Wer kündigt – oder wem gekündigt wird – verliert seinen bezahlten Erholungsurlaub nicht. Der Anspruch bleibt bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses bestehen und muss entweder als Freizeit gewährt oder in Geld abgegolten werden. Dieser Beitrag zeigt Schritt für Schritt, wie viele Urlaubstage Ihnen zustehen, welche Fristen gelten und wie Sie Ihren Anspruch durchsetzen.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzlicher Rahmen: Kündigung beendet nicht den Urlaubsanspruch
Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entsteht kraft Gesetz (§ 1 BUrlG) und endet erst, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich abgeschlossen ist oder der Urlaub abgegolten wurde. Selbst eine fristlose Kündigung löscht das Urlaubsbudget nicht.
Nach § 7 Abs. 4 BUrlG muss der Arbeitgeber Urlaub in Geld ausbezahlen, sobald er ihn vor dem Ausscheiden nicht mehr real gewähren kann – etwa weil die verbleibende Zeit zu kurz ist oder dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
Teilurlaub in der ersten Jahreshälfte: Zwölftel‑Regel richtig anwenden
Kündigen Sie bis zum 30. Juni und haben zuvor schon sechs Monate gearbeitet, reduziert sich der Urlaub anteilig: Für jeden vollen Beschäftigungsmonat erhalten Sie ein Zwölftel des Jahreskontingents (§ 5 Abs. 1 c BUrlG).
Rechenbeispiel
Sie standen vom 1. Januar bis 31. Mai in einem Arbeitsverhältnis mit 30 vertraglichen Urlaubstagen pro Jahr. Fünf volle Monate × 30 / 12 = 12,5 Tage → aufgerundet 13 Tage (§ 5 Abs. 2 BUrlG). ([Gesetze im Internet][2])
Damit wissen Sie exakt, welche Resttage Sie einplanen oder einfordern müssen.
Zweite Jahreshälfte: Voller gesetzlicher Mindesturlaub
Endet das Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni und bestand es vom Jahresbeginn an, steht Ihnen der komplette gesetzliche Mindesturlaub zu. Das sind 20 Arbeitstage bei einer Fünf‑Tage‑Woche (§ 3 BUrlG).
Wichtig: Viele Tarif‑ oder Einzelverträge gewähren mehr als 20 Tage. Dieser Mehrurlaub kann anteilig gekürzt werden; das Mindestkontingent jedoch nicht.
Freistellung statt Auszahlungsantrag – aber nur mit klarer Ansage
Häufig stellt der Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitspflicht frei. Stimmen Sie zu, gelten die freigestellten Tage als Urlaub, wenn der Arbeitgeber explizit anordnet: „unter Anrechnung auf den Resturlaub“.
Ohne diese Anrechnungserklärung bleibt der Urlaub offen und wäre später abzugelten. Das Gehalt fließt während der Freistellung ganz normal als Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG), zusätzliche Zahlungen sind nicht erforderlich.
Geld statt Freizeit: Zwingende Urlaubsabgeltung
Ist eine Freistellung unmöglich oder reicht die Zeit nicht aus, muss der Arbeitgeber den offenen Anspruch in Geld ersetzen (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Dieser Anspruch ist unabdingbar; eine „freiwillige“ Lösung existiert nicht.
Das BAG hat 2024 klargestellt, dass Arbeitnehmer auf die Abgeltung nicht einmal durch einen gerichtlichen Vergleich verzichten dürfen (Urteil vom 16. 04. 2024 – 9 AZR 127/23).
Die Auszahlung orientiert sich am zuletzt gezahlten Durchschnittsverdienst. Damit erhalten Sie pro Urlaubstag exakt den Lohn, den Sie bei tatsächlicher Freizeit bekommen hätten.
Langzeiterkrankung: 15‑Monats‑Grenze schützt die Urlaubsansprüche
Wer während der Kündigungsfrist krank wird, behält seinen Urlaub. Können Sie ihn wegen Krankheit bis zum Ausscheiden nicht nehmen, greift wieder die Abgeltungspflicht. Allerdings erlöschen Altansprüche generell 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (BAG‑Urteil vom 07. 08. 2012 – 9 AZR 353/10).
Beispiel: Urlaub aus 2024 verfällt bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit erst am 31. März 2026 – es sei denn, Sie scheiden vorher aus; dann zahlt der Arbeitgeber sofort ab.
Verjährung und Verfall: Hinweispflicht des Arbeitgebers
Seit der Grundsatzentscheidung des BAG vom 20. 12. 2022 (9 AZR 266/20) beginnt die dreijährige Verjährung nur, wenn der Arbeitgeber schriftlich auf Urlaub und Verfallsfristen hinweist. Unterbleibt die Belehrung, können Altansprüche jahrelang bestehen bleiben.
Für Mitarbeitende lohnt es sich deshalb, aufgehobene Arbeitsverträge noch einmal zu prüfen – insbesondere, wenn über Jahre keine Urlaubshinweise ergingen.
Urlaubsbescheinigung: Pflichtdokument für den Folgejob
Beim Austritt muss der bisherige Arbeitgeber eine Bescheinigung ausstellen, die den gewährten oder abgegoltenen Urlaub des laufenden Jahres enthält (§ 6 Abs. 2 BUrlG).
Geben Sie dieses Schreiben dem neuen Arbeitgeber, vermeiden Sie Doppelansprüche und späteren Ärger.
So gehen Sie strategisch vor
- Erstens: Prüfen Sie den Kalender und ermitteln Sie den noch offenen Jahresurlaub nach der Zwölftel‑Formel oder anhand des Mindesturlaubs.
- Zweitens: Bitten Sie schriftlich um Gewährung innerhalb der Kündigungsfrist.
- Drittens: Verlangen Sie alternativ Abgeltung, falls Ihr Arbeitgeber den Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht bewilligen kann.
- Viertens: Fordern Sie die Urlaubsbescheinigung an und bewahren Sie alle Nachweise zum Anspruch auf.