Neue Reha-Pläne bringen die Erwerbsminderungsrente in Gefahr

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Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union sieht Veränderungen bei der Rente vor. Zur Erwerbsminderungsrente steht in dem Papier zwar wenig, doch ein Satz lässt bei dem Rentenexperten Peter Knöppel die Alarmglocken klingeln.

So steht wörtlich im Vertrag: „Wir wollen mit Reha-Leistungen diejenigen zielgenauer erreichen, die bereits in einer befristeten Erwerbsminderungsrente sind.“

Reha statt Rente

Die gesetzliche Rentenversicherung geht grundsätzlich nach dem Prinzip vor: Reha statt Rente. Bevor die Rentenkasse also einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente anerkennt, verpflichtet sie die Betroffenen dazu, an einer medizinischen Rehabilitation teilzunehmen.

Wenn diese Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit nicht wiederherstellt, dann ist der nächste Schritt die Erwerbsminderungsrente. Die Rehabilitation steht demnach vor der Erwerbsminderungsrente und findet nicht während dieser Rente statt. Genau hier erkennt Peter Knöppel eine massive Gefahr für anerkannte Erwerbsminderungsrentner.

Verlust der Rente durch die Reha?

Eine Erwerbsminderungsrente wird, bis auf Ausnahmen, erst einmal auf drei Jahre befristet ausgestellt. Nach dreimaliger Befristung wird sie in eine unbefristete Erwerbsminderung geändert, falls die Erwerbsfähigkeit sich nicht gebessert hat.

Alle drei Jahre ist sowieso eine Prüfung

Das bedeutet: Bei einer befristeten Erwerbsminderungsrente findet sowieso alle drei Jahre eine Prüfung statt, ob die Leistungsfähigkeit sich geändert hat. Falls sich das Erwerbsvermögen so gebessert hat, dass jemand mehr als drei oder mehr als sechs Stunden arbeiten kann, entfällt der Anspruch auf volle oder teilweise Erwerbsminderung.

Angriff auf die Rente durch die Hintertür?

Rentenanwalt Knöppel befürchtet jetzt, dass eine Reha während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente die Rente selbst in Frage stellt. Denn welchen Zweck sollte eine solche Maßnahme erfüllen, als das, was das Wort Rehabilitation ausdrückt?

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Bei erfolgreicher Reha entfällt der Rentenanspruch

Eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit während der Erwerbsminderungsrente würde nämlich logischerweise dazu führen, dass kein Anspruch mehr auf die Rente besteht. Denn die Erwerbsminderungsrente setzt voraus, nur weniger als drei Stunden (volle Erwerbsminderung) oder weniger als sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) pro Tag arbeiten zu können.

Neue bürokratische Zermürbung

Der Rentenexperte warnt: „Vor allem diejenigen die ihre befristete EM-Rente nach langwierigen Verfahren, medizinischen Gutachten und oft jahrelangem Kampf gegen bürokratische Hürden durchgesetzt haben, müssen eine neue Welle der Überprüfung durch die gesetzliche Rentenversicherung befürchten.“

Reha als Hebel gegen die Rente

Die Folge wäre ein Spießrutenlauf für Menschen, die bereits massivem psychischen, körperlichen und sozialem Druck ausgesetzt sind: „Rehabilitationsmaßnahmen könnten künftig nicht mehr nur unterstützend, sondern auch als Hebel zur Aberkennung der Rente eingesetzt werden. Für viele Betroffene würde das bedeuten, erneut in einen zermürbenden Kreislauf aus Antragstellung, Ablehnung, Widerspruch und Klageverfahren zu geraten. Dies flankiert mit ungeahntem, ungewissem Ausgang und existenziellen Folgen.“

Enormer Druck auf psychisch Erkrankte

Den größten Anteil an neu anerkannten Erwerbsminderungsrenten stellen heute Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die häufigsten Diagnosen sind dabei schwere und wiederkehrende Depressionen, Angststörungen und psychosomatische Erkrankungen (das sind körperliche Symptome, die aber keine körperliche Ursache haben).

Gerade für diese Menschen wäre es eine Qual, während ihrer Rente erneut das bürokratische Hick-Hack zu erleiden – aus Reha, Ämtern, ärztlichen Gutachtern, wechselnden Zuständigkeiten und Unsicherheit in der Lebensplanung.