder mit einer Behinderung, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, Kindergeld zeitlich unbegrenzt gezahlt werden. Voraussetzung ist aber, dass das Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Dazu werden sämtliche Einkünfte und Bezüge des Kindes – etwa Lohn, Erwerbsminderungsrente, Unterhalt oder bestimmte Sozialleistungen – mit dem notwendigen Lebensbedarf verglichen.
Ab 2025 orientiert sich die Berechnung unter anderem am Grundfreibetrag von 12.084 Euro im Jahr. Liegt das gesamte verfügbare Einkommen des Kindes deutlich darüber und bestehen keine außergewöhnlichen behinderungsbedingten Mehrbedarfe, kann die Familienkasse zu dem Ergebnis kommen, dass das Kind sich selbst unterhalten kann. In diesem Fall kann der Kindergeldanspruch entfallen.
In vielen Fällen ist die Lage aber komplexer. Hohe Kosten für Assistenz, Hilfsmittel, Therapien oder besondere Wohnsituationen können dazu führen, dass trotz eines ansehnlichen Einkommens eine Unterdeckung bleibt.
Dann ist weiterhin kein vollständiger Selbstunterhalt gegeben und das Kindergeld kann weiter gezahlt werden. Die Rechtsprechung – einschließlich Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Selbstunterhaltsfähigkeit behinderter Kinder – betont, dass immer der individuelle Bedarf zu betrachten ist.
Für Eltern bedeutet das: Nur im Bereich Behinderung ist das hohe Einkommen des Kindes tatsächlich ein Prüfpunkt, aber selbst hier führt es nicht automatisch zum Wegfall des Kindergeldes, sondern muss in Relation zu den tatsächlichen Bedarfen gesehen werden.
Was Eltern bei Schreiben der Familienkasse konkret tun sollten
Wer Post von der Familienkasse bekommt, in der plötzlich das Einkommen des volljährigen Kindes im Mittelpunkt steht, sollte nicht vorschnell aufgeben. Zunächst ist zu klären, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Familienkasse den Anspruch überprüfen möchte.
Befindet sich das Kind in Erstausbildung oder Erststudium, kann man der Familienkasse klar entgegenhalten, dass eine Einkommensgrenze seit 2012 nicht mehr existiert und allein die Höhe des Verdienstes kein zulässiges Argument ist.
In Zweitausbildungsfällen sollte genau dokumentiert werden, wie viele Stunden das Kind tatsächlich wöchentlich arbeitet und ob die 20-Stunden-Grenze regelmäßig eingehalten wird. Stundenpläne, Arbeitsverträge und Lohnabrechnungen helfen, den Schwerpunkt auf der Ausbildung zu belegen.
Bei einem Kind mit Behinderung geht es dagegen darum, den tatsächlichen Lebensbedarf präzise darzustellen. Hier sollten Eltern behinderungsbedingte Mehrkosten sammeln und belegen, etwa für Hilfsmittel, Therapien, Assistenz oder besondere Wohnformen.
Dann lässt sich gegenüber der Familienkasse nachvollziehbar argumentieren, dass das Kind trotz formal hohem Einkommen weiterhin auf Unterstützung angewiesen ist.
Fazit: Gut verdienendes Kind – meistens kein Problem, aber Status genau prüfen
Die frühere starre Einkommensgrenze gehört der Vergangenheit an. In der Erstausbildung ist die Höhe des Verdienstes praktisch bedeutungslos. In der Zweitausbildung entscheidet vor allem die wöchentliche Arbeitszeit, nicht der Kontostand. In Übergangszeiten, Wartesemestern und Freiwilligendiensten zählt der jeweilige Status.
Nur im Sonderfall Behinderung rückt das Einkommen des Kindes wieder stärker in den Vordergrund. Dort kann ein sehr hohes Einkommen den Kindergeldanspruch gefährden, muss aber immer am individuellen Bedarf gemessen werden.
Für Eltern mit volljährigen, gut verdienenden Kindern heißt das: Nicht jede Gehaltserhöhung des Kindes ist ein Grund zur Sorge. Entscheidend ist, ob Ausbildung oder Studium sauber eingeordnet sind, ob die relevanten Stundenobergrenzen eingehalten werden und ob bei Behinderung der tatsächliche Bedarf realistisch dokumentiert ist.
Wer diese Punkte im Blick behält, kann gegenüber der Familienkasse selbstbewusst auftreten und verhindern, dass ein längst überholter „Kind verdient zu viel“-Mythos zum Grund für den Verlust von Kindergeld wird.



