Wenn Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit arbeitsunfรคhig werden, besteht ein Anspruch auf Krankengeld, der fรผr maximal 78 Wochen gilt.
Doch was passiert, wenn das Krankengeld abgelaufen ist und die Genesung noch nicht eingetreten ist?ย Nach dem Krankengeld gibt es viele Optionen, die Betroffene genau prรผfen sollten. Diese stellen wir in diesem Beitrag mit Beispielen vor.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet โAussteuerungโ und wann tritt sie ein?
Nach spรคtestens 78 Wochen endet der Anspruch auf Krankengeld, ein Prozess, der als โAussteuerungโ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass die Krankenkasse den Betroffenen darรผber informiert, dass kein weiteres Krankengeld mehr gezahlt wird.
Diese Regelung ist im Sozialgesetzbuch V (SGB V) festgelegt.
Ab diesem Zeitpunkt stehen Arbeitnehmer vor der Frage, wie es finanziell weitergehen kann. Es gibt verschiedene Mรถglichkeiten, die nach der Aussteuerung greifen, wobei die Beantragung von Arbeitslosengeld eine der wichtigsten ist.
Beispiel: Frau Schmidt ist seit 18 Monaten wegen eines Bandscheibenvorfalls arbeitsunfรคhig. Nach den 78 Wochen Krankengeld informiert sie die Krankenkasse, dass sie โausgesteuertโ wird, also keinen weiteren Anspruch auf Krankengeld hat. Da sie noch nicht wieder arbeiten kann, stellt sie bei der Agentur fรผr Arbeit einen Antrag auf Arbeitslosengeld I.
Was passiert nach der Aussteuerung?
Nach der Aussteuerung kann man, auch wenn man weiterhin krankgeschrieben ist, Arbeitslosengeld I beantragen. Hierbei handelt es sich nicht um eine klassische Arbeitslosigkeit im Sinne einer aktiven Arbeitssuche, sondern vielmehr um eine รbergangsregelung fรผr Betroffene, die aufgrund der Krankheit noch nicht wieder arbeitsfรคhig sind.
Der Antrag auf Arbeitslosengeld I muss bei der Agentur fรผr Arbeit gestellt werden. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Betroffene seinen Arbeitsvertrag kรผndigt.
Das Arbeitslosengeld wird sozusagen als verlรคngertes Krankengeld gezahlt. Die Hรถhe des Arbeitslosengeldes betrรคgt in der Regel 67 % des letzten Nettoeinkommens, wenn der Betroffene Kinder hat, und 60 % fรผr Kinderlose.
Hamburger Modell nach dem Krankengeld
Das Hamburger Modell ist eine stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf, die es Arbeitnehmern nach einer langen Krankheit ermรถglicht, schrittweise ihre Arbeitsleistung wieder aufzunehmen.
In Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt und dem Arbeitgeber wird ein Plan entwickelt, der es dem Arbeitnehmer ermรถglicht, zunรคchst mit wenigen Stunden pro Tag zu beginnen und die Arbeitszeit allmรคhlich zu steigern. Ziel ist es, dass der Betroffene am Ende des Prozesses wieder seine volle Arbeitsleistung erbringen kann.
Die stufenweise Wiedereingliederung ist besonders sinnvoll fรผr Menschen, die nach einer schweren Krankheit nicht sofort in ihren Vollzeitjob zurรผckkehren kรถnnen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Frau Berger, die nach einer schweren Erkrankung lange krank war, mรถchte langsam wieder in ihren Job als Krankenschwester einsteigen. Mit ihrem Arzt und ihrem Arbeitgeber plant sie einen stufenweisen Wiedereinstieg nach dem โHamburger Modellโ. Sie beginnt mit zwei Stunden pro Tag und steigert ihre Arbeitszeit in den kommenden Wochen auf sechs Stunden, bis sie schlieรlich wieder voll einsatzfรคhig ist.
Wie funktioniert das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)?
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, das greift, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres lรคnger als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfรคllt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer zu unterstรผtzen und gemeinsam mit ihm sowie den behandelnden รrzten nach Wegen zu suchen, wie der Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert werden kann.
Das BEM kann verschiedene Maรnahmen umfassen, wie beispielsweise eine stufenweise Wiedereingliederung oder eine Anpassung der Arbeitsbedingungen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Herr Meier, ein Lagerarbeiter, war aufgrund eines Unfalls lange krank. Sein Arbeitgeber bietet ihm im Rahmen des BEM-Gesprรคchs an, in den ersten Wochen nach seiner Rรผckkehr eine leichtere Tรคtigkeit auszuรผben und schrittweise wieder an seine alte Stelle zurรผckzukehren. Gemeinsam mit seinem Arzt und dem Arbeitgeber entwickelt er einen Plan, um sicherzustellen, dass er seine Arbeit langfristig ohne gesundheitliche Rรผckschlรคge ausรผben kann.
Wann ist eine vorรผbergehende Arbeitszeitreduzierung sinnvoll?
Eine weitere Mรถglichkeit, um nach einer lรคngeren Krankheit wieder in den Beruf einzusteigen, ist eine vorรผbergehende Reduzierung der Arbeitszeit.
Diese Option ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Betroffene zwar noch nicht vollstรคndig genesen ist, jedoch davon ausgeht, in absehbarer Zeit wieder voll arbeitsfรคhig zu sein.
Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass das Krankengeld oder andere Leistungen bei einem erneuten Ausfall auf Basis des reduzierten Einkommens berechnet werden. Eine sorgfรคltige Abwรคgung ist daher wichtig.
Beispiel: Frau Weber arbeitet als Lehrerin und leidet nach einer Burnout-Diagnose an starker Erschรถpfung. Sie spricht mit ihrem Arbeitgeber und reduziert vorรผbergehend ihre Arbeitszeit auf 50 %, um sich zu erholen, wรคhrend sie weiterhin im Beruf bleibt. Sie muss allerdings beachten, dass im Falle einer erneuten Krankmeldung das Krankengeld auf Grundlage des reduzierten Einkommens berechnet wird.
Nahtlosigkeitsregelung nach dem Krankengeld
Die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung greift, wenn ein Arbeitnehmer nach dem Auslaufen des Krankengeldes weiterhin arbeitsunfรคhig ist, aber dennoch Arbeitslosengeld I erhalten kann.
Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Rentenversicherung noch nicht abschlieรend รผber eine mรถgliche Erwerbsminderung entschieden hat. Wรคhrend dieser Zeit gilt der Betroffene als โnahtlosโ in den Bezug von Arbeitslosengeld รผbergegangen.
Es handelt sich hierbei um eine spezielle Regelung, die verhindern soll, dass Betroffene ohne jegliche finanzielle Absicherung dastehen.
Beispiel: Herr Bauer hat eine chronische Erkrankung, die es ihm unmรถglich macht, seinen bisherigen Beruf als Maurer auszuรผben. Nach dem Auslaufen des Krankengeldes meldet er sich bei der Agentur fรผr Arbeit und erhรคlt Arbeitslosengeld.
Da die Rentenversicherung noch nicht รผber seine Erwerbsminderung entschieden hat, greift die Nahtlosigkeitsregelung und er erhรคlt weiterhin Zahlungen, bis die Rentenversicherung seine Erwerbsfรคhigkeit prรผft.
Was passiert, wenn die Erwerbsminderungsrente nicht ausreicht?
Viele Menschen, die eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen, mรผssen feststellen, dass diese nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken.
Im Durchschnitt liegt die volle Erwerbsminderungsrente bei rund 950 Euro im Monat, was in vielen Fรคllen nicht genรผgt, um die grundlegenden Lebenshaltungskosten zu decken.
In solchen Fรคllen haben Betroffene mรถglicherweise Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Diese Grundsicherung รคhnelt dem Bรผrgergeld und richtet sich nach den individuellen Lebensumstรคnden des Betroffenen, insbesondere den Wohnkosten.
Beispiel: Frau Klein, eine ehemalige Verkรคuferin, erhรคlt nach einer schweren chronischen Krankheit eine volle Erwerbsminderungsrente in Hรถhe von 800 Euro. Da sie in einer Groรstadt wie Mรผnchen lebt, reichen diese Zahlungen nicht aus, um die hohen Mietkosten zu decken. Sie beantragt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, um ihre Wohnkosten zu decken.
Fazit: Was sollten Betroffene tun?
Wer sich in einer Situation befindet, in der das Krankengeld bald auslรคuft oder bereits ausgesteuert wurde, sollte frรผhzeitig handeln.
Ob es um die Beantragung von Arbeitslosengeld, den Antrag auf Erwerbsminderungsrente oder die Rรผckkehr in den Beruf geht โ es gibt viele Optionen, die individuell geprรผft werden sollten. Dabei helfen Sozialverbรคnde und deren Beratungsstellen, die Deutsche Rentenversicherung aber auch Sozialrechtsanwรคltinnen und Anwรคlte.
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