Mehr Pflegegeld und Pflegegrad durch Telefontermin mit dem Gutachter

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Seit einiger Zeit setzen die Medizinischen Dienste der Kranken- und Pflegekassen vermehrt auf telefonische Begutachtungen fรผr den Pflegegrad.

Die Erfahrung in der Beratung zeigt: Fรผr viele Antragstellende kann dieser Weg vorteilhaft sein, weil der Gutachter ausschlieรŸlich jene Informationen bewertet, die wรคhrend des Gesprรคchs geschildert werden. Subjektive Eindrรผcke von Wohnung, Kleidung oder Mimik โ€“ all das bleibt auรŸen vor. Wer sich sorgfรคltig vorbereitet, bekommt dadurch die Chance, ein prรคzises, unvoreingenommenes Bild seiner Pflegesituation zu vermitteln und potenzielle Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Wie ist der Ablauf eines Telefontermins mit dem Gutachter?

Nach Terminbestรคtigung ruft der Gutachter zur vereinbarten Zeit an. Er orientiert sich an den sechs gesetzlich definierten Modulen โ€“ von Mobilitรคt bis hin zu Alltagsgestaltung โ€“ und bittet um konkrete Beispiele.

Ohne Blickkontakt ist die Gesprรคchsfรผhrung oft strukturierter: Der Gutachter fragt, der oder die Betroffene (hรคufig unterstรผtzt durch eine Angehรถrige) antwortet Schritt fรผr Schritt.

Schriftliche Unterlagen wie รคrztliche Befunde oder Medikamentenplรคne, die der Kasse bereits vorliegen, bilden die formale Grundlage; das Telefonat liefert die lebenspraktische Ergรคnzung.

Wichtig ist, dass jede Einschrรคnkung mit ihrem daraus resultierenden Unterstรผtzungsbedarf erlรคutert wird. Nur so kann der Gutachter die Punktevergabe schlรผssig nachvollziehen.

Welche Hilfsmittel unterstรผtzen die Vorbereitung optimal?

Ein praxisnahes Werkzeug ist der kostenfrei zugรคngliche Pflegegrad-Rechner von pflege-dschungel.de. Er bildet alle Unterkategorien โ€“ etwa โ€žPositionswechsel im Bettโ€œ oder โ€žTreppensteigenโ€œ โ€“ einzeln ab und blendet per Infobutton die juristische Definition ein, ab wann Punkte zรคhlbar sind.

Wer fรผr jeden Modulpunkt eine Diagnose nennt und daraus den tรคglichen Hilfebedarf herleitet, erstellt gewissermaรŸen sein eigenes Gutachten im Miniformat.

Dieses strukturierte Vorabprotokoll dient im Telefontermin als roter Faden: Es verhindert, dass Aspekte vergessen werden oder das Gesprรคch in Nebenschauplรคtze abgleitet.

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Weshalb zรคhlt letztlich der Unterstรผtzungsbedarf โ€“ und nicht bloรŸ die Diagnose?

Das Pflegeversicherungsgesetz unterscheidet klar zwischen Einschrรคnkung und Unterstรผtzungsbedarf. Ein Bandscheibenvorfall etwa rechtfertigt allein noch keinen Pflegegrad; ausschlaggebend ist, ob und wie stark dadurch alltรคgliche Verrichtungen beeintrรคchtigt sind.

Punkte werden vergeben, wenn jemand infolge der Einschrรคnkung dauerhaft auf personelle Hilfe angewiesen ist. Deshalb sollte jede Angabe im Gesprรคch die Kette โ€žDiagnose โ€“ Funktionsverlust โ€“ notwendige Hilfeโ€œ schlieรŸen. Erst aus dieser Trias ergibt sich die Hรถhe von Pflegegeld oder Pflegesachleistungen.

Welche hรคufigen Irrtรผmer halten sich rund um die Pflegegrade?

Ein verbreitetes Missverstรคndnis lautet: โ€žWer noch laufen kann, bekommt keinen Pflegegrad.โ€œ Das stimmt nicht.

Module 2 und 3 bewerten kognitive bzw. psychische Problemlagen unabhรคngig von kรถrperlicher Mobilitรคt.

Tรคgliche Orientierungsschwierigkeiten, nรคchtliche Unruhe, Depressionen oder Angststรถrungen kรถnnen bereits zum Pflegegrad 1 fรผhren, wenn sie regelmรครŸig personelle Zuwendung erfordern.

Ein zweiter Irrtum: โ€žMehr Diagnosen bedeuten automatisch hรถhere Einstufung.โ€œ Auch hier gilt: Entscheidend ist stets der konkrete Hilfebedarf, nicht die Zahl der Arztbriefe.

Wie lรคsst es sich begรผnstigen einen hรถheren Pflegegrad und damit mehr Pflegegeld zu erreichen?

Wer sich beim Ausfรผllen des Pflegegrad-Rechners Zeit nimmt, eine ehrliche Bestandsaufnahme vornimmt und sich im Telefonat strikt an diesen Leitfaden hรคlt, vermeidet Unter- wie รœbertreibungen.

Hilfreich ist zudem, schon vorab festzulegen, wer welche Fragen beantwortet: Die pflegebedรผrftige Person sollte authentisch eigene Erfahrungen schildern; Angehรถrige kรถnnen ergรคnzend Situationen beschreiben, die Betroffenen selbst entgleiten.

Wรคhrend des Gesprรคchs lohnt es sich, immer wieder den โ€žWarum-Aspektโ€œ hervorzuheben:

  1. Warum ist genau jetzt Hilfe nรถtig?
  2. Warum kann ein technisches Hilfsmittel das Problem nicht alleine lรถsen?
  3. Der Gutachter ordnet das Gehรถrte anschlieรŸend in sein Punktesystem ein โ€“ je klarer die Antworten, desto treffender die Einstufung.

Wie geht es nach der Begutachtung weiter?

Innerhalb weniger Wochen erhรคlt die antragstellende Person den Gutachtenbericht und den Bescheid der Pflegekasse. Sollte das Ergebnis vom erwarteten Pflegegrad abweichen, besteht ein Monat Zeit, Widerspruch einzulegen.

Auch dabei erweist sich ein detailliertes Telefonprotokoll als wertvolles Rรผckgrat: Es lรคsst sich nachprรผfen, ob alle Angaben korrekt berรผcksichtigt wurden oder ob Aspekte โ€“ etwa psychische Belastungen โ€“ zu gering gewichtet wurden.

Welches Fazit lรคsst sich ziehen?

Die telefonische Begutachtung ist keine Notlรถsung, sondern fรผr gut informierte Antragstellende eine echte Chance auf einen gerechten Pflegegrad. Wer die relevanten Modulpunkte mit konkreten Beispielen, klar benannten Diagnosen und nachvollziehbarem Unterstรผtzungsbedarf unterlegt, kann die Stรคrken des Formats ausspielen: Der Gutachter hรถrt nur das, was wirklich zรคhlt. Sorgfรคltige Vorbereitung ersetzt dabei das fehlende persรถnliche Bild โ€“ und erhรถht die Aussicht auf eine faire, bedarfsgerechte Einstufung.