Wenn ein Beschäftigungsverhältnis endet oder ruht und man keine Gehaltszahlungen mehr erhält, stellt sich für viele Menschen die Frage: Wie lange habe ich Anspruch auf Arbeitslosengeld?
Die Antwort hängt in erster Linie von der Dauer der vorherigen Beitragszahlungen in die Arbeitslosenversicherung ab.
Doch was viele nicht wissen: Auch die Zeit des Krankengeldbezugs kann sich auf die Beitragszeiten und damit auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirken.
Im Folgenden erklären wir anhand eines Beispiels, wie sich das konkret gestaltet und welche Schritte Betroffene ergreifen sollten, wenn sie nach einer längeren Krankheitsphase arbeitslos werden – oder zumindest so erwerbsgemindert sind, dass sie nicht mehr in ihren alten Job zurückkehren können.
Was ist die reguläre Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld I?
Um das reguläre Arbeitslosengeld I (ALG I) beziehen zu können, muss man eine bestimmte sogenannte Anwartschaftszeit erfüllen. Diese Anwartschaft besagt:
- Man muss in den letzten 30 Monaten mindestens zwölf Monate lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.
Diese Voraussetzung ist die wichtigste Grundregel. Wird die Anwartschaftszeit erfüllt, so besteht mindestens ein Anspruch auf sechs Monate ALG I. Je länger jemand eingezahlt hat – und je älter man ist – desto länger kann man ALG I beziehen. Für Menschen ab 58 Jahren und mit entsprechend langer Beitragszeit kann der Anspruch auf bis zu 24 Monate ausgeweitet werden.
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Wie kann Krankengeld die Anwartschaft erfüllen helfen?
Wer eine Krankheit erleidet, erhält zunächst bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Ist die Genesung danach noch nicht erreicht, folgt in der Regel das Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse. Das Krankengeld kann maximal 72 Wochen (eineinhalb Jahre) in Anspruch genommen werden.
Während dieser Phase zahlt nicht der Arbeitgeber, sondern die Krankenkasse. Wichtig zu wissen: Auch die Krankenkasse führt Beiträge an die Arbeitslosenversicherung ab. Das bedeutet, dass sich mit dem Bezug von Krankengeld die sogenannte Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld verlängern kann.
Warum muss ich mich arbeitslos melden, obwohl ich noch einen Arbeitsvertrag habe?
Viele Betroffene sind irritiert, wenn sie am Ende des Krankengeldbezugs von der Krankenkasse über die sogenannte „Aussteuerung“ informiert werden und sich bei der Agentur für Arbeit melden sollen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis formal noch besteht, weil es arbeitsrechtlich nicht aufgelöst wurde.
Dennoch verlangt die Krankenkasse, dass man sich arbeitslos meldet, um gegebenenfalls Arbeitslosengeld zu beziehen.
Der Hintergrund: Nach 72 Wochen endet der gesetzliche Krankengeldanspruch. Wer weiterhin nicht arbeitsfähig ist und vom Arbeitgeber kein Gehalt mehr bekommt, muss seinen Lebensunterhalt anderweitig sicherstellen. Dazu gehört häufig der Gang zur Agentur für Arbeit, um ALG I in Anspruch zu nehmen – sofern die Anwartschaftszeit erfüllt ist.
Ein Beispiel
Ein Beispiel ist der Fall von Michael, der erst vier Monate nach seinem Studium in ein festes Arbeitsverhältnis eingetreten ist, bevor er schwer erkrankt ist.
- Kurze Beschäftigungszeit: Michael hat erst vier Monate gearbeitet. Wäre er direkt danach arbeitslos geworden, hätte er keinen Anspruch auf ALG I gehabt, da er die notwendige Beitragszeit von mindestens zwölf Monaten nicht erfüllt hätte.
- Krankheit und Krankengeld: Nach einer sechswöchigen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber bekam Michael für bis zu 72 Wochen Krankengeld. In dieser Zeit übernahm die Krankenkasse die Beitragszahlungen an die Arbeitslosenversicherung.
- Gesamte Beitragsmonate: Rechnet man nun die vier Monate Beschäftigung plus sechs Wochen Lohnfortzahlung (die ebenfalls als sozialversicherungspflichtige Zeit zählt) und die anschließende lange Bezugszeit von Krankengeld zusammen, kommt Michael in Summe auf mehr als zwölf Beitragsmonate. Damit hat er nun doch Anspruch auf Arbeitslosengeld I – trotz seiner kurzen tatsächlichen Beschäftigungszeit.
Dank der Anrechnungszeiten während des Krankengeldbezugs steigt seine Anwartschaft auf das Maß, das für den ALG-I-Bezug notwendig ist.
Was geschieht nach dem Ende des Krankengeldes?
Ungefähr zwei Monate bevor das Krankengeld ausläuft, erhalten Betroffene meist ein Schreiben der Krankenkasse mit dem Hinweis auf die „Aussteuerung“. Man sollte sich dann umgehend mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen und die Antragsunterlagen für das Arbeitslosengeld I anfordern.
Wer sich weiterhin in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet, aber nicht arbeitsfähig ist, stellt zwar auf den ersten Blick einen ungewöhnlichen Fall dar, doch gilt auch hier die Regel: Sobald das Krankengeld endet, benötigt man eine finanzielle Absicherung. Das Arbeitslosengeld I kann diesen Bedarf decken, sofern die Anwartschaft vorliegt.
Wie wird das Arbeitslosengeld I nach Krankengeldbezug berechnet?
Eine der häufigsten Fragen lautet: Wird das Arbeitslosengeld I aus dem zuletzt erhaltenen Krankengeld berechnet oder aus dem früheren Gehalt? In den meisten Fällen zieht die Agentur für Arbeit das ursprüngliche sozialversicherungspflichtige Einkommen vor Beginn der Krankheit zur Berechnung heran. Das bedeutet, dass nicht das niedrigere Krankengeld, sondern in der Regel das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt als Grundlage herangezogen wird.
Allerdings gibt es hier Sonder- und Grenzfälle, etwa wenn die Beschäftigung nur von sehr kurzer Dauer war oder der Verdienst deutlich unter früheren Einkünften lag. Daher ist es ratsam, sich bei Unklarheiten rechtzeitig beraten zu lassen – zum Beispiel bei Sozialverbänden wie dem SoVD oder direkt bei der Agentur für Arbeit.
Welche Schritte sollte ich unternehmen, wenn das Ende des Krankengeldes naht?
- Informationsschreiben abwarten: Meistens informiert die Krankenkasse zwei Monate vor Ende des Krankengeldanspruchs.
- Kontakt zur Arbeitsagentur suchen: Um keine Fristen zu versäumen, sollte man sich frühzeitig arbeitssuchend bzw. arbeitslos melden.
- Benötigte Unterlagen bereithalten: Hierzu gehören unter anderem Bescheinigungen über die Beschäftigungszeiten, das Ende des Krankengeldbezugs (Aussteuerungsbescheid) und ärztliche Unterlagen.
Diese Schritte sind entscheidend, damit der Übergang vom Krankengeld zum Arbeitslosengeld reibungslos funktioniert und keine finanziellen Lücken entstehen.
Fazit: Krankengeld kann den ALG-I-Anspruch retten
Das Beispiel von Michael zeigt eindrücklich, dass auch Menschen mit verhältnismäßig kurzer Beschäftigungszeit Arbeitslosengeld I beanspruchen können, wenn sie durch lange Krankheitsphasen mit Krankengeldbezug letztlich die nötigen Beitragsmonate „ansammeln“.
Wichtig ist es, sich rechtzeitig zu informieren: Wer sich in einer ähnlichen Situation befindet, sollte frühzeitig beim Sozialverband Rat einholen. So lassen sich mögliche Fristversäumnisse und finanzielle Engpässe vermeiden.
Gleichzeitig bietet eine genaue Prüfung der Beitragszeiten und Einkommensgrundlagen die Sicherheit, dass man den höchstmöglichen Arbeitslosengeldanspruch ausschöpfen kann.
Wer mehr zur konkreten Berechnung des Arbeitslosengeldes nach einer längeren Krankheitsphase erfahren möchte, sollte sich die zuständigen Stellen kontaktieren oder weiterführende Informationsquellen nutzen.
In vielen Fällen wird das Arbeitslosengeld nämlich auf Basis des alten Bruttoverdienstes berechnet, nicht jedoch auf Grundlage des Krankengeldes.
Damit gilt: Auch eine längere Krankheit schützt nicht vor finanziellen Risiken, aber sie kann im besten Fall sogar dazu beitragen, die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld zu erfüllen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.