Antrag zur falschen Zeit kann die Rente mit Schwerbehinderung gefährden

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Ein einziger Antrag kann entscheiden, ob Menschen mit einer Schwerbehinderung ihre fest eingeplante Altersrente behalten – oder kurz vor dem Ruhestand ohne Anspruch dastehen. Darauf weist der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt hin.

Anhalt warnt vor dem sogenannten Überprüfungs- oder Neufeststellungsantrag nach § 44 SGB X. Wer nämlich kurz vor Rentenbeginn noch schnell den eigenen Grad der Behinderung (GdB) erhöhen oder ein zusätzliches Merkzeichen erhalten möchte, riskiert ungewollt eine vollständige Neubewertung des gesamten Gesundheitszustands durch die Versorgungsbehörde.

Das Verfahren führt nicht selten dazu, dass der GdB unter die entscheidende Marke von 50 fällt – und damit der Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen erlischt.

Hintergrund: Wann die Rente für schwerbehinderte Menschen greift

Anspruch auf die vorgezogene Altersrente haben Versicherte, wenn sie mindestens 35 Beitragsjahre vorweisen und zum Rentenbeginn eine anerkannte Schwerbehinderung mit einem GdB von mindestens 50 haben.

Die Altersgrenze für einen abschlagsfreien Bezug wird – analog zur Regelaltersgrenze – schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Wer bereit ist, lebenslange Abschläge hinzunehmen, kann bis zu drei Jahre früher in Rente gehen.

Wichtig ist jedoch: Die Schwerbehinderung muss nur zum Zeitpunkt des Rentenbeginns vorliegen. Fällt sie danach weg, bleibt der Rentenanspruch unangetastet.

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Der Verschlimmerungsantrag: Rechtliche Möglichkeit mit hohem Risiko

Der Verschlimmerungsantrag eröffnet schwerbehinderten Versicherten die Chance, den Grad der Behinderung zu erhöhen. Er zwingt die Behörde jedoch auch zu einer lückenlosen Neubewertung aller medizinischen Unterlagen – eine „Totalrevision“.

Das Amt darf also nicht nur die beantragte Erhöhung, sondern auch mögliche Verbesserungen des Gesundheitszustands berücksichtigen. Wird eine Besserung festgestellt, kann der GdB herabgesetzt oder die Schwerbehinderung ganz aberkannt werden.

Totalrevision in der Praxis: Ein aktuelles Urteil als Mahnung

Wie schnell eine Herabstufung eintreten kann, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. März 2025 (Az. L 6 SB 835/24).

Die Richter bestätigten den Entzug eines GdB 50 nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist bei einem Weichteilsarkom: Der Betroffene verlor damit zugleich seine Schwerbehinderteneigenschaft.

Eine ähnliche Entscheidung kann auch nach einem eigenständigen Überprüfungsantrag drohen, weil das Verfahren rechtlich identisch verläuft.

Mögliche Konsequenzen für Betroffene

Ein Verlust des GdB 50 kurz vor dem Ruhestand reicht weit über die Rentenfrage hinaus. Der besondere Kündigungsschutz entfällt, steuerliche Erleichterungen fallen weg und – am gravierendsten – der Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen geht verloren.

Betroffene müssen dann auf die Altersrente für langjährig Versicherte ausweichen, was häufig ein zusätzliches Arbeitsjahr und höhere Rentenabschläge bedeutet.

Wie sich das Risiko vermeiden lässt

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt rät, Anträge auf GdB-Erhöhung oder Merkzeichen erst nach erfolgreicher Bewilligung der Rente zu stellen.

Sobald die Rente bewilligt ist, beeinflusst ein späterer Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft den laufenden Bezug nicht mehr. Wer dennoch eine Neubewertung anstoßen möchte, sollte vorher aktuelle, belastbare ärztliche Befunde einholen und das Vorgehen mit Fachärztinnen, Fachärzten und spezialisierten Rechtsanwälten abstimmen.

Ärztlicher und juristischer Beistand ist unverzichtbar

Sowohl bei Verschlechterungs- als auch bei Überprüfungsanträgen lohnt es sich, den individuellen Nutzen sorgfältig gegen die Risiken abzuwägen. Fachmediziner können den tatsächlichen Gesundheitszustand belegen, während versierte Rentenberater prüfen, ob ein Antrag strategisch sinnvoll ist.

Das gilt insbesondere bei Heilungsbewährungsfristen nach schweren Erkrankungen, bei denen die Versorgungsämter routinemäßig Nachuntersuchungen anordnen.

Fazit: Vorsicht und Planung sichern die Rente

Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist ein wichtiger sozialer Ausgleich. Wer kurz vor dem Rentenstart steht, sollte jeden Schritt gegenüber dem Versorgungsamt genau abwägen.

Ein Überprüfungsantrag kann zwar berechtigte Ansprüche verbessern, er birgt aber zugleich das Risiko, die gesamte Rentenplanung zunichtezumachen.

Erst wenn der Rentenbescheid in trockenen Tüchern ist, lassen sich weitere Schritte ohne Gefahr für den Lebensunterhalt planen. Gute Vorbereitung, solide medizinische Nachweise und kompetenter Rechtsrat bleiben die besten Garanten dafür, dass die wohlverdiente Rente nicht in letzter Minute verloren geht.