Kinderzuschlag – oder doch lieber Hartz IV

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Kinderzuschlag – oder doch lieber Hartz IV

Auch wenn weiterhin die Vermeidung von Leistungen nach dem SGB II Grundvoraussetzung bleibt, um Kinderzuschlag (und nachfolgend auch Wohngeld) erhalten zu können, haben seit dem 01.10.2008 Bedürftige die Möglichkeit mit einer Verzichtserklärung statt ALG II nun Kinderzuschlag zu erhalten – auch wenn es insgesamt gesehen weniger ist, als ihnen ALG II zustehen würde. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bezeichnet dies als das „kleine Wahlrecht“.
Weitere, von der BA als "erleichterte Zugangsvoraussetzungen" angeprisene Änderungen sind, dass die Sachbearbeiter neuerdings bei der Berechnung der Anspruchsvoraussetzungen auf Kinderzuschlag keinerlei Mehrbedarfe mehr berücksichtigen müssen.

Doch die bloße Möglichkeit, das Betroffene auf ALG II verzichten können, reichen der Bundesregierung und der BA nicht, deshalb hat Letztere bereits in einer großangelegten internen Kampagne (GA 30/2008) ihre Mitarbeiter in den Hartz IV Ämtern darauf eingestimmt und mit diversen Vordrucken und Handlungsanleitungen versehen, wie man möglichst viele ALG II Empfänger, die eigentlich keinen Anspruch auf Kinderzuschlag haben, den Verzicht auf ALG II "schmackhaft" macht.
Dabei sollen vorrangig Bedarfsgemeinschaften mit mindestens 3 Kindern unter 25 Jahren, vorausgesetzt das Bruttoeinkommen (ohne Kindergeld) dieser Bedarfsgemeinschaften beträgt bei Paaren mindestens 900¤ und bei Alleinerziehenden 600¤, unter Hinweis auf angebliche Mitwirkungspflichten und Androhung von Saktionen vorgeladen werden, weil ihnen angeblich vorrangig andere Leistungen (Kinderzuschlag nach § 6a BKGG und Wohngeld) zustehen würden. Dabei sollen dann Bedürftige zur Abgabe von vorgefertigten Verzichtserklärungen auf ALG II "überredet" werden.

Aber auch bisher war der Anspruch auf Kinderzuschlag vorrangig vor ALG II, d.h. es gibt de facto gar keine ALG II Bezieher, denen hier vorrangig Kinderzuschlag zusteht und die deshalb Mitwirkungspflichten hätten, denn diese Betroffenen Personen beziehen bereits alle Kinderzuschlag, was die BA natürlich weis. Zielgruppe sind hier stattdessen die ALG II Bedarfsgemeinschaften, welche für ein sogenanntes „kleine Wahlrecht“ in Betracht kommen.

So lässt sich viel Geld sparen, wenn man Betroffenen nur eindringlich klar macht, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben. Dabei verzichten die Betroffenen nicht nur auf ihnen zustehende Mehr- und Sonderbedarfe, sondern u.a. auch auf ihre GEZ-Befreiung. worauf diese lt. BA vorsroglich hingewiesen werden sollen.

Auch weitere Möglichkeiten der Druckausübung auf Betroffene beschreibt die BA ihren Mitarbeitern, wie z.B. die Antragstellung auf Wohngeld als sanktionsbewehrte Pflicht in eine Eingliederungsvereinbarung aufnimmt, wobei die BA ihre Mitarbeiter gleichzeitig sinnvoller Weise darauf hinweist, dass zuvor der ALG II Bescheid des Betroffenen aufgehoben werden müsse, da ja sonst der Wohngeldantrag wegen fehlender Anspruchsvoraussetzungen ohne Prüfung abgelehnt würde.

Allen ALG II Empfängern, die "erleichterte Zugangsvoraussetzungen" erfüllen, ist es freigestellt, das „kleine Wahlrecht“ auszuüben und selbst zu entscheiden, ob sie ALG II oder stattdessen Kinderzuschlag und Wohngeld beziehen wollen. Allen ALG II Empfängern, die aber von den Ämtern unter Druck gesetzt werden ihr Wahlrecht auszuüben, kann man nur raten, ruhig zu bleiben, nichts zu unterschreiben, alles zu Hause im Familienkreis zu besprechen, durchzurechnen, sich gegebenenfalls unabhängig beraten zu lassen und sich dann zu entscheiden – für ALG II oder Kinderzuschlag + Wohngeld. Weitere Artikel zum Kinderzuschlag. (15.10.2008)

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