Krankenkassen versuchen mit Anrufen und Schreiben Widersprüche zu verhindern

Lesedauer 2 Minuten

Wenn es um zustehende Leistungen geht, verweigern nicht nur Behörden wie das Jobcenter diese. Auch Krankenkassen mauern mit zum Teil schwer verständlichen und widersprüchlichen Schreiben. Mit Telefonaten werden Versicherte verunsichert, damit sie nicht den Rechtsweg beschreiten. Besonders betroffen sind ältere Menschen.

Krankenkassen wollen Rechtsansprüche vermeiden

Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber den Krankenkassen ist für die Versicherten oft ein mühsamer und frustrierender Prozess. Insbesondere wenn es um zustehende Leistungen geht, scheinen manche Krankenkassen nicht davor zurückzuschrecken, Versicherte mit fragwürdigen Taktiken von ihren berechtigten Ansprüchen abzubringen.

Diese Erfahrung musste auch Gerd W. machen. Nach einer schweren Operation beantragte er eine Reha. “Daraufhin rief mich eine Mitarbeiterin meiner Krankenkasse an. Sie verneinte einen Anspruch und versuchte mir im Gespräch klar zu machen, dass ein weiterer Rechtsweg nur Geld koste. Stattdessen solle ich eine ambulante Reha machen.”

Gerd W. ließ sich jedoch nicht entmutigen und forderte einen Ablehnungsbescheid. Dieser wurde jedoch nicht zugestellt, erst auf Drängen kam ein Bewilligungsbescheid. Ein Widerspruch war nicht mehr nötig. Die Kasse bewilligte offenbar im Wissen, dass ein Anspruch besteht, die Reha-Maßnahme.

Das, was Gerd W. erlebte, ist kein Einzelfall. Die Praxis, mit Telefonanrufen und intransparenten Schreiben Widersprüche zu unterminieren und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, hat das Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) in einer aktuellen Studie aufgedeckt. Diese alarmierende Entwicklung wirft ein grelles Licht auf die Fragilität des Gesundheitssystems und die Notwendigkeit einer umfassenden Reform.

Widersprüchliche Schreiben und irreführende Anrufe

Durch intransparente Kommunikation, widersprüchliche Schreiben und irreführende Anrufe sollen die Versicherten getäuscht und verunsichert werden, damit sie den Rechtsweg meiden.

Eine Studie IGES-Instituts in Berlin hatte gezeigt, dass einige Krankenkassen ihre Mitarbeiter explizit anweisen, Versicherte zur Rücknahme ihrer Widersprüche zu bewegen. Ein höchst fragwürdiges Vorgehen. Häufig werden die Versicherten nicht ausreichend über die Folgen einer solchen Rücknahme informiert. Dies führt dazu, dass die Versicherten unwissentlich auf ihre Rechte verzichten und keine Möglichkeit mehr haben, gegen eine unangemessene Entscheidung der Krankenkasse vorzugehen.

Zudem wird durch irreführende Schreiben der Eindruck erweckt, die Ablehnung des Widerspruchs sei bereits endgültig entschieden, was die Verzweiflung und Verunsicherung der Versicherten verstärkt.

Besonders ältere Menschen betroffen

Besonders betroffen von diesen fragwürdigen Praktiken sind Versicherte, die Leistungen wie Kuren, Rehabilitationsmaßnahmen (Reha) oder Hörgeräte benötigen. Hier zeigt sich, dass eine erhebliche Anzahl von Anträgen auf solche lebensnotwendigen Leistungen abgelehnt wird.

Die Ablehnungsquote liegt bei über fünf Prozent, hinter dieser Zahl verbergen sich jedoch Einzelschicksale von Menschen, die dringend auf die bewilligten Leistungen angewiesen sind.

Besonders betroffen sind ältere Menschen, Schwerbehinderte, chronisch Kranke und Bildungsbenachteiligte. Jährlich legen über 200.000 Versicherte Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide ein, was das Ausmaß des Problems verdeutlicht.

Desinformation und Täuschung der Krankenkassen

Der Bundesbeauftragte für Patientenrechte, Stefan Schwartze, hat das Vorgehen einiger Krankenkassen als “Desinformation und Täuschung” verurteilt. Solche Vorgehensweisen seien nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch rechtlich bedenklich. Das Bundesgesundheitsministerium betont, dass Krankenkassen Versicherte nicht zur Rücknahme von Widersprüchen drängen dürfen und solche Praktiken nicht toleriert werden können. Viele Kassen ignorieren diese Vorgabe jedoch.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die derzeitige Gesetzgebung ausreicht, um solche Missbräuche zu verhindern. Eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist notwendig, um den Versicherten eine transparentere, gerechtere und weniger belastende Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Rechte zu bieten. Darüber hinaus sollten Mechanismen zur unabhängigen Überprüfung der Widerspruchsverfahren geschaffen werden, um sicherzustellen, dass die Interessen der Versicherten gewahrt werden.

Ansprüche durchsetzen

Wenn Krankenkassen versuchen, Ansprüche abzuwimmeln, sollten Betroffene dies nicht hinnehmen, sondern Widerspruch einlegen. Bei der Durchsetzung der Ansprüche können Verbraucherzentralen oder auf Sozialrecht spezialisierte Rechtsanwälte helfen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...