Zum 1. Januar 2025 sollen die Grundleistungen für Bedürftige laut der neuen Regelungen abgesenkt werden. Diese Entscheidung wirft erhebliche rechtliche und gesellschaftliche Fragen auf. Besonders ist hierbei die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der Grundbedarfssätze, wie sie seit 2018 festgelegt und fortgeschrieben wurden (1 BvL 5/21).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat diese Sätze als verfassungswidrig eingestuft und das BVerfG angerufen, um eine verbindliche Entscheidung zu treffen (LSG Niedersachsen-Bremen, Vorlagebeschluss vom 26. Januar 2021 – L 8 AY 21/19).
Das Thema erhält zusätzlich Brisanz, da die Höhe des Regelsatzes – und damit auch die der Grundbedarfssätze – seit Jahren stark in der Kritik steht.
Kritiker, darunter Sozialverbände wie Der Paritätische, argumentieren, dass die Berechnungsgrundlagen zufällig und damit willkürlich seien, was zu künstlich niedrigen Bedarfssätzen führe.
Die angekündigte Absenkung erfolgt in einem Kontext, in dem die Berechnung der Fortsetzungen als fragwürdig betrachtet wird.
Was sind die geplanten neuen Bedarfssätze?
Die neuen Bedarfssätze, die ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten sollen, sehen eine Absenkung der Grundleistungen vor. Hier sind die Sätze im Vergleich zu den Werten von 2024 dargestellt:
- Bedarfsstufe 1: 196 EUR (204 EUR im Jahr 2024) – persönlicher Bedarf 245 EUR (256 EUR) – Gesamtbedarf 441 EUR (460 EUR)
- Bedarfsstufe 2: 177 EUR (184 EUR) – persönlicher Bedarf 220 EUR (229 EUR) – Gesamtbedarf 397 EUR (413 EUR)
- Bedarfsstufe 3: 157 EUR (164 EUR) – persönlicher Bedarf 196 EUR (204 EUR) – Gesamtbedarf 353 EUR (368 EUR)
- Bedarfsstufe 4: 133 EUR (139 EUR) – persönlicher Bedarf 258 EUR (269 EUR) – Gesamtbedarf 391 EUR (408 EUR)
- Bedarfsstufe 5: 131 EUR (137 EUR) – persönlicher Bedarf 196 EUR (204 EUR) – Gesamtbedarf 327 EUR (341 EUR)
- Bedarfsstufe 6: 126 EUR (132 EUR) – persönlicher Bedarf 173 EUR (180 EUR) – Gesamtbedarf 299 EUR (312 EUR)
Die Absenkung der Sätze hat schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen, da diese oft schon jetzt mit knappen Ressourcen auskommen müssen.
Was ist die gesetzliche Grundlage?
Die Berechnung der Regelsätze erfolgt auf Grundlage des § 28a Abs. 5 SGB XII, der eine Besitzstandsregelung enthält, die eine Nullrunde bei negativen Entwicklungen vorsieht.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vertritt jedoch die Auffassung, dass diese Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nicht gilt. In § 3a Abs. 4 S. 1 AsylbLG heißt es:
„Die Geldbeträge … werden jeweils zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach § 40 Satz 1 Nummer 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fortgeschrieben.“
Da die Veränderungsrate gemäß § 28a SGB XII dieses Jahr jedoch Null beträgt, bleibt abzuwarten, wie diese Diskrepanz in der Praxis behandelt wird.
Welche verfassungsrechtlichen Fragen stehen im Raum?
Die zentrale verfassungsrechtliche Frage ist, ob die Grundbedarfssätze in ihrer aktuellen Form der Gewährleistung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG entsprechen. Bereits im Jahr 2012 entschied das BVerfG (1 BvL 10/10, Rn 95), dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativiert werden darf.
Die jetzige Absenkung und die weiterhin niedrigen Sätze könnten somit als unvereinbar mit den verfassungsmäßigen Anforderungen betrachtet werden, insbesondere wenn sie nicht das Minimum an Existenzsicherung gewährleisten.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat diesbezüglich klar Stellung bezogen, indem es die Sätze als verfassungswidrig ansieht. Diese Einschätzung stützt sich auf die Argumentation, dass die Grundbedarfssätze nicht realitätsnah berechnet wurden und damit unterhalb des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums liegen könnten.
Sollte das BVerfG diese Auffassung teilen, könnte es zu erheblichen Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen kommen.
Was bedeutet die Absenkung konkret für Betroffene?
Für die betroffenen Menschen bedeutet die Absenkung der Grundleistungen eine zusätzliche finanzielle Belastung. Während die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen, führt die Reduktion der Unterstützungsleistungen dazu, dass die Lücke zwischen den gewährten Mitteln und den tatsächlichen Ausgaben weiter wächst. Besonders betroffen sind hierbei bedürftige Personen ohne Zugang zu zusätzlichen Versorgungsmöglichkeiten.
Auch die Tatsache, dass der Bedarf an Kleidung zunehmend über Sachleistungen wie Kleiderkammern gedeckt werden soll, birgt Probleme. In der Praxis sind die Bedarfe häufig nicht vollständig abgedeckt.
Dies führt zu der Frage, inwieweit das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eingeschränkt wird, wenn sie gezwungen werden, ihre Kleidung ausschließlich aus einer Kleiderkammer zu beziehen. Der Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 GG und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen ist hier entscheidend.
Wie kann gegen die Kürzungen vorgegangen werden?
Es sei ratsam, die neuen Bescheide ab dem 1. Januar 2025 wegen zu niedriger Bedarfssätze anzufechten, rät Rechtsanwalt Volker Gerloff. Ein effektiver Weg kann darin bestehen, die Mängel der Sachleistungen detailliert zu dokumentieren.
Insbesondere bei Leistungen, die in Form von Sachmitteln erbracht werden (wie Kleidung aus Kleiderkammern), sollte sorgfältig nachgewiesen werden, dass und warum die gewährten Sachleistungen die tatsächlichen Bedürfnisse nicht erfüllen.
In Fällen, in denen die Versorgung durch Sachleistungen wie Kleiderkammern nicht ausreichend ist, könnte dies als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden. Betroffene sollten daher jede Ablehnung oder Kürzung der Geldleistung gut dokumentieren und gegebenenfalls rechtlich dagegen vorgehen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass durch den sorgsamen Umgang mit Ressourcen und gezielte Käufe ein realistischer, gesetzlich geforderter Bedarf gedeckt werden kann.
Fazit
Die Entscheidung des BVerfG wird richtungsweisend sein und könnte eine Neujustierung der gesetzlichen Grundlagen nach sich ziehen. In jedem Fall ist es notwendig, die Entwicklungen genau zu beobachten und gegebenenfalls Betroffene in ihrem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu unterstützen. (Hinweis: Anwaltsbüro Volker Gerloff)
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