Pflegegeld: 4000 EUR Zuschuss für Umbaumaßnahmen ab Pflegegrad 1 – auch mehrfach

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Die Möglichkeit, den eigenen Alltag weiterhin in den vertrauten vier Wänden zu gestalten, ist für viele Pflegebedürftige ein wichtiges Anliegen. Seit der Einführung der Pflegeversicherung bildet § 40 Abs. 4 SGB XI die Grundlage dafür:

Für Umbauten, die eine häusliche Pflege erst ermöglichen oder wesentlich erleichtern, stellt die Pflegekasse bis zu 4 000 Euro je Maßnahme zur Verfügung.

Wer in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft lebt, kann die Beträge sogar bündeln – maximal 16 000 Euro pro Projekt, sofern mindestens vier anspruchsberechtigte Personen beteiligt sind.

Was gilt als „wohnumfeldverbessernde Maßnahme“?

Als Maßnahme im Sinn des Gesetzes gilt jeder bauliche oder technische Eingriff, der dauerhaft mit dem Gebäude oder der Wohnung verbunden ist. Dazu zählen etwa der Einbau einer ebenerdigen Dusche, das Verbreitern von Türen für den Rollstuhl oder ein fest installiertes Geländer im Treppenhaus. Gemeinsam ist diesen Eingriffen, dass sie – anders als mobile Hilfsmittel – nicht einfach mitgenommen werden können.

Entscheidend ist ihr Zweck: Sie sollen pflegerische Tätigkeiten erleichtern oder dem Betroffenen eine möglichst eigenständige Lebensführung zurückgeben.

Anspruchsvoraussetzungen im Überblick

Voraussetzung ist zunächst ein anerkannter Pflegegrad. Hinzu kommt, dass mindestens eine der folgenden drei Bedingungen erfüllt sein muss: Die häusliche Pflege wird durch den Umbau überhaupt erst möglich; sie wird erheblich erleichtert oder die Maßnahme stellt eine selbständige Lebensführung wieder her.

Die Pflegekasse lässt jeden Antrag durch den Medizinischen Dienst (MD) begutachten. Dabei wird geprüft, ob die gewünschte bauliche Änderung tatsächlich zur aktuellen Pflegesituation passt.

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Einmalig – und doch wiederholbar

Obwohl das Gesetz von „je Maßnahme“ spricht, ist der Zuschuss keineswegs auf eine einzige Gelegenheit im Leben begrenzt. Vielmehr beginnt mit jeder neuen pflegerischen Situation eine neue Maßnahme.

Verschlechtert sich der Gesundheitszustand, können weitere Umbauten begründet werden – zum Beispiel erst eine Rampe, später der barrierefreie Kücheneinbau und schließlich ein automatischer Türantrieb.

Die Erfahrung zeigt: Wer jede Veränderung sauber als neuen Abschnitt argumentiert und den funktionalen Zusammenhang herstellt, hat gute Chancen, den Zuschuss mehrfach zu erhalten. Die Obergrenze von 4 000 Euro gilt dabei jeweils pro Schritt.

Abgrenzung zu Hilfsmitteln

Immer wieder führt die Frage, ob eine Leistung als Hilfsmittel oder als wohnumfeldverbessernde Maßnahme zu betrachten ist, zu Diskussionen. Mobile Geräte wie Badewannenlifter, Rollatoren oder elektrisch verstellbare Pflegebetten fallen in der Regel in die Hilfsmittelversorgung nach § 40 Abs. 1 SGB XI.

Fest verschraubte Haltegriffe, ein fest montierter Badewannenlift oder eine Rollstuhlrampe gelten hingegen als Wohnumfeldmaßnahme, weil bei ihrem Ausbau Kosten für Demontage und Renovierung entstehen, die der Hilfsmittelkatalog nicht abdeckt.

Antragstellung: schlank, aber stichhaltig

Ein formloses Schreiben an die Pflegekasse genügt, solange es alle Pflichtangaben enthält: Name, Versicherungsnummer, kurze Beschreibung des Vorhabens, begründete Zielsetzung und einen belastbaren Kostenvoranschlag.

Je übersichtlicher, desto besser – denn Ablehnungen entstehen oft aus Detaildiskussionen. Wichtig ist, vorher zu beantragen. Wer eigenmächtig umbaut und erst danach Kostenerstattung verlangt, trägt das Risiko, auf den Ausgaben sitzen zu bleiben, auch wenn einzelne Kassen in Ausnahmesituationen Kulanz zeigen.

Typische Umbauten – Erfahrungen aus der Praxis

Die Palette reicht von der klassischen Rollstuhlrampe über das Absenken von Hängeschränken bis hin zum App-gesteuerten Türschloss, das Menschen mit Tremor oder Muskelschwäche die selbständige Haustüröffnung ermöglicht.

In ambulanten Wohngemeinschaften wird der Zuschuss häufig für Aufzüge oder Treppenlifte zusammengelegt. Daneben gibt es Speziallösungen wie Backöfen mit einschiebbarer Tür, die Rollstuhlfahrer gefahrlos bedienen können.

Dass die Praxis manchmal kreativer ist als der Gesetzestext, zeigt die Diskussion um Komplettangebote: Enthält der Kostenvoranschlag einer barrierefreien Küche standardmäßig einen Kühlschrank, übernehmen viele Kassen den Gesamtpreis, solange der Umbau insgesamt plausibel begründet ist.

Was nicht gefördert wird

Reine Schönheitsreparaturen, ein neuer Heizkessel oder Markisenmotoren bleiben außen vor, ebenso Einrichtungsgegenstände wie Kühlschränke, wenn sie nicht integraler Bestandteil eines barrierefreien Gesamtkonzepts sind. Auch reine Modernisierungen ohne pflegerischen Nutzen fallen nicht unter § 40 Abs. 4. Wer unsicher ist, sollte vorab eine Pflegeberatung in Anspruch nehmen – sie ist nach § 7a SGB XI kostenfrei.

Ein Praxisbeispiel

Helga Müller, 78, wohnt seit über vierzig Jahren in ihrer Mietwohnung im Kölner Agnesviertel. Nachdem bei ihr vor zwei Jahren Morbus Parkinson diagnostiziert wurde, erhielt sie Pflegegrad 2. Anfangs konnte sie ihre Körperpflege mit Hilfe ihrer Tochter noch im vorhandenen Wannenbad bewältigen, doch das stetige Fortschreiten der Erkrankung erschwerte ihr das Einsteigen in die Badewanne zunehmend.

Erste Maßnahme – die barrierefreie Dusche
Der Pflegedienst, der Frau Müller bei der Grundpflege unterstützt, empfahl eine bodengleiche Dusche mit rutschsicherem Bodenbelag und klappbarem Sitz. Ein Sanitärunternehmen veranschlagte 6 960 Euro. Gemeinsam mit ihrer Tochter stellte Frau Müller bei der Pflegekasse einen formlosen Antrag auf eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme und legte den Kostenvoranschlag sowie eine kurze fachliche Stellungnahme des Pflegedienstes bei.

Der Medizinische Dienst bestätigte, dass der Umbau das Risiko von Stürzen senke und die Intimsphäre wahre. Die Pflegekasse bewilligte 4 000 Euro. Die restlichen 2 960 Euro übernahm Frau Müller aus Ersparnissen.

Nach dem Umbau konnte sie – dank des Sitzes und einer Handbrause mit langem Schlauch – wieder allein duschen, die Tochter musste nur noch gelegentlich nach dem Rechten sehen.

Zweite Maßnahme – ein app-gesteuertes Türschloss
Ein Jahr später verschlechterte sich Frau Müllers Feinmotorik. Das Entriegeln der Haustür mit einem Schlüssel gelang ihr kaum noch. Die Tochter installierte zunächst provisorisch ein Zahlencodeschloss, doch der kleine Tastenblock war für Frau Müller schwer zu bedienen.

Ein Schlosser empfahl ein Bluetooth-basiertes System, das den vorhandenen Schlüssel von innen automatisch dreht, sobald sich Frau Müller mit ihrem Smartphone nähert.

Die Gesamtkosten betrugen 2 380 Euro. Erneut stellte die Familie einen Antrag, begründete ihn mit dem drohenden Verlust der Eigenständigkeit und legte den Kostenvoranschlag bei.

Die Pflegekasse erkannte die Maßnahme als eigenständigen Schritt an, weil sich Frau Müllers Gesundheitszustand nachweislich verändert hatte. Der Zuschuss von 2 380 Euro deckte die kompletten Kosten. Seither kann Frau Müller die Haustür ohne fremde Hilfe öffnen – ein bedeutender psychologischer Gewinn.

Dritte Maßnahme – gemeinsamer Treppenlift in einer Senioren-Wohngemeinschaft
Einige Monate später zog Frau Müller in eine ambulant betreute Wohngemeinschaft, nur zwei Straßenzüge entfernt. Dort wohnten bereits drei Pflegebedürftige (Pflegegrade 2 bis 4). Das Altbau-Treppenhaus war der größte Hinderungsgrund: 18 Stufen trennten die Wohnungstür vom Innenhof, den alle WG-Bewohner nutzten. Ein Treppenlift sollte Abhilfe schaffen.

Die Gesamtkosten beliefen sich auf 14 800 Euro. Da nun vier Anspruchsberechtigte beteiligt waren, konnten sie ihre Förderbeträge bündeln: Jeder erhielt den vollen Zuschuss von 4 000 Euro, insgesamt also 16 000 Euro.

Damit deckten sie die gesamten Anschaffungskosten; lediglich die jährliche Wartung von 320 Euro trägt die WG aus der Haushaltskasse. Für Frau Müller bedeutete diese Maßnahme, dass sie den Garten wieder allein erreichen konnte und nicht mehr auf die Hilfe der anwesenden Betreuungskräfte angewiesen war.

Dieses Praxisbeispiel zeigt, wie sich die 4 000-Euro-Regelung modular nutzen lässt, um auf einen fortschreitenden Krankheitsverlauf zu reagieren. Wer die funktionale Begründung sauber formuliert, kann den Zuschuss mehrfach ausschöpfen – immer dann, wenn eine neue pflegerische Situation entsteht.

Fazit

Der Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen ist mit 4 000 Euro pro Schritt eine der effektivsten Leistungen der Pflegeversicherung, weil er Pflegebedürftigen Selbständigkeit sichert und Angehörige entlastet.

Gute Vorbereitung, eine klare Argumentation und ein passgenauer Kostenvoranschlag erhöhen die Bewilligungschancen erheblich. Wer seine Erfahrungen teilt, hilft anderen, kreative Lösungen zu finden – und trägt dazu bei, dass der Zuschuss häufiger abgerufen wird, als es bislang der Fall ist.