Sie pflegen Ihre Mutter, Ihren Vater oder Ihren Partner – aber bekommen keinen Cent dafür? Dann sind Sie nicht allein. In Deutschland verzichten Hunderttausende auf Leistungen der Pflegekasse, weil sie die Regeln nicht kennen. Dabei könnte schon ein einfacher Anruf Geld, Entlastung und Zeit bringen.
Fakt ist: Pflege kostet Nerven, Zeit und Geld. Wer sich zu spät kümmert, zahlt oft darauf – aus Unwissen oder aus Angst vor Bürokratie. Dabei ist die Sache klar geregelt: Wer regelmäßig hilft, hat Anspruch. Und zwar nicht erst, wenn gar nichts mehr geht.
Inhaltsverzeichnis
Zwei Jahre Beitrag – und der Anspruch steht
Der erste Schritt: Prüfen, ob Sie oder Ihre Angehörigen überhaupt versichert sind. Die Pflegeversicherung ist Pflicht – gesetzlich wie privat. Entscheidend ist: Wurden in den vergangenen zehn Jahren mindestens 24 Monate Beiträge gezahlt?
Wenn ja, können Sie Leistungen beantragen. Und zwar auch dann, wenn Sie aktuell nicht erwerbstätig sind – etwa im Ruhestand oder als Hausfrau. Viele meinen, sie müssten „noch eingezahlt haben“. Das stimmt nicht. Entscheidend ist die Dauer der Mitgliedschaft, nicht der aktuelle Status.
Ab wann gilt man als „pflegebedürftig“?
Pflegebedürftig ist nicht nur, wer im Bett liegt. Viele fangen schleichend an: Die Wege fallen schwer, Medikamente werden vergessen, der Alltag wird unübersichtlich.
Schon wer über sechs Monate regelmäßig Unterstützung benötigt, hat Anspruch auf Hilfe. Entscheidend ist: Die Einschränkung muss dauerhaft und erheblich sein. Dann erfolgt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (bei Privatversicherten durch MEDICPROOF).
Tipp: Führen Sie ein Pflegetagebuch – je genauer Sie den Hilfebedarf dokumentieren, desto höher die Chancen auf den richtigen Pflegegrad.
Pflegegrade: Ihre Eintrittskarte zu Geld und Hilfe
Ob Geld fließt, hängt vom Pflegegrad ab. Dieser wird anhand von sechs Bereichen beurteilt:
Mobilität, Kommunikation, psychische Stabilität, Selbstversorgung, medizinische Anforderungen und Alltagsgestaltung.
Beispiel: Wer noch selbstständig isst, aber bei Medikamenten, Waschen und Orientierung Hilfe benötigt, bekommt oft Pflegegrad 2 oder 3. Ab dann zahlt die Pflegekasse – teilweise über 1.000 Euro pro Monat.
Pflegegrad 1 bringt zwar kein Pflegegeld, aber monatlich 131 Euro Entlastungsbetrag – etwa für Haushaltshilfen oder Betreuung. Ab Grad 2 kommt erstmals Pflegegeld oder Sachleistung ins Spiel.
Je höher der Grad, desto mehr Leistungen – von der barrierefreien Dusche bis zur Tagespflege.
Lesen Sie auch:
- Neue Pflegegeld-Regelungen 2025: Was ändert sich für dich?
- Plus 50 Prozent Pflegegeld jeden Monat mit bislang unbekannter Strategie
Antrag stellen – aber richtig
Ohne Antrag kein Geld. Was einfach klingt, wird in der Praxis oft verschleppt. Viele warten auf den „richtigen Moment“. Doch je früher Sie aktiv werden, desto besser.
Ein formloser Antrag reicht: per Anruf, Mail oder Brief an die Pflegekasse. Wichtig ist das Eingangsdatum – denn der Anspruch gilt ab diesem Tag rückwirkend. Ab dann muss die Kasse innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden. Bei Akutfällen sogar schneller.
Gut zu wissen: Die Fristen sind gesetzlich geregelt – Sie können sich darauf berufen. Fordern Sie immer eine Eingangsbestätigung an.
Zu niedriger Pflegegrad? So wehren Sie sich
Der Pflegegrad passt nicht? Dann widersprechen Sie – schriftlich, innerhalb eines Monats. Viele Bescheide werden zu knapp angesetzt, weil der Hilfebedarf falsch eingeschätzt wurde.
Statistisch führt etwa jeder dritte Widerspruch zu einer besseren Einstufung. Besonders wichtig: bereiten Sie das Zweitgutachten gut vor. Sammeln Sie Arztberichte, Notizen, Tagesprotokolle. Am besten sprechen Sie mit einem Pflegestützpunkt – die Beratung ist kostenlos.
Leistungen im Detail: Was Ihnen zusteht
Die Pflegekasse zahlt – aber nur, wenn Sie wissen, was möglich ist. Hier ein Überblick über typische Leistungen:
- Pflegegeld: z. B. 599 €/Monat bei Pflegegrad 3
- Pflegesachleistungen: z. B. 1.497 €/Monat bei Grad 3 für Pflegedienst
- Entlastungsbetrag: 131 €/Monat (auch bei Pflegegrad 1)
- Pflegehilfsmittel: 42 €/Monat – frei verwendbar
- Digitale Anwendungen: bis 50 €/Monat – z. B. Erinnerungssysteme
- Wohnraumanpassung: einmalig bis 4.180 € – z. B. Badumbau, Rampen
Sie können Leistungen auch kombinieren: Wer z. B. 60 % des Budgets für einen Pflegedienst nutzt, bekommt 40 % des Pflegegeldes anteilig ausgezahlt.
Neu ab Juli 2025: Kombibudget für Pflegepausen
Pflegende Angehörige benötigen Pausen. Doch wer springt ein, wenn man selbst ausfällt?
Ab Mitte 2025 gibt es dafür ein gemeinsames Jahresbudget von 3.539 Euro – kombinierbar für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege. Sie bestimmen flexibel, wie das Geld genutzt wird: für 1 Woche im Heim oder 2 Wochen Ersatzpflege zu Hause.
Das hilft vorwiegend Alleinpflegenden, die bislang auf die Notbremse verzichten mussten – aus finanziellen Gründen.
Pflege im Heim: Was Sie erwartet
Ein Platz im Pflegeheim kostet im ersten Jahr rund 1.500 Euro Eigenanteil pro Monat – trotz Pflegekassenzuschuss.
Aber: Je länger man im Heim lebt, desto stärker beteiligt sich die Pflegekasse. Ab dem vierten Jahr übernimmt sie bis zu 75 % des pflegebedingten Eigenanteils.
Dennoch bleiben Unterkunft und Verpflegung als Kostenfaktor. Wer vorher Leistungen wie Tagespflege oder Wohnraumanpassung nutzt, kann einen Heimaufenthalt oft deutlich hinauszögern – oder sogar ganz vermeiden.
Angehörige entlasten: Zeit, Geld und Steuervorteile
Pflege ist oft Familiensache. Deshalb gibt es Pflegeunterstützungsgeld: Bis zu 10 Tage pro Jahr zahlt die Kasse 90 % des Nettoverdienstes, wenn Angehörige plötzlich einspringen müssen.
Dazu können Sie sich bis zu 6 Monate komplett freistellen lassen – oder bis zu 24 Monate in Teilzeit pflegen (ab 15 Std./Woche).
Pflegekosten sind zudem steuerlich absetzbar – etwa als haushaltsnahe Dienstleistungen oder außergewöhnliche Belastungen. Das kann mehrere Hundert Euro im Jahr bringen – bares Geld für Pflegehilfen, Umbauten oder Fahrdienste.