Viele Menschen verlassen sich auf die gesetzliche Rente, ohne deren Funktionsweise genau zu verstehen. Dabei halten sich hartnäckig falsche Annahmen – von der Höhe der Zahlungen bis hin zur angeblichen Steuerfreiheit.
Wer sich auf diese Mythen verlässt, riskiert Einbußen im Alter. Wir klären über acht häufige Renten-Irrtümer auf – und zeigen, wie Sie sich besser vorbereiten können.
Inhaltsverzeichnis
Warum sich ein genauer Blick auf die Rente lohnt
Obwohl das Vertrauen in die gesetzliche Altersvorsorge schwindet, ist sie nach wie vor eine tragende Säule im Ruhestandsystem. Doch wer ausschließlich darauf baut, riskiert finanzielle Engpässe. Gerade jüngere Erwerbstätige sollten nicht den Fehler machen, die Rente zu ignorieren – vielmehr lohnt es sich, gängige Fehlannahmen kritisch zu hinterfragen und individuelle Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen.
1. Rentenniveau = 48 % vom letzten Gehalt? Irrtum!
Das sogenannte Rentenniveau von derzeit rund 48 % beschreibt nicht, wie viel Prozent Ihres letzten Bruttogehalts Sie später als Rente erhalten. Es handelt sich um eine statistische Kennzahl für einen Standardfall: 45 Jahre Einzahlung bei Durchschnittsverdienst.
Fakt: Nur wer durchgehend über Jahrzehnte einzahlt und exakt den Durchschnitt verdient, nähert sich diesem Wert. Die Mehrheit der Versicherten liegt deutlich darunter – etwa wegen Teilzeitarbeit, Elternzeit oder längerer Ausbildungsphasen.
2. Die letzten Jahre vor der Rente zählen am meisten? Falsch gedacht
Viele glauben, dass ein hohes Gehalt in den letzten Arbeitsjahren die Rentenhöhe massiv beeinflusst. Doch die Rente ergibt sich aus der Summe aller Rentenpunkte – gesammelt über das gesamte Berufsleben.
Hintergrund: Rentenpunkte orientieren sich am jährlichen Einkommen im Vergleich zum Durchschnitt. Spitzengehälter kurz vor Renteneintritt wiegen wenig, wenn lange Jahre unterdurchschnittlich verdient wurde.
3. Rentenzahlungen sind steuerfrei? Schon lange nicht mehr
Seit 2005 unterliegen Renten der schrittweisen Besteuerung. Wer 2040 oder später in Rente geht, muss seine Bezüge voraussichtlich vollständig versteuern.
Vorteil im Erwerbsleben: Rentenbeiträge können inzwischen vollständig steuerlich geltend gemacht werden. Der Nettoeffekt: mehr Entlastung während der Berufsjahre, aber volle Steuerpflicht im Alter.
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4. Abschlagsfrei mit 63 in Rente? Nur für wenige
Zwar war es früher möglich, mit 63 Jahren ohne Einbußen in den Ruhestand zu gehen – das gilt aber nur noch für Personen, die vor 1953 geboren wurden.
Heute gilt: Nur wer 45 Versicherungsjahre nachweisen kann und je nach Jahrgang mindestens 64 Jahre alt ist, kann abschlagsfrei in Rente gehen. Für alle anderen gibt es bei einem früheren Ruhestand Abschläge: pro Monat 0,3 %, pro Jahr also 3,6 % weniger Rente – dauerhaft.
5. Zur Rente darf man nichts hinzuverdienen? Das Gegenteil ist der Fall
Seit 2023 dürfen Rentner unbegrenzt dazuverdienen – ohne Kürzung der Rentenzahlungen. Wer also weiterarbeitet, kann seinen Lebensstandard erheblich verbessern.
Besonderheit: Beiträge zur Rentenversicherung fallen bei Beschäftigung im Ruhestand nicht mehr an. Das erhöht den Nettoverdienst deutlich.
6. Studienzeit zählt nicht zur Rente? Doch – indirekt
Während des Studiums zahlen die meisten nicht in die Rentenversicherung ein – Rentenpunkte entstehen also keine. Trotzdem kann das Studium als sogenannte Anrechnungszeit berücksichtigt werden.
Nutzen: Bis zu acht Jahre Studienzeit zählen für die Mindestversicherungsdauer von 35 Jahren. Das kann helfen, früher in Rente zu gehen oder bestimmte Leistungen zu beanspruchen.
7. Die Rente wird automatisch ausgezahlt? Nicht ohne Antrag
Wer keinen Antrag stellt, erhält keine Rente – auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Außerdem gilt: Eine verspätete Beantragung bedeutet in vielen Fällen auch den Verlust von Zahlungen.
Empfehlung: Mindestens drei Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn bei der Deutschen Rentenversicherung den Antrag stellen. Ebenso sollten Versicherungszeiten regelmäßig überprüft und fehlende Angaben (z. B. Elternzeit, Ausbildung) nachgetragen werden.
8. „Die Rente ist sicher“? Nur bedingt
Der bekannte Satz des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm wird oft zitiert – doch die Realität ist komplexer. Zwar ist das Rentensystem stabil, doch langfristig sinkt das Rentenniveau: Bis 2036 soll es auf 44,9 % fallen.
Problem: Steigende Lebenserwartung, sinkende Geburtenraten und Inflation verringern die Kaufkraft der Rente. Nach der 72er-Regel halbiert sich der Wert bei 2 % Inflation innerhalb von 36 Jahren.
So verbessern Sie Ihre Rentensituation aktiv
Ein bewusster Umgang mit der gesetzlichen Rente beginnt bei der eigenen Renteninformation. Prüfen Sie regelmäßig Ihre Versicherungszeiten, nutzen Sie Steuervorteile bei Rentenbeiträgen und denken Sie frühzeitig über private Vorsorgestrategien nach.
Tipp: Auf dem Online-Portal der Deutschen Rentenversicherung können Sie Ihren Versicherungsverlauf einsehen und fehlende Angaben nachtragen. Auch der Einsatz betrieblicher Altersvorsorge oder privater Sparpläne bieten zusätzliche Sicherheit.